epilog.

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Honey,

bitte lach nicht. Ich hätte auch nie gedacht, dass ich einen Brief schreibe. Noch dazu mit deinem komischen glitzernden Kugelschreiber, der hier ständig rumliegt. Aber meine Therapeutin hat gesagt, ich soll dir einen Brief schreiben. Einen, in dem alles steht, dass ich dir noch nicht gesagt habe. Sie sagt, ich soll schreiben ohne Nachzudenken.

Ja. Ich gehe zu einer Therapeutin, Hannah. Ich brauche Hilfe, denn das letzte Jahr war verdammt schlimm für mich. Ich hatte so eine scheiß Angst. Um dich. Um mich. Um uns. Ich bin so verdammt wütend auf alles, das dir passiert ist.

Ich werde den Tag, an dem ich dich zum ersten Mal gesehen habe, nie vergessen. Du warst bei meinen Eltern. Mit Tobi. Du hattest diese unbeschreibliche Ausstrahlung und ich wusste, du bist besonders.

Auf dem Festival hat er dich dann alleine gelassen. Er hat sich im Zelt mit einer anderen beschäftigt, aber das weißt du ja inzwischen. Er hat dich alleine gelassen und in die Arme dieser Wichser getrieben. Ich habe gespürt, dass du in der Nähe bist, Hannah. Wir haben irgendeine verdammte Verbindung. Ich wusste, dass du da bist.

Ich habe auf diesen Wichser eingeschlagen. Immer und immer wieder. Das war übertrieben, das weiß ich jetzt. Aber irgendwie bin ich froh darüber. Hätte ich das nicht gemacht, hätte ich keine Sozialstunden machen müssen. Und naja, den Rest kennst du ja. Fuck, ich komme vom Thema ab. Ich wollte dir eigentlich etwas anderes schreiben.

Ich werde den Tag, an dem ich Tobi verprügelt habe nie vergessen. Ich habe ihn verprügelt, verdammt. Hörst du? Ich habe meinen eigenen Bruder verprügelt. Für dich. Ich werde deinen Blick nie vergessen. Das war der Moment in dem auch du es verstanden hast. Danach hast du euer Foto verbrannt. Ich wusste, du hast es verstanden. Ich wusste, du fühlst für mich genauso wie ich für dich. Ich dachte, wir schaffen das. Ich dachte, wir besiegen deine verdammte Krankheit. Zusammen.

Hannah, ich bin so verdammt sauer auf dich. Weil du nicht siehst, wie schön du bist. Weil du verdammt noch mal immer an dir zweifelst. Weißt du, wie glücklich ich war, als du gesagt hast, du würdest eine Therapie machen? Du warst wie ausgewechselt.

Ich sehe dich auf der Couch sitzen, wie du dir den Bauch hältst weil du so lachen musst. Ich sehe dich, wie du mit Sven tuschelst, weil du irgendeine Überraschung für mich planst, obwohl ich eure blöden Überraschungen hasse. Ich sehe dich, wie du mich ansiehst. Ich sehe deine leuchtenden Augen, dein Strahlen.

Doch verdammt Hannah, ich sehe dich neben unserer Couch. Auf dem Boden. Blass. Ich sehe, wie der Notarzt kommt. Wie fremde Leute in unserem Zuhause sind. Ich sehe die vielen Menschen um dich herum. Wie sie dich mitgenommen haben. Dich und deinen Duft. Ich sehe deinen dünnen Körper. Diese verfickten Bilder verfolgen mich Tag und Nacht. Oft wache ich davon auf. Doch meistens schlafe ich erst gar nicht ein. Ich vermisse dich so sehr.

Deine Mama hat angerufen. Sie fragt wie es mir geht. Was soll ich ihr sagen? Dass ich nicht weiß, ob ich alles richtig gemacht habe? Dass ich nicht weiß, warum du diesen Rückfall hattest? Ist das normal? Bin ich schuld daran? Hätte ich merken müssen, dass du wieder weniger isst? Hätte ich dich zu etwas zwingen sollen? Ich weiß es verdammt noch mal nicht.

Valerie und Dennis fragen nach dir. Sie kommen heute noch vorbei. Valerie bringt mir etwas zu Essen. Sie hat gesagt, sie hat zu viel gekocht. Das passiert ihr oft in letzter Zeit, wenn du mich fragst. Sie vermissen dich auch. So viele Menschen vermissen dich. Meine Mama redet ständig von dir.

Sven und Oleg fragen nach dir. Aber das soll ich dir nicht sagen. Sven hat dir die Bonbons gekauft, die du so gerne isst und fragt, ob ich sie dir schicke. Wie gerne habe ich dich geküsst, wenn du diese Bonbons gegessen hast. Aber weißt du was? Ich habe die blöden Bonbons aufgegessen. So hatte ich das Gefühl, dass du hier bist. Ich kaufe dir neue. Versprochen.

Hannah, ich sollte schreiben ohne Nachzudenken... sorry wegen der Schimpfwörter. Ich habe keine Kraft, diesen Brief neu zu schreiben. Aber du weißt, wie ich bin. Ich weiß, dass du bei jedem Fluchen die Augenbraue hebst. Ich vermisse es. Verdammt, ich vermisse dich.

Und weißt du, was das Schlimmste ist? Jetzt ist es Frühling. Und immer wenn ich ein Gänseblümchen sehe, muss ich an dich denken. Aber du bist nicht hier. Gänseblümchen erinnern mich an dein Lachen. An dein Strahlen. An den ersten Tag unserer Beziehung.

Ich denke an dein Strahlen an Weihnachten, als du das Armband mit dem Gänseblümchenanhänger ausgepackt hast. Ich habe dir noch einen Anhänger gekauft und lege ihn in diesen Umschlag. Jetzt hast du schon zwei Gänseblümchen. Eins für dich. Eins für mich. Beide sollen dich zum Lachen bringen.

Hannah, ich warte auf den Tag, an dem du wieder gesund nach Hause kommst. Ich verspreche dir, für jeden Monat, den du gesund bist schenke ich dir noch einen Anhänger.

Und VERDAMMT Hannah, wenn das Armband voll ist, dann heirate ich dich.

-R.


hold me tight.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt