Ein normaler Morgen

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Ring Ring
Der Wecker klingelt so laut als würde er direkt neben meinem Ohr liegen. Der nervtötende Ton schallte durch meinen ganzen Kopf.
Am liebsten hätte ich um mich geschlagen, hätte geschrien, geweint...
Aber das durfte ich ja nicht...
Ich sollte mir nicht so viele Gedanken darüber machen, denn selbst wenn ich wollte, ich könnte an dem ganzen nichts ändern.

Deshalb stellte ich den Wecker ab und drehte mich nochmal um und wickelte mich in meine weiße, glatte Decke.

Alles wirkte so normal.
Alltäglich.
Ich hasste dieses Gefühl.

Ich sah auf die Uhr.
Zehn nach sieben.
Ich sollte aufstehen, in 40 Minuten beginnt die Schule.
Ich schälte mich aus der Decke und setzte mich auf. Ich schmatzte einmal und versuchte meine Augen irgendwie offen zu halten.
Ich sah um mich herum und alles war farblos.
Alles in weiß, grau Tönen.
Alles normal.
Ich zog mir meinen Morgenmantel über und schlüpfte in meine Puschelpatschen die ich mühsam unter dem Bett herausklaubte.
Mit müden Beinen schleppte ich mich ins Bad.
Lies mir aber nichts anmerken, wie müde ich wirklich war als meine Mutter an meiner Zimmertür vorbeikam.
Sie hätte mich sonst wieder zur Strafe alle Stiefel im Haus putzen lassen.
Diesen Fehler beging ich nur einmal.
Denn in unserem Haus wohnten 348 Leute.
Das hieß für mich 696 Paar Stiefel zu putzen.

Nie wieder.
Also richtete ich mich auf und ließ meine Füße nicht mehr über den Boden schleifen.

"Ich wünsche ihnen einen schönen guten Morgen, Mutter."

Ich hasste diese Ausdrucksweise.
Sie drehte sich zu mir um und wir sahen uns in die Augen.
Einen kurzen Augenblick lang hörte und sah ich alles viel schärfer.
Ich hörte die Stimmen unserer Nachbarn im anderen Haus gegenüber und ich sah die kleine Spinne, die hinter ihr sich von der Decke abseilte und geradewegs auf dem Weg war sich in ihre Haare zu setzen.
Einen kurzen Moment lang war es als würde ich die Zeit angehalten haben.
Kein Muskel zuckte und kein Atem war zu hören.

Sie zerschnitt den Augenblick mit ihrer eiskalten Stimme.
"Ich wünsche dir auch einen schönen, guten Morgen, meine Tochter"
Ich erschrak ein wenig, bemühte mich aber meine Reaktion zu verbergen und sah stattdessen zu wie die kleine Spinne auf einer ihrer Haarspitzen landete.

Ich sah sie weiter an und sie sah zurück.
"Du weißt man soll nicht so starren oder muss ich dir nochmal alle Regeln vorlesen."
Ich wendete meinen Blick ab und sah zu Boden. Als würde ich nicht alle wissen und sie selbst lesen können!

Darfst keine Emotionen zeigen!

"Nein, danke Mutter. Mir sind die Regeln bestens bekannt. Ich wollte dir nur mitteilen, dass du eine Spin..."

Doch bevor ich den Satz zu Ende geführt hatte, befand sich die kleine Spinne zerquetscht zwischen ihren zwei Fingerspitzen.
Ich schwieg.
"Beende deinen Satz, meine Tochter."
Sagte sie nur kalt darauf.

"Du hattest eine Spinne im Haar, Mutter."
Ich antwortete mit fester Stimme und wartete auf Ihre Antwort doch als ich aufsah, blickte ich ins leere.
Sie war verschwunden.

Ich sah mich um doch da hörte ich schon ihre Stimme aus der Küche.
"Danke, Tochter. Ich wünsche dir einen schönen und angenehmen Schultag."

Ich schluckte.
Wenn sie nur wüsste...

"Ich wünsche dir ebenfalls einen wunderschönen Arbeitstag, Mutter."

Sobald ich die Tür ins Schloss fallen hörte lockerte ich mich und ging weiter Richtung Bad.
Ich und meine Eltern teilten uns ein Bad. Nur mein großer Bruder Josh hatte ein eigenes Bad.
Er war der Liebling meiner Eltern.
Josh lebt nicht mehr bei uns.
Er ist aufgestiegen in die nächste Klasse und hat dort eine Familie gegründet, doch trotz alldem darf ich das Bad von ihm nicht benützen. Ich darf auch nicht in sein Zimmer. Manchmal fühlte es sich so an als wäre er gestorben anstatt gegangen.
Josh war alles was mich glücklich machte und seit ein paar Monaten war er nicht mehr hier.
Er war der Einzige mit dem ich über das reden konnte was mich beschäftigte.
Ich konnte mit ihm über Emotionen reden.
Gefühle.
Denn davon will unsere Gesellschaft nichts wissen.

Jegliche Art von Emotionen und Gefühlen sind verboten.
Ebenso das Ausüben von Gefühlen.
Sobald man Gefühle zeigt, ist man verletzbar.
Das ist das was wir schon im Babyalter eingetrichtert bekamen.
Wir durften nicht schreien oder weinen und seit Josh in die nächste Klasse aufgestiegen ist und Marie, seine Frau geschwängert hat, ist er nicht mehr derselbe.
Er ist genauso wie meine Mutter und mein Vater.
Völlig kalt.
Früher war er warm und offen.
Josh war für mich da, wenn ich dachte ich müsste ausflippen und alles um mich schmeißen.

Er hatte ein Loch in mein Herz gerissen, dass nicht so schnell heilen würde.
Keine Gefühle!

Ich versuchte mich abzulenken.
Öffnete die Tür zum Bad und putzte mir die Zähne. Ich betrachtete mich im Spiegel.
Normal.
Reine Haut.
Braune Haare.
Normale Figur.
Braune Augen.
So war ich zur Welt gekommen.
So wurde ich aus dem Leib meiner Mutter geschnitten.
Den normale Geburten gab es schon langen nicht mehr.
Zu viele Emotionen.

Ich sah mich an.
Und alles was ich sah, war ein Mädchen, dass gezwungen wird ein Leben zu Leben, das es nicht will.
Ich seufzte.
Egal wie viel ich darüber nachdachte, es würde sich nichts ändern.
Ich bürstete meine Haare,band sie zu einem strengen Tutt und trat aus dem Bad.
Ich holte meine Anziehsachen aus meinem Zimmer und schloss mich dann im Bad ein.
Ich streifte meinen Morgenmantel ab und schlüpfte aus meinen Hauspatschen.
Auch mein graues Nachthemd zog ich über meinen Kopf und stieg unter die Dusche.

Ich legte den Hebel um und es kam eiskaltes Wasser heraus.
Es floss in kleinen Flüssen über meine Haut und verursachte eine Gänsehaut.
Panisch sprang ich aus der Dusche und schnappte mir ein Handtuch.

Keine Emotionen!
Du empfindest nichts!

Ich atmete noch einmal ganz tief durch.
Die Gänsehaut zog sich wieder zurück und meine Haare legten sich wieder auf meine Haut.
Ich stieg zurück in die Dusche und ließ das kalte Wasser über meinen Körper fließen.
Ich strengte mich an damit ich bloß nichts fühlte.
Ich durfte keine Kälte empfinden.
Plötzlich wurde das Wasser brennheiß und ich unterdrückte meine Emotionen erfolgreich. Das Wasser brannte wie Feuer aber selbst wenn es Feuer gewesen wäre hätte ich nicht schreien dürfen. Die Nachbarn hätten es gehört... Heißt so viel wie meine Mom hätte es zu hören bekommen,dass ihre rebellische Tochter die eine totale Schraube locker hat das ganze Haus zusammen geschrien hat.

Als ich auch diese Prozedur hinter mir hatte packte ich meine Sachen und verließ das Haus ohne einen weiteren Gedanken an Gefühlen.




So...
Das ist es also...
Mein erster Kapitel in einer neuen Geschichte. Ich hoffe jeder versteht um was es hier ungefähr geht, wenn jemand fragen hat, ruhig fragen hab immer ein offenes Ohr💕

Euer Schlimmster Albtraum in zuckersüßen PINK💕🦄

The PeppermintWo Geschichten leben. Entdecke jetzt