Kapitel 3: Tim

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Ich bin total froh, wenn diese Tour vorbei ist. Mir fehlt einfach die Zeit zu zweit mit Lukas. Außer unserem Statement auf der Bühne kann ich ihm, so lange wir auf Tour sind, irgendwie nicht viel mehr geben. Mir macht das einfach zu schaffen. Ständig habe ich Angst, dass jemand hinter unser Geheimnis kommt. Dann können wir Trailerpark als Band ein für alle mal vergessen. In diesem Projekt steckt so viel Herzblut, dass ich gar nicht daran denken will, was passieren würde, wenn unsere Beziehung öffentlich wird. Trotzdem muss ich versuchen Lukas mehr Aufmerksamkeit zu schenken, sonst verliere ich ihn nachher noch.

Gedankenverloren hielt ich den Schlüssel zu dem Zimmer in der Hand und ging langsam die Treppe nach oben. Unsere Zimmerverteilung ist immer dieselbe: Ich teile mir das Zimmer mit Lukas, Basti mit Sudden und Massimo, Vortex und Brücke teilen sich nach Lust und Laune auf – insofern letztere Beiden dabei sind.

Hinter mir hörte ich immer lauter werdende Schritte. Ich blieb stehen und erblickte Lukas hinter mir, der, mit seinem Gepäck in der Hand die Treppe hinauf eilte. Völlig aus der Puste blieb er stehen.

»Ey, nicht so schnell!«, schnaufte er, ließ seine Tasche fallen und stützt seine Hände auf den Knien ab.

Ich zuckte mit den Schultern und ging weiter. Lukas blieb hinter mir stehen, als ich die Zimmertür aufschloss. Das Zimmer war, ebenso wie das Hotel, nichts besonderes. Wenn man reinkam, war links direkt eine Tür zum weiß gefliesten Bad, in der Mitte des Zimmers befand sich ein ebenfalls weißes, schlichtes Doppelbett dem Gegenüber ein Flachbildfernseher hing. Mir war die Einrichtung ziemlich egal, wir verbrachten nie viel Zeit im Hotel.

Lukas setzte sich auf das Bett und starrte verträumt in die Luft, während er seine Hände faltete – wie ein kleiner Junge. Diese unschuldige Art liebte ich am meisten an ihm. Ich stellte meine Tasche ab, setzte mich neben ihn und lehnte meinen Kopf an seine Schulter.

»Offensichtlich hören die Drogen auf zu wirken« Ich sah aus dem Augenwinkel, wie er zufrieden lächelte.

»Ja.. vermutlich tun sie das grade, ich werde nämlich total müde« Ich lächelte ebenfalls, total glücklich über die 10 Minuten, die wir grade für uns hatten.

Ich schloss für einen Moment die Augen, lächelte in mich hinein und war einfach nur froh, dass Lukas neben mir saß. Instinktiv ergriff ich seine Hand und drückte sie.

»Hey! Nicht einschlafen. Wir müssen gleich wieder los« Ich öffnete schlagartig meine Augen und nahm meinen Kopf von Lukas Schulter.

Er legte seinen Arm um meinen Nacken und ich bemerkte wie er mich sanft zu sich zog. In diesem Moment hätte die Zeit meinetwegen still stehen können. Wir schauten uns in die Augen und eine angenehme Gänsehaut breitete sich auf meinem ganzen Körper aus. Sein Gesicht kam immer näher und ich fing urplötzlich an zu lächeln. Das war der Moment in dem Lukas seine Lippen auf meine presste und sich in mir eine unbeschreibliche Wärme ausbreitete. Seine Lippen waren so unfassbar weich. Um so leidenschaftlicher er mich küsste, um so unbehaglicher fühlte ich mich jedoch. Meine paranoide Vorstellung, jemand könnte einfach in dieses Zimmer platzen, machte mich schlichtweg wahnsinnig. Ich drückte Lukas sanft zur Seite und stand auf. Lächelnd hielt ich ihm meine Hand entgegen:

»Wir müssen so langsam los«, sagte ich.

Für einen kurzen Augenblick schaute er mich fragend an, ergriff daraufhin jedoch meine Hand und stand auf. Bevor wir aus dem Zimmer traten, zog ich ihn zu mir und umarmte ihn ein letztes Mal für die nächsten paar Stunden.

Lukas ist mit Abstand einer der fantastischsten Menschen auf diesem Planeten. Auch wenn wir vom Lebensstil her komplett unterschiedliche Charaktere sind, weiß ich doch ganz genau das ich mich auf ihn verlassen und ich selbst sein kann. Als wir beschlossen, ein Paar zu sein hatte ich große Angst, dass Basti damit nicht einverstanden sein könnte und er daraufhin unser Projekt „Trailerpark" auf Eis legen würde. Aber alle aus unserer Crew haben das ziemlich gut aufgefasst. Zunächst wussten wir nicht, wie wir uns weiter verhalten sollten. Außenstehende sollten davon ja nichts mitbekommen. Es gab schon immer Gerüchte darüber, dass Lukas und ich irgendetwas heimliches am Laufen haben. Natürlich war in der Hinsicht voll und ganz auf Basti verlass, denn der ersticke jedes Feuer aus der Gerüchteküche im Keim.

Ich löste mich aus der Umarmung, als es just in dem Moment gegen die Tür klopfte – nein, eher hämmerte. Vor einigen Minuten hatte ich schon Trubel vor unserem Zimmer gehört. Die Stimmen die von draußen in das Zimmer drangen, klangen ganz danach als seien Vortex und die anderen auch endlich eingetroffen. Flüchtig drückte ich Lukas noch einen Kuss auf den Mund und öffnete dann die Tür.

»Tim, Bock gleich einen zu buffen? Ich fang schon mal an zu bauen!« Vortex klopfte mir auf die Schulter und ging weiter in das Zimmer um Grinder, Tipps, Paper und Gras auf einem der Nachttische auszubreiten.

Ihm folgten Sudden und Brücke. Beide machten sich schon an einer Flasche Wodka zu schaffen. Basti trat kurz danach ins Zimmer.

»Seid ihr startklar? Massimo wartet unten im Wagen!«, rief er durchs Zimmer.

»Moment noch! Geht schon mal vor!«, nuschelte Vortex mit einem Tipp in seinem Mund.

Während die anderen schon loszogen, wartete ich auf Vortex. Wenn er einen Joint dreht, dann aber auch in aller Ruhe und mit Geduld. So lange man es nicht eilig hat, ist das auch vollkommen akzeptabel. Wir hatten es jedoch ziemlich eilig, immerhin wartete auf uns noch der Soundcheck.

Als Vortex fertig war, schnappte ich ihn mir und zog ihn die Treppe runter. Ich wusste, wie ungemütlich Massimo werden konnte, wenn wir zu spät kamen. Vor allem jetzt wo er offensichtlich den Veranstalter ans Telefon gekriegt hatte.

»Leute, die anderen sind schon los und wir sollten zusehen das wir auch endlich in die Hufe kommen. Soundcheck ist in 5 Minuten!«, rief uns Brücke aus dem Auto entgegen.

Vortex nahm hinter uns platz und zündete seinen fein säuberlich gedrehten Joint an. Nach einem kräftigen Zug wurde das Auto von diesem herrlich süßlichen Duft erfüllt. Ich atmete tief ein und hielt die Hand nach hinten, um Vortex zu signalisieren, mir die Tüte zu reichen. Als wir wieder an der Live Music Hall ankamen und ausstiegen, folgte uns eine Wolke weißen Rauchs aus dem Auto. Ich hörte, dass die anderen bereits mit dem Soundcheck beschäftigt waren. Wirklich eilig hatte ich es trotzdem nicht.

»Hey Tim, na alles klar bei dir?«, hörte ich aus der Ferne, als ich meinen Joint ausmachte.

Ich drehte mich um und erblickte Bjet.

»Jo Diggah! Na klar! Du bist aber früh dran« Ich ging auf ihn zu und gab ihm die Hand.

»Ich kam auf der Autobahn ganz gut durch, keinen Stau gehabt. Ihr seid schon beim Soundcheck?« Er lächelte etwas verhalten und ging an mir vorbei, um die anderen Bandmitglieder zu begrüßen.

50 Fists of BastiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt