Tintenfleck

34 3 0
                                    

2. Kapitel

"Willst du mir nicht irgendwas erzählen?", fragte Tante Lori mit einem Tonfall, der fast vorwurfsvoll klang.

In ihren dunklen Haaren, die den selben braunton hatten wie meine, hing Mehl und sie trug noch immer die quietschgrüne Schürze, die sie immer zum backen an hatte. Es wirkte als hätte sie sofort alles stehen und liegen gelassen, als Schwester Doris sie kontaktiert hatte.

Zudem hatte sie nur zwanzig Minuten gebraucht bis sie gekommen war um mich abzuholen.

Vergleichsweise war das schnell, wenn man bedachte das ihre Bäckerrei, in der sie Vormittags immer war, eine halbe Stunde von hier lag.

Sie musste das Tempo Limit um einiges überschritten haben. Ich machte ihr aber wirklich keine Vorwürfe, denn ich war froh Schwester Doris los zu sein.

Und nun saß ich, wenn überhaupt möglich, noch zersträubter, auf dem Beifahrersitz von Tante Loris rostigem, roten Pick Up, während sie so tat als wäre ich ihr eine Erklärung schuldig.

Wie immer roch es hier drinnen nach einer Mischung aus Zigarettenqualm und Zuckerguss. Ersteres konnte ich mir ehrlich gesagt nicht erklären, weil weder Lori noch Isabella rauchten.

Zuckerguss allerdings schien Loris Eigengeruch zu sein, denn den versprühte sie überall. Mehr oder weniger absichtlich.

Seufzend ließ ich meinen Kopf gegen die Fensterscheibe sinken, schloss für einen Moment meine Augen und genoss dabei die wohltuende Kälte die das Glas ausstrahlte. 

Ehrlich gesagt wusste ich nicht was ich ihr sagen sollte. Sie wusste sicherlich was passiert war oder eher, was Mr. Mason dachte gesehen zu haben. Schwester Frankenstein hatte bestimmt dafür gesorgt.

Aber über meine Visionen konnte ich einfach nicht mit ihr reden. Sie würde sich nur Sorgen machen, ständig Fragen stellen und vielleicht darauf plädieren mich in eine Anstalt zu schicken, wo ich 24 Stunden, sieben Tage die Woche unter Beobachtung stand.

Ich hatte gar nicht bemerkt wie lange die Stille zwischen Lori und mir angehalten hatte, bis plötzlich das Knattern des Motors erstarb.

Langsam schlug ich meine Lider auf. Lori hatte den Wagen an den Gehsteig gelenkt und sich dann zu mir gewandt.
Ihr schmalen Augenbrauen hatte sie zusammen gezogen um diese dreieckige Sorgenfalte über ihrer Nasenwurzel bilden zu können. 

Man sah sie nicht oft mit ihrer Brille -ein rotes Modell mit spitzen Enden, wahrscheinlich ein Überbleibsel der 80er.

So wie ich, trug sie Kontaktlinsen und war ohne irgendeine Sehhilfe blind wie ein Maulwurf.

Das sie heute mit Brille aufgetaucht war, war ein unverkennbares Zeichen dafür, dass sie einen stressigen Tag hatte.

"Was ist passiert, Bo?", fragte sie nun. Ihre Stimme erschien mir aufeinmal viel lauter als vorher, was wahrscheinlich daran lag, dass sie nicht mehr mit dem Rattern des Motors um die Wette brüllen musste um gehört zu werden.

Ich zuckte mit den Schultern. "Gar nichts ... ich bin eben einfach eingeschlafen", murmelte ich, nicht fähig die Erschöpftheit in meiner Stimme zu verstecken.

Lori schnalzte mit der Zunge und warf dabei verärgert ihre Hände zuerst in die Luft und krallte sie anschließend frustriert um das Lenkrad, mit dem pinken Fell Überzug. Ihre Knöchel traten weiß unter ihrer Haut hervor, so fest war ihr Griff.

"Denkst du wirklich", Loris Stimme war gedrückt, so als ob sie sich beherrschen müsste nicht loszuschreien, "dass ich dir das abkaufe?"

Ich war still, weil mir wieder mal keine Antwort einfiel. Eigentlich hatte ich wirklich nicht gedacht dass sie das glauben würde, ich hatte nur einfach gehofft sie würde es gut sein lassen.

Paper BirdsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt