Kapitel 9: Tim

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Verdammt! Was war das denn für eine scheiß Ausrede? »Ich hatte eine Songidee im Kopf, von der ich Lukas in Ruhe erzählen wollte« war die dümmste Antwort, die ich hätte geben können. Doch mir fiel auf die Schnelle einfach nichts Besseres ein. Wie gut das Bjet nicht auf Lukas' wütenden Gesichtsausdruck geachtet hat, der hätte uns mit Sicherheit verraten. Warum hat er sich denn keine Ausrede überlegt? Als Alligatoah ist er doch sonst auch immer so wortgewandt. Egal. Auch wenn Sudden und Basti von der Beziehung zwischen mir und Lukas wissen, weiss es sonst nun mal niemand. Das soll auch verdammt nochmal erstmal so bleiben. Nicht das ich mich für Lukas schäme - ganz im Gegenteil, er ist der beste Mann, den ich mir an meine Seite wünschen könnte. Trotzdem habe ich einfach Angst vor der Reaktion meiner Freunde. Ich bin auch noch etwas unsicher gegenüber unseren beiden Bandkollegen, obwohl die die Sache wirklich locker aufgenommen haben. Aber sowas ändert sich von heute auf gleich nicht einfach. Das muss er endlich mal akzeptieren.

Bjet war grade mal 10 Minuten auf der Autobahn und ich nestelte schon an meiner Tüte Weed herum. Mir gingen so viele Dinge durch den Kopf, ich brauchte erstmal wieder einen klaren Verstand.

»Komm, jetzt bau dir einen bevor du vor lauter Entzugserscheinungen die ganze Tüte kaputt knibbelst und alles im Auto landet« sagte Bjet, schaute kurz zur Seite und grinste.

»Ich weiss nicht, mir ist eher nach einer Line, aber Basti hat den kompletten Schnee bei sich« seufzte ich und zupfte weiter an der Tüte herum. Ich rechnete nicht mit einer Antwort. Mit Bjet über Drogen zu sprechen war für mich immer etwas unangenehm. Immerhin hat er in seinem ganzen Leben weder geraucht noch Alkohol getrunken, kutschiert mich Junkie aber ständig von A nach B. Wenn man so drüber nachdenkt, gehört er wirklich zu meinen besten und engsten Freunden. Warum sollte ich ihm also nicht von Lukas und mit erzählen? Warum macht sich in mir ständig solch eine Panik breit? In meinen Gedanken tauchten keinerlei Gegenargumente auf Bjet die Wahrheit zu sagen und ich fühlte mich schrecklich dabei ihn zu belügen.

»Hör mal Bjet, ich hab dich eben angelogen..«, brachte ich leise hervor, als wäre es rein nebensächlich. Ich verstummte jedoch urplötzlich wieder, da mein Lispeln etwas zu sehr herausstach.

»Wieso? Hast du etwa doch keine Lust auf Kokain?«, fragte er in unschuldigem Ton und fing erneut an zu grinsen.

»Was? Nein, darum geht es gar nicht. Vorhin, als wir mit Lukas vor dem Hotel standen ...« Schon wieder zog ich nervös an der Plastiktüte mit dem Gras herum und beschloss gleich erstmal einen zu bauen. Da gehen solche Sachen immer etwas leichter von den Lippen.

»Kannst du mir das gleich erzählen? Ich muss erst mal was essen« mit diesen Worten bog er in die Einfahrt der nächsten Raststätte und ehe ich mich versah, saßen wir an einem Tisch. Ich hatte mir eine Cola bestellt und Bjet schlang sich einen Burger nach dem anderen rein.

Als wir wieder im Auto saßen, holte ich die Tüte mit den dicken grünen Knollen hervor und steckte diese wiederum in den Grinder um das Weed zu zerkleinern.

»Du wolltest mir eben was sagen?«, hakte Bjet nach und rollte das Auto langsam über den Rastplatz wieder Richtung Autobahnauffahrt.

Ich antwortete nicht auf seine Frage und rollte das zerkleinerte Gras in einen Joint. Hoffentlich knallt das. Innerlich bat ich darum, so sehr drauf zu sein, dass ich ganz vergesse, Bjet davon zu erzählen. Oder anschließend nichts mehr davon weiß. Beides war für mich eine weitaus akzeptablere Möglichkeit als nüchtern über mich und Lukas zu reden.

In meiner Jackentasche suchte ich nach einem Feuerzeug. Plötzlich breitete sich auf meinen Lippen ein Lächeln aus: »Alter, Diggi! In meiner Jackentasche ist ne Pappe Acid!« Mein Beatproduzent schaute mich verständnislos an und schüttelte mit dem Kopf. Doch mir kamen vor Freude fast die Tränen.

Das Stück LSD legte ich auf meine Zunge und nuckelte daran wie ein Baby an der Brust seiner Mutter. Wie lange hatte ich keine Halluzinogene mehr genommen? Für mich war das eine gefühlte Ewigkeit. Alles nur Lukas zuliebe. Gedankenverloren nahm ich das Feuerzeug und zündete mir auch noch den gedrehten Joint an.

Als ich das letzte mal wirklich drauf war, war während unserer »Harter Schnaps, leichte Mädchen & Alligatoah«-Tour. Die Stimmung war in jeder Stadt total ausgelassen und die Fans feierten unser neues Bühnenprogramm. Auch wenn der Durchschnitt für meinen Geschmack ein kleines Bisschen zu Jung war, hatten Basti und Sudden damit natürlich kein Problem.

Ich weiss noch, ich im Backstagebereich auf einem Sofa, während Lukas zwischendurch sein Soloprogramm performte. Einer unserer Fans hatte mir am Morgen, als wir bei der Location ankamen, eine Tüte Magic Mushrooms in die Hand gedrückt. Ich lag also in dem kleinen Hinterzimmer des Backstage Werk, wo wir in München unseren Auftritt hatten, und schaute immer wieder diese Tüte an. Eigentlich wollte ich mir die Dinger erst nach der Show reinziehen, aber ich war kurz davor vor Verlangen zu platzen. Langsam kaute ich auf einem der getrockneten Pilze herum, schluckte ihn runter und aß den nächsten. Nachdem ich die Hälfte gegessen hatte, machten sich bereits einige Symptome bemerkbar. Meine Sehschärfe nahm ab und die Farben wurden immer intensiver und kontrastreicher. Scheiße, dachte ich nur. Wie soll das denn gleich auf der Bühne werden? In dem Moment verstummte Lukas mit seinem vorletzten Lied und ich wusste, es war für mich gleich an der Zeit, aufzutreten. Glücklicherweise gehörte zu meinem Outfit eine Sonnenbrille, die ich mir vom Tisch nahm und aufsetzte. Umso näher ich mich an der Bühne befand, umso mehr hatte ich das Gefühl, dass mir gleich die Ohren platzen. Hätte ich diese verfickten Pilze lieber später gegessen. Völlig benommen durch die ganzen Farben stapfte ich unbeholfen zu Lukas auf die Bühne und versuchte mich voll und ganz auf den Text zu konzentrieren. Ich hatte wirklich Glück, dass ich nur einen kleinen Teil zu »Trostpreis« beigtragen hatte und Lukas sogar meine Strophe durch das Mikrofon mit rappte. Somit hörte man vermutlich gar nicht, dass ich mich bei jedem zweiten Wort verhaspelte.

Nachdem ich bemerkte, dass mein Partner auch nicht mehr allzu nüchtern war und der fast 4 Minütige Song langsam dem Ende entgegenging, entspannte ich mich ein wenig.

Genau das war der Fehler. So ein Psilocybin-Trip ist alles andere als spaßig und entspannend. Plötzlich verwandelte sich Lukas in ein riesigen weibliches Krokodil, welches mir Avancen machte. Die Menge wurde zu einem Meer aus weichgezeichneten Meereskreaturen. Ich wusste gar nicht, wie mir geschieht, als mir dieser riesige Alligator plötzlich seine Lippen auf meine presst.

»Tim, was ist los? Du guckst, als hättest du grade schimmeligen Käse verdrückt« Bjet riss mich aus meinen Gedanken. Seine acht Tentakelarme wanderten auf mich zu und ich schrie, was das Zeug hielt. Dann fühlte sich meine Umgebung plötzlich butterweich an, als wäre ich in einem Meer von Watte gebettet. Wären da nicht diese acht Arme mit ihren Saugnäpfen gewesen, die immer weiter auf mich zukamen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 07, 2016 ⏰

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