~4~Nach dem Nebel

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„Auch das noch!" Lea rannte los, um Odilia aus dem Nebel zu ziehen, worauf sie selbst von ihm verschlungen wurde.

Erneut verformte sich der Nebel und bildete nun eine Drei.

„Scheiße, Scheiße, Scheiße! Wo sind sie hin? Was zum Teufel ist das für ein komisches Zeug?", Arianas Stimme zitterte. Sie schien kurz vor einem Nervenzusammenbruch zu stehen. Nach zwei tiefen Atemzügen, hatte sie sich jedoch wieder halbwegs gefasst. Entschlossen presste sie sich eine Hand an die Brust. „Wenn das wieder so ein blöder Scherz von euch ist, ziehe ich euch die Ohren lang! Ich gehe jetzt los und hole die drei da raus." Sie war fest entschlossen ihre Schützlinge nicht dem Nebel zu überlassen.

Viktoria war inzwischen kreidebleich angelaufen. Sie wollte um Hilfe rufen, doch sie traute sich nicht ihren Mund auch nur einen winzigen Spalt zu öffnen, aus Angst der Nebel könnte auf sie aufmerksam werden.

Ariana stand nun knapp vor dem Nebel, atmete kurz durch und trat durch die Nebelwand ins Innere des Kreises.

Auf einen kurzen Schrei, folgte ein unheimliches Kratzen, als würde eine Katze mit ausgefahrenen Krallen über eine Tafel gezogen. Der Nebel verformte sich zu einer grau-weißen Vier. Dann zeigte er sich wieder in seiner runden Form.

„Oh mein Gott, was ist das?", schrie Daria. Sie war fest entschlossen sich keinen weiteren Schritt auf den unheimlichen Nebel zu zubewegen. Das war so unwirklich, verdammt nochmal! „Geht zurück!"

Doch Ricarda ignorierte sie. Sie machte im Gegensatz zu Daria ein paar Schritte vorwärts.

„Was machst du da?", quiekte Daria.

Inzwischen hatte sich die graue vier wieder zurück zu dem üblichen Nebelkreis geformt.

„Na, die anderen suchen, was sonst?", gab Ricarda barsch zurück.

„Das wirst du nicht tun! Auf gar keinen Fall! Da sind jetzt vier von uns drin, ich möchte nicht, dass du auch noch verschwindest!"

„Aber wenn wir alle drei zusammen hinein gehen, haben wir vielleicht höhere Chancen die anderen herauszuholen", entgegnete Ricarda.

Doch Daria schüttelte entschieden den Kopf. Sie wollte es vor den anderen nicht zugeben, doch ihr jagte diese ganze Nebelsache eine Heidenangst ein. Sie fühlte sich, als wäre sie mitten in einen Horrorfilm hineingeraten. Verdammt, in solchen Filmen starben die Neugierigen immer zuerst!

Ricarda griff jedoch einfach nach Darias Hand und zog sie mit sich. „Meine Schwester ist da drin!"

Daria sträubte sich und versuchte sich mit allen möglichen Mitteln zu wehren, doch auf einmal griff auch noch Viktoria nach ihrer anderen Hand. „Meine Schwester auch!"

Daria musste sich geschlagen geben. Schließlich betraten sie zu dritt, Hand in Hand den Nebelkreis, der sie noch im selben Atemzug umschloss.

۩

Als ein paar Stunden später der Wecker klingelte, wurde Lea als Erste wach. Ihr Kopf dröhnte, als hätte er die ganze Nacht in einem Bassverstärker gesteckt. Was war nur passiert? Im ersten Moment wusste sie rein gar nichts mehr, nur dass sie sofort den Erste-Hilfe Kasten vor dem Speisesaal um einige Aspirin-Tabletten erleichtern musste. Mist, das Ding war ganz schön weit weg. Stöhnend drehte sie sich auf den Rücken und hielt sich ihre rechte Hand gegen die Stirn. Alle anderen schienen noch zu schlafen.

Die ersten Sonnenstrahlen blinzelten zaghaft durch die Fensterscheibe und tauchten das Zimmer in ein warmes Licht. Von dem gestrigen Nebel war nichts mehr zu sehen. Lea wäre es lieber gewesen, sie hätten gestern daran gedacht die Vorhänge, die ganz im Bauernhofstil in einem altrosa Farbton an den Fenstern hingen, komplett zuzuziehen, aber das konnte sie jetzt nicht mehr ändern. Über sich im Hochbett hörte sie Ricardas dumpfes Murmeln, was sich fast wie ein tiefes Knurren anhörte. Rechts neben Lea auf dem grauen Schlafsofa fiepte Odilia leise unter der Decke. Aus dem Nebenzimmer, in dem Katharina, Viktoria, Ariana und Daria schliefen, hörte sie ebenso leise, unruhige Geräusche. Einige Minuten schwieg Lea und betrachtete die Holzvertäfelung an der Decke. Was war gestern Nacht noch gleich passiert? Irgendeinen Zwischenfall hatte es gegeben, da war sie sich sicher ... oder war es nur ein Alptraum gewesen? Sie fuhr sich durch die kurzen, mitternachtsschwarzen Haare. Das Sonnenlicht wurde immer heller und beschien den Tisch neben der Kochecke, der unter Spielsachen und Büchern begraben war. Auch sonst herrschte bereits eine gewaltige Unordnung im Zimmer vor, obwohl sie die Ferienwohnung noch keine 24 Stunden bewohnten. Gähnend stieg sie letztendlich aus dem Hochbett und ging durch den Flur in das angrenzende Schlafzimmer. Dort bot sich ihr ein ähnlicher Anblick. Der runde Tisch in der Mitte versank unter Malstiften, Blöcken und Büchern.

Ariana lag quer im Bett auf der Seite und streckte alle Viere von sich. Schweißperlen bedeckten ihre Stirn. Auch sie schlief unruhig.

Über ihr lag Daria in ihrem Bett und kaute noch im Schlaf auf ihrem Kissen herum.

Im Hochbett am Fenster fand Lea Katharina auf dem Bauch schlafend vor. Sie hatte die Arme ausgebreitet, als würde sie fliegen.

Ihre Zwillingsschwester lag zusammengerollt im Bett unter ihr und schmatzte leise vor sich hin.

Lea beschloss alle noch ein paar Minuten schlafen zu lassen, denn es war noch genug Zeit bis zum Frühstück um acht Uhr. Als sie zurück in ihr Zimmer lief, schien ihr alles so friedvoll. Beinahe wäre Lea von einem aufgeregten Glücksgefühl übermannt worden. Sie hatten zwei Wochen Sommerferien auf dem Reiterhof vor sich und ihre Lieblingsbetreuerin Ariana würde ihnen wie immer sehr lustige Reitstunden geben und sich witzige Spiele ausdenken. Die schönste Zeit des Jahres. Ganz wie immer. Doch ihre dröhnenden Kopfschmerzen, zusätzlich zu diesem dunklen Nachgeschmack eines Alptraums, an den sie sich zwar nicht richtig erinnern konnte, doch instinktiv wusste, dass er sehr wohl da gewesen war, lagen ihr schwer im Magen. Sie musste mit jemandem darüber reden. Jetzt sofort. Zögerlich tippte Lea Ricarda auf die Schulter. Bitte wach auf!

Ricarda ließ ein warnendes Knurren vernehmen, worauf Lea erschrocken zurückfuhr.

Hatte sie sich das nur eingebildet oder hatte Ricarda gerade wie ein wütender Bär, den man beim Winterschlaf störte, geklungen? „Guten Morgen", versuchte es Lea erneut.

Ricarda rieb sich die Augen und sah sich verwirrt um. Erst nach ein paar Sekunden erinnerte sie sich, wo sie sich befand. Ihr Blick fiel auf ihre kleine Schwester, die immer noch schlief und sich inzwischen auf ein ohrenbetäubendes Schnarchen verlegt hatte. Ricarda atmete genervt aus, nahm das blaue Kissen mit dem Fische-Sternzeichen-Aufdruck und warf es nach Odilia.

Keine schlechte Methode, fand Lea. Wenigstens war Odilia jetzt wach. Bevor Lea ihren Mut zusammengefasst hatte, um Ricarda von 'was-auch-immer' zu erzählen, vernahm sie ein Kratzgeräusch am Fenster. Sie schaute auf und sah drei schwarze Katzen auf der Fensterbank sitzen.

Die Katzen starrten sie an.

Lea starrte zurück.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 04, 2015 ⏰

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