Kapitel 3 ~Ist dir sehr kalt?

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Ich kniete mich neben Ash und blickte ihm in die Augen. "Danke", sagte er schlicht und stand mit einem leisen Stönen auf. "Wir müssen dich hier wegbringen. Wenn wir weiter hierbleiben kommt vielleicht noch so ein Nachtwolf und dann sind wir erledigt." "Nachtwolf ?", fragte ich erschrocken. "Ja. Und jetzt komm", meinte er schroff. "Wohin wollen wir überhaupt?" "Das siehst du wenn wir da sind." Und mit diesen Worten verschwand er in der Dunkelheit. Ich folgte ihm so schnell ich konnte, da ich keine Lust hatte einem weiteren von diesen Kreaturen -Nachtwölfen- zu begegnen.

Wir liefen immer tiefer in den Wald, und ich fragte mich, wohin wir auf den Weg waren. Jedes mal wenn die Äste neben uns raschelten zuckte ich zusammen, und auch Ash beschleunigte sein Tempo zunehmend. Mir wurde immer kälter und schon bald spürte ich meine Hände und Arme nicht mehr. Ich stolperte, da ich bei der dDnkelheit den Zweig auf dem Boden nicht gesehen hatte, und viel vornüber. Ash drehte sich blitzschnell um und fing mich auf, bevor ich auf dem Boden aufschlug. Er stellte mich wieder auf die Füße und sah mich an. Er überlegte, das konnte ich an seinem Gesichtsausdruck erkennen. Dann zog Ash sich langsam seine Jacke aus und reichte sie mir. Darunter trug er ein Hemd in grün und braun. "Danke", flüsterte ich, da ich zu müde war um mehr zu sagen. Die Ereignisse hatten mich mitgenommen und die Aufregung die mich noch vor ein paar Stunden so aufgewühlt hatte war purer Müdigkeit gewichen. Ash war schon weitergegangen und ich lief, so gut es eben ging, hinterher. Erst jetzt bemerkte ich, dass er humpelte. Das musste vorhin passiert sein. Ashs Wunden hatten schon kurz nach dem Kampf aufgehört zu bluten, aber vor allem die an Brust und Armen mussten höllisch brennen. Er brauchte dringend einen Verband und die Wunden mussten gereinigt werden. Doch Ash schien es kaum wahrzunehmen. Er lief einfach weiter und wurde dabei immer schneller, und bald hatte ich Angst ihn in der Dunkelheit zu verlieren.
Die Kälte kroch trotz der Jacke immer tiefer in meine Knochen und betäubte meine Glieder. Irgendwann merkte ich wie wir langsamer wurden. Ich sah mich genauer um und bemerkte, dass die Landschaft sich verändert hatte. In der Schwärze erkannte ich nun statt Bäumen Wiesen und Felder und rechts von uns lag ein großer See, der in der Finsternis schwarz und verlassen dalag. Mir viel auf, dass kein Mond und keine Sterne am Himmel leuchteten.

Ash bog zur Seite und ging jetzt genau auf den See zu. Wortlos lies er sich ans Ufer fallen und atmete die frische Nachtluft ein. Es sah so friedlich aus wie er neben dem Meer in der Dunkelheit saß und in den Himmel schaute. Ich hätte gelächelt wenn ich nicht zu müde und erfroren gewesen wäre. Nun sah Ash mir in die Augen. "Ist dir sehr kalt?", fragte er besorgt. Als ich nickte rückte er ein wenig näher an mich herran. Augenblicklich spürte ich die Wärme die von ihm ausging. "Ich hatte den weg kürzer in Erinnerung. Vielleicht sollten wir bis morgen hierbleiben." Bei dem Gedanken noch ein paar Stunden länger in der eisigen Kälte zu bleiben, stiegen mir Tränen in die Augen. Es war zwar erst September, aber Nachts sanken die Temperaturen schon jetzt auf unter Null. Normalerweise war ich keine Frostbeule doch in dieser Nacht war alles anders. Sie schien besonders kalt und besonders rau zu sein, und die Müdigkeit trug auch ihren teil dazu bei, dass ich nun wie gelähmt am Ufer des Sees saß. "Wo wollen wir überhaupt hin?", fiel es mir jetzt erst ein. "Ich bringe dich in unsere Welt. Du hast doch sicher diese zwei Bäume im Wald vor eurem Haus gesehen, oder?" Als ich nickte fuhr er fort. "Sie bilden eines der Tore in unsere Welt, aber die Hüter mussten es zerstören, da sich seine Anziehungskraft auf Menschen auswirkt." Das hatte ich also andauernd gespürt. Es war wirklich ein Tor in eine andere Welt. "Ruh dich jetzt aus. Wir werden so früh wie möglich weitergehen, da ich dir morgen noch jemanden vorstellen will, der uns das letzte Stück begleiten wird." Ash rückte noch näher an mich herran und die Kälte um mich herum verschwand. Bevor ich noch etwas hätte sagen können, übermannte mich die Müdigkeit. Ich sah noch ein letztes Mal in Ashs eisblaue Augen, und fiel in einen tiefen aber viel zu kurzen Schlaf.

Nicht nur Engel können fliegenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt