Im Nachhinein weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr, was ich so unglaublich witzig an der Idee fand, den halben Schulkorridor zu überfluten.
Aber gut, wie sollte ich denn vorausahnen, dass es dann dort recht rutschig werden würde. Okay, ich geb es zu, das hätte ich wissen müssen.
Dennoch. Was ich wirklich nicht hätte wissen können war die Tatsache, dass Roger Phillis, der größte Idiot dieser Schule, es sich in den Kopf setzen würde, mich durch die Gänge zu jagen, nur weil ich ihm einen winzigen Kaugummi geklaut hatte.
Leider habe ich, als er mir so hinterherhetzte, vergessen, was ich im zweiten Flur rechts angestellt hatte. Außerdem war ich abgelenkt. Roger ist als Captain des Leichtathletikteams verdammt schnell. Sollte er vielleicht auch sein...Auf jeden Fall war das mein Untergang. Wenn ich mich noch recht erinnere bin ich 7 Meter über den Boden geschlittert und dann mit dem Kopf und dem rechten Arm gegen die Wand gedonnert. Im Stil des Trolls aus dem ersten Harry Potter Buch bin ich zu Boden gegangen und das nächste, was ich noch weiß, ist, dass ein ziemlicher Tumult um mich herum herrschte.
Ich habe anscheinend einen nicht recht würdevollen Abgang gemacht, wenn sich alle solche Sorgen um mich gemacht haben.
Die Sorgen waren auch berechtigt. Ich liege jetzt nämlich mit einer Gehirnerschütterung und einer geprellten Schulter im Krankenhaus.
Vor wenigen Minuten war ich in diesem weißen, ekelhaft sterilen Raum aufgewacht, links von mir stand eine Krankenschwester, vor mir ein Arzt. Beide starrten mich an, als sei ich ein auferstandener Einstein. Oder sollte ich besser sagen ein Zweistein? Beinahe fing ich bei meinen Gedanken an zu kichern. Mein Humor war manchmal echt fragwürdig.Als ich wieder aufblickte, sah ich den Arzt dämlich grinsen. Was hatte der denn für ein Problem? Sah man mir so sehr an, was ich dachte? Oder lachte er mich gerade aus, weil er meine Krankenakte gelesen hatte und jetzt wusste, warum ich hier lag? Wahrscheinlich stand da wortwörtlich, dass ich zu doof war meine eigens ausgeheckten Streiche zu umgehen. War ich ja auch.
Mit zusammengekniffenen Augen versuchte ich an seinem Gesichtsausdruck zu erkennen, welche meiner Theorien wohl zutraf, aber Doktor May - den Namen konnte ich an dem kleinen Schild an seiner Brust erkennen - wandte sich von mir ab und begann der Krankenschwester Anweisungen zu geben:
"Ich denke, wir können sie schon bald entlassen. Kannst du der Mutter oder dem Vater Bescheid begeben, dass sie sich daheim weiter ausruhen soll? Mindestens die nächste Woche sollte sie noch im Bett bleiben und sich ausruhen. Auch wegen der Schulter solltest du noch aufpassen.", den letzten Satz sagte er wieder zu mir und als ich langsam nickte, lächelte er zufrieden.Während die Schwester jetzt aus dem Raum trat, blieb der Arzt weiterhin vor mir stehen. Wieder sah er mich so eigenartig an, wie als ich aufgewacht war. Mit dem gleichen Glitzern in den Augen, das kleine Kinder bekommen, wenn sie an Weihnachten oder ihrem Geburtstag die Geschenke auspackten.
Ich hatte absolut keine Ahnung warum er mich so ansah und irgendwie machte es mir Angst. Bei Kindern finde ich das Glitzern ja noch süß, aber bei ihm sah es einfach nur komplett irre aus.
Ganz langsam ließ ich meine Hand über die Bettdecke wandern. Irgendwo musste doch dieses Kästchen mit dem Knopf liegen, der einer Schwester Bescheid sagte, dass ich Hilfe brauchte.Mein Herz begann laut zu pochen, als er seine großen Hände um das Gestell meines Bettes schloss. Ich hatte absolut keine Ahnung, warum ich solche Angst hatte.
"Es ist doch nur ein Arzt!", versuchte ich mich zu beruhigen."Du bist etwas besonderes. Deine Fähigkeit ist... bemerkenswert."
Beim Klang seiner Stimme zuckte ich zusammen. Ein Schauer rieselte mir über den Rücken. Etwas besonderes? Fähigkeit? Ja ne, ist klar. Was kommt denn als nächstes? Eine Erklärung, dass ich in Wirklichkeit ein Alien bin? Ich war zu meinem Ärger absolut und vollkommen normal. Keine Fähigkeit. Außer vielleicht die Fähigkeit, sich gerne in blöde Situationen zu katapultieren und das zählte eigentlich auch nicht. Ich legte es ja gerade drauf an in Schwierigkeiten zu kommen. Vielleicht sollte ich auf unschuldig machen, damit er mich endlich in Ruhe ließ.
"Wie bitte?", Wow. Ich bin so einfallsreich. Das schien er anscheinend auch so zu sehen, denn er starrte mich weiterhin einfach nur an.
"Du hast mich schon verstanden, Elena."Schön. Ja ich hatte ihn verstanden. Aber das hieß nicht, dass ich den Sinn dahinter verstand.
"Du solltest besser aufpassen."
Genau in diesem Moment bekam ich den Alarmkasten in die Finger. Energisch presste ich meinen Faust darauf, mehrmals.Als mein Blick wieder zu Doktor May wanderte, sah er mich kalt an und drehte sich um. Kurz bevor er durch die Tür verschwand, drehte er sich noch einmal mit wehendem Arztkittel um und betrachtete mich mit seinem kalten, stechenden Blick.
"Das ist noch nicht zu Ende!"
Und dann war er verschwunden.Klappernd fiel die Tür hinter im zu.
Mit offenem Mund sah ich weiterhin auf die Stelle, an der er verschwunden war, bis ich abrupt aus meiner Starre gerissen wurde.
Eine kleine, etwas pummelige Krankenschwester kam ins Zimmer geeilt und strahlte mich an.
"Ahh! Du bist endlich wach geworden! Wie schön! Deine Eltern warten schon draußen auf dich."
Verwirrt sah ich sie an.
"Sie wussten nicht, dass ich schon wach war? Hat Ihnen Doktor May denn nicht Bescheid gesagt? Oder die andere Schwester?"
Die Frau vor mir lachte auf.
"Oh, köstlich! Kindchen, sicher bist du nur noch ein wenig verwirrt und hast das geträumt. Wir haben gar keinen Doktor May auf der Station!", immer noch kichernd steckte sie den Kopf aus der Tür und sagte etwas zu einer Person draußen.Ich saß weiterhin perplex auf meinem Bett und sah blinzelnd ihren Rücken an. Eingebildet? Aber... aber... er stand doch genau vor mir! Ich hätte doch wohl gemerkt, wenn er nicht echt gewesen wäre und das war er ganz eindeutig gewesen. Aus Fleisch und Blut! Kein dämlicher Hirngespinst!
Am liebsten hätte ich sie jetzt belehrt, dass es doch einen Doktor May gab, aber in diesem Moment traten meine Eltern in das kleine Zimmer. Meine Mutter sah ein wenig aufgelöst aus, während mein Vater ziemlich verärgert aussah. Ich wette, Mum machte sich einfach zu sehr Sorgen und Dad war sauer wegen dem überschwämmten Schulkorridor. Ein leises Seufzen schlich sich über meine Lippen. Na wenn das mal keinen Ärger geben würde.