Kapitel 4

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Harry P.o.V.

„Zum Oranjee, Daniel.", sagte ich zu dem Blonden, registrierte sein gehorsames Nicken und sah aus dem Fenster. Meine Gedanken schweiften in die Vergangenheit ab, als ich die vereinzelten Bäume bemerkte, die wie kleine Sprösslinge in der großen Stadt platziert waren und lose, fehl am Platz wirkten.

„Mommy, schau mal, da! Der Baum ist rieeesig!"

Mommy dreht sich zu mir um.

Sie lächelt.

Ihr Lächeln ist schön.

Sie lächelt nicht oft so schön.

Sie kommt zu mir und hebt mich hoch.

Jetzt kann ich eine Hand an die Stelle des Baumes legen, von der zwei Äste abzweigen.

„Das ist ein sehr alter Baum.", sagt Mommy, und lächelt wieder.

Bewundernd streichle ich den Baum.

„Mommy, kann er reden?"

Sie schüttelt den Kopf.

Ich sehe den Baum traurig an.

„Du kannst ihn nicht hören, aber reden können alle Dinge."

Ich sehe sie verwirrt an und will noch etwas sagen.

Aber bevor ich fragen kann, trägt sie mich wieder von dem Baum weg.

Nach einem letzten traurigen Blick verschwindet er aus meinem Sichtfeld.

Fest biss ich die Zähne aufeinander, verdrängte die Erinnerung, drängte sie weit nach hinten in mein Bewusstsein, baute eine Eisentür davor, verschloss diese mit zehntausend Riegeln und baute sicherheitshalber noch eine Tür davor. Diese Erinnerungen sollten nie wieder vorkommen, und ich hasse es, wenn sie es doch nach außen schaffen. Mein Blick schweifte noch ein paar Minuten durch die Gegend, wanderte ziellos herum, nur der Langeweile wegen. „Wir sind da, Mister.", riss mich Daniel's Stimme aus meiner Trance, mein Kopf ruckte in seine Richtung. „Danke. Ich melde mich, wenn ich Sie brauche." Er nickte, stieg aus und hielt mir die Tür auf; mit einem aufgesetzten Lächeln stieg ich aus und betrachtete das Gebäude, in dem ich schon so viel erlebt hatte. Immer noch saß mir der Schock der vorigen Erinnerung in den Knochen, doch langsam bröckelte er. Gut. Perfect. „Auf Wiedersehen, Mr. Styles." Ich nickte ihm noch zu, bevor ich einen Fuß in das Restaurant setzte und mich suchend umsah. Das Bild dieses Louis Tomlinson erschien vor meinem inneren Auge, und ich projizierte es noch immer auf eine imaginäre Schicht, als ich ihn sah. Er hatte den Blick gesenkt und tippte auf seinem Handy herum. Ich hob eine Augenbraue, setzte ein Grinsen auf und ging mit lockerem Schritt auf ihn zu. „Mr. Tomlinson?" Meine Stimme klang tief und rau, und innerlich lobte ich mich für diesen Ton. Man schafft es nicht immer, die Stimme absichtlich so klingen zu lassen, wie man es gerne möchte. Sein Kopf schnellte hoch, ich sah praktisch nur einen braunen Schweif, verwischt, als würde man mit hundert Kilometern pro Stunde durch einen Wald fahren und aus dem Fenster sehen. Ich lächelte ihn charmant an und streckte meine Hand aus, die er grinsend ergriff, nachdem er sich ebenfalls erhoben hatte. „Mr. Styles." Ich nickte. Wir setzten uns. Sahen uns in die Augen. Irgendwoher kannte ich dieses strahlende Blau, konnte es aber nicht einordnen. Sein unnachgiebiger Blick durchbohrte mich, prallte jedoch an einer bestimmten Grenze ab. Niemand durchschaut mich. „Und, können Sie sich jetzt an unsere kleine Bekanntschaft erinnern, Mr. Styles?" Er grinste. Ich hob eine Augenbraue, kniff die Augen ein wenig zusammen und betrachtete ihn. Er war nicht wirklich spießig gekleidet, hatte nur eine ausgeblichene Jeans und ein weißes Shirt an. Und trotzdem stand es ihm. „Nein." Langsam schüttelte ich den Kopf und strich mir mit dem Daumen über die Unterlippe. Seine Augen bewegten sich nach unten, fixierten meine Unterlippe, sein Mund öffnete sich leicht. Ich musste nicht überlegen, ob ich Einfluss auf ihn hatte, man sah es in seinen Augen. In seiner ganzen Gestik. Als ich die Bewegung wiederholte, schluckte er einmal und richtete den Blick widerstrebend auf mein Gesicht. „O-Okay." Ich grinste. Es war amüsant zu sehen, welche Wirkung ich auf Leute hatte, egal ob Frau oder Mann. „Wie wäre es mit Essen?", fragte ich mit gesenkter Stimme, beugte mich ein wenig vor und stützte die Arme auf dem Tisch ab. Er nickte nur und biss sich auf der Unterlippe herum. Shit, that's hot. Ich spannte mich an, biss fest die Zähne zusammen und funkelte ihn ein wenig an. Die Stimmung zwischen uns schien elektrisiert, angespannt, als würden unsichtbare Blitze zwischen uns hin und her zucken und uns unter Strom setzen. Ich räusperte mich. „Also, wie stellen Sie es sich vor, mir unsere kleine Bekanntschaft zu erläutern?" Louis schluckte und sah mir direkt in die Augen. Ein kleiner Blitz traf mich. „Wäre es nicht vorteilhaft, wenn wir uns duzen würden?" „Nein. Ich bin aus geschäftlichen Gründen an das Sie gewöhnt, aber ich denke nicht, dass das ein Problem für Sie sein wird. Oder etwa doch?" Mit hochgezogener Augenbraue starrte ich ihn an, ein leichtes Grinsen umspielte meine Lippen. Fast wie in Trance schüttelte er den Kopf, rieb sich über den Oberarm und lehnte sich zurück. „Nein, natürlich nicht. Es war ein Montag, und Sie wollten eine stressfreie Pause, weshalb Sie einen kleinen Spaziergang in den Park gemacht haben und sich auf einer Bank niederließen. Können Sie sich erinnern?" Ein Bild zuckte in mein Bewusstsein, doch es war trüb und hell, weswegen ich keinen Zusammenhang erkennen konnte; also verneinte ich dies. Ohne jegliche Enttäuschung fuhr er fort. „Zufälligerweise war ich auf dem gleichen Weg, habe Sie auf der Bank gesehen und mich neben Sie gesetzt. Sie haben das kleine Erbeben der Bank gespürt, als mein Gewicht das Holz in die Metallfassung gedrückt hat. Anschließend haben wir uns ein wenig unterhalten, und Sie sind mit den Worten: „So, du musst jetzt leider auf meine amüsante Gesellschaft verzichten, meine Mittagspause ist vorbei." wieder Ihres Weges gegangen. Das war ehrlich gesagt ziemlich frech, wenn ich das so sagen darf." Mir entwich ein leises Lachen. „Tut mir leid, falls ich Sie in Ihrem tiefsten Inneren verletzt habe. Aber ich denke, Sie konnten das verkraften. Wenn dem nicht so ist, lade ich Sie gerne auf einen Kaffe ein." Ein Schmunzeln überzog das Gesicht des Brünetten, als er sich unbewusst auf die Lippe biss und diese dann zwischen seine Zähne zog. Damn. Das würde noch spaßig werden.


Alpha || Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt