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Lotte

"Hi, ich bin Lotte, ich soll meine kleine Schwester Lena abholen, unser Vater hat hoffentlich Bescheid gesagt." Ich lächel die etwas ältere Erzieherin freundlich an. "Ja wir wissen Bescheid, kommen sie mit, Lena ist im Bastelraum" "Ach bitte, duzen sie mich doch, ich bin erst 17." Über ihre rechte Schulter hinweg lächelt sie mich an. Wir betreten einen großzügigen Raum, in dem an einem großen Tisch etwa 10 kleine Kinder sitzen. Lena blickt von ihrem kleinen Kunstwerk auf starrt mich an, springt vor Freude kreischend auf und rennt letztendlich auf mich zu. Ich gehe in die Knie und fange Lena auf, die sich in meine Arme wirft, unser mittlerweile gut geübtes Szenario, wenn wir uns wiedertreffen.

Das passiert leider viel zu selten, da mein Vater vor 6 Jahren mit seiner neuen Frau und ihrem gemeinsamen damals 1 jährigen Sohn Elias von Darmstadt nach Köln gezogen ist. 1 Jahr später ist dann auch meine kleine süße Halbschwester Lena auf die Welt gekommen. Natürlich sehe ich sie nicht besonders oft, da ich in der Schulzeit natürlich in Darmstadt bei meiner Mutter wohne, aber ich versuche an jedem zweiten Wochenende und möglichst oft in den Ferien nach Köln zu fahren.

"Komm Süße, zieh dir deine Sachen an. Draußen ist es kalt!" Die fünfjährige nickt grinsend und ich setze sie auf dem Boden ab, damit sie in Richtung Garderobe wegstürmen kann. Ich sehe ihr, glücklich sie endlich wiederzusehen hinterher. "Glaub mir, sie freut sich schon die ganze Woche dich wiederzusehen. Die ganze Zeit ist sie am schwärmen von dir." Unter meiner Cappuccino farbenen Haut merke ich, dass meine Wangen sich rot färben. "Naja, sie hat einen leichten Hang zur Übertreibung." Die Erzieherin und ich gehen gemeinsam zurück zur Garderobe. Dort wuchtet sich Lena gerade in ihre dicke Jacke und sieht auf einmal nicht mehr aus wie eine zierliche Fee, sondern das Michellin Männchen. Ich grinse:"Lena hast du es gleich? Wir müssen nochmal in die Stadt, weil ich was besorgen muss." "Echt?", Sie macht große Augen,"Gehen wir dann auch zum Bärentreff?" Sie liebt diesen Gummibärladen. "Also, wenn du schön brav bist, denke ich drüber nach." Ich zwinker ihr zu und sie grinst mich verschwörerisch an.

10 Minuten später steigen wir in der Innenstadt Kölns aus der S-Bahn. Ich habe diese Stadt echt vermisst. Mit Eva an der Hand gehe ich in Richtung Douglas, da ich mir einen neuen Concealer kaufen muss.

Wieder Etwas später, wir sind gerade auf dem Weg zum Bärentreff, höre ich von weitem Straßenmusik. Nachdem wir um die nächste Ecke biegen kann ich die kleine Gruppe, die direkt neben dem Eingang zum Bärentreff stehen sehen. Sie besteht aus 3 jungen Männern Anfang 20. Einer mit hellbraunen lockigen Haaren und einem verschmitzten Grinsen auf den Lippen spielt das Cajón. Der zweite hat dunkelbraune Haare und trägt einen Bart. Verwirrender Weise hat er grüne Augen, die ihm einen etwas ausdruckslosen Blick schenken. Er sieht trotzdem freundlich aus während er die Gitarre spielt. Der dritte im Bunde fasziniert mich. Er hat braune Haare, die allerdings nicht ganz so dunkel sind, wie die des vorigen. Am Kinn lassen sich ein paar Bartstoppeln erahnen. Abgesehen davon sieht er gut aus. Aber seine Stimme... Man kann es nicht beschreiben. Wenn ich jetzt die Augen schließen würde, würde ich einen alten Knacker mit Hut und Fluppe sehen. Aber der Kerl, der da steht ist nicht einmal Mitte 20, ein bisschen schlacksig und sieht aus als wäre er gerade bei Hotel Mama ausgezogen. Naja das ist jetzt doch ein bisschen übertrieben ;).

Lena zieht mich immer schneller zur Tür des Geschäfts, da bitte ich sie stehen zu bleiben. "Warte mal kurz süße, ich will den Jungs da zuhören!" Lena verdreht die Augen. "Ach mach kein Theater, wir gehen ja gleich." Sie nickt und ich lasse kurz ihre Hand los. Ich ziehe eine Packung Kippen aus meiner Jackentasche und zünde mir eine an. Dies quittiert Lena nur mit einem genervten Kopfschütteln.

Der Blick des Sängers schweift über die kleine Menschentraube, die sich bereits um die Gruppe versammelt hat, bleibt kurz an meiner Zigarette hängen, sieht mich an, schaut auf Lena hinunter, dann wieder zu mir und wendet schließlich den Blick wieder ab.

Wird Schon Irgendwie Gehn'  -  Annenmaykantereit FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt