Brennende Blicke und Er

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Das erste Mal, als ich IHN entdeckte, war der Tag, an dem ich das erste Mal wieder in die Schule ging. Mein Kopf brummte zwar immer noch ein wenig beim gehen und auch sonst manchmal, aber Mum hatte drauf bestanden, dass ich jetzt wieder gesund sei.
Also stand ich am nächsten Morgen pünktlich um 6:30Uhr auf und machte mich fertig.
Schon als ich aus der Tür getreten war, hatte ich bemerkt, dass heute etwas anders war. Was genau es war, konnte ich in dem Moment noch nicht sagen, ich fühlte mich einfach nur... seltsam.
Ich hatte das Gefühl beobachtet zu werden, aber sooft ich mich auch umsah, ich konnte niemanden entdecken, der auch nur ansatzweise in meine Richtung sah.
Keiner der vielen Menschen beachtete mich, weder die wichtig aussehenden Männer im Anzug, noch die Schüler die lachend in Gruppen an mir vorbeizogen.
Und dennoch konnte ich das Gefühl nicht abschütteln, immer öfter blickte ich über die Schulter zurück.
Auch, als ich eine Viertelstunde später in der Schule ankam und in meinem Klassenzimmer verschwand, brannte mein Rücken, als ob mir jemand Juckpulver in den Pulli geschüttet hätte.
Trotzdem versuchte ich mich, so gut wie es eben ging, zu konzentrieren. Bis zur Mittagspause gelang mir das auch noch sehr gut, aber als ich draußen meinen zähen, dunkelgelben Kartoffelbrei mit Soße und Erbsen in mich hineinschaufelte, wurde das Brennen auf einmal stärker. Nicht auf diese vorsichtige, fast sanfte Art, bei der man erst wenig später oder auch gar nicht bemerkte, dass es schlimmer geworden war, nein, auf diese ruckartige, "ha-hier-bin-ich-und-überfalle-dich!" Art und Weise. Beinahe hätte ich vor Schreck aufgequitscht und mit der Faust meinen Teller vom Tisch gefegt, aber ich konnte mich gerade noch zusammenreißen. Keuchend lehnte ich über meinem Essen und versuchte das Gefühl zu unterdrücken, mir dauernd über den Rücken kratzen zu müssen.
Weitere 5 Minuten saß ich so zusammengekrümmt da, bis sich mein Herzschlag wieder verlangsamte und ich normal weiteratmen konnte.
Wie schon so oft heute sah ich mich um, aber wieder konnte ich niemanden erkennen, der mich ansah. Meine Mitschüler waren nicht einmal auf mich aufmerksam geworden, jeder achtete nur auf sich und seine Freunde.
Mit geschlossenen Augen atmete ich nocheinmal tief ein und aus und dann erhob ich mich. Ich wollte wieder nach drinnen.
Dort war das brennen wenigstens noch zu ertragen gewesen.
Mit einer fließenden Bewegung schwang ich mir meine Tasche über die Schulter und nahm mein Tablett mit dem Essen darauf und verschwand mit eiligen Schritten durch die Tür in die Cafeteria.
Nachmittags, nach jeweils 2 weiteren Stunden Chemie und Sport, konnte ich endlich die Schule verlassen. So schnell wie möglich ohne zu rennen und mit eingezogenen Schultern machte ich mich auf den Weg nach Hause.
Ich seufzte erleichtert auf, kaum das ich die Haustüre hinter mir geschlossen hatte. Das Gefühl, dass ich beobachtet wurde, war verschwunden und es fühlte sich so an, als ob eine Last von mir gefallen war.
Ich blieb noch den ganzen weiteren Nachmittag in meinem Zimmer und erledigte meine Hausaufgaben. Seltsamerweise fühlte ich mich so unglaublich frei in diesem Raum, obwohl ich die letzten Jahre immer ein Gefühl gehabt hatte, eingeängt zu sein. Vielleicht lag es daran, dass ich draußen das Gefühl hatte beobachtet zu werden, was eigentlich, wenn ich es mir so überlegte, gar nicht so abwegig war.
Gedankenverloren starrte ich weiter die weiße Wand vor mir an, überlegte mir, wie schon öfter, wie ich sie gestalten sollte, als Mum den Kopf ins Zimmer steckte und mich angrinste.
"Gut, dass du da bist, Elena! Könntest du für mich zum Markt laufen? Ich brauche noch Zwiebeln für die Nudelsoße."
Laut stöhnte ich auf und drehte mich zu ihr.
"Hallo, Mum, schön, dass du mich auch begrüßt! Und kann ich das nicht später machen? Oder du schickst Dad? Ich muss echt noch viel Hausaufgaben machen!"
Eigentlich hatte ich einfach nur Angst, dass ich mich draußen wieder so beobachtet fühlen würde. (Und ich hatte keine Lust)
Dieses mal war es an Mum zu seufzen.
"Hallo Elena! Und nein. Ich brauche die Zwiebeln jetzt, außer du willst kein Abendessen. Müssen wir denn immer diskutieren? Du könntest auch einfach einmal das machen, worum ich dich bitte, und nicht immer deinen Vater fragen oder meine Bitten einfach zu ignorieren! Also, bitte, steh auf und geh mir die Zwiebeln holen!"
Ohne meine Antwort abzuwarten verließ sie mein Zimmer wieder. Ich stand, nicht ohne laut genug zu seufzen, dass sie es draußen auch hörte, auf und zog mich an. Eigentlich hatte ich mich gefreut heute nicht mehr aus dem Haus zu müssen, denn ich fürchtete immer noch, dass ich wieder diesen Blick auf mir zu spüren würde.
Aber was sollte ich da schon machen. Nachdem ich mir noch meinen Regenmantel übergeworfen hatte, verließ ich eilig das Haus und machte mich auf den Weg zum Supermarkt.
Tatsächlich waren meine Befürchtungen nicht umsonst gewesen, denn kaum war ich 20 Meter gegangen, begann mein Rücken zu brennen. Entnervt trat ich nach einem kleinen Kiesel und beschleunigte meine Schritte noch ein wenig. Warum passierte mir das? Ich wollte das nicht. Fast schon wie ein kleines Kind stampfte ich wütend auf den Boden und drehte mich ruckartig um.
Und genau in diesem Moment sah ich ihn. Er hatte ein verschmitztes Grinsen auf dem, zugegebenermaßen recht schönem Gesicht. Seine Blick durchbohrte mich fast und bevor er sich umdrehte und in einer Gasse verschwand, strich er sich einmal durch die leicht gelockten, dunklen Haare. Alleine diese Geste verwirrte mich dermaßen, dass ich einen Schritt zurück stolperte.
Leise knurrte ich über meine Reaktion und stapfte weiter zum Markt.
Erst einige Minuten später bemerkte ich, dass das Brennen auf meinem Rücken verschwunden war.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 18, 2015 ⏰

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