Erster Block nach dem Vorfall

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Ich wurde sanft von meiner Mutter geweckt. "Wie geht es dir?" fragte sie. "Es geht mir gut. Fährst du mich?" fragte ich sie. Sie nickte nur leicht. "In einer Stunde fahren wir los. Mach dich in Ruhe fertig und iss noch was." meinte sie und verließ mein Zimmer. Ich tat wie sie gesagt hatte. Das anziehen würde schwierig. Wegen dwm Gips passten normale Hosen nicht. Also musste eine Jogginghose herhalten. Ich ging zum Tisch wo ich mich etwas schminkte und meine Haare zu einem lockeren Dutt band.
Ich zog mit eine Socke und einen Schuh an und schnappte meine Schultasche, die ich schon gepackt hatte, und ging langsam die Treppe herunter um was zu essen. Meine Mutter hatte schon Müsli auf den Coachtisch gestellt. Ich machte den Fernseher an und fing an zu essen. Im Fernseh waren Bilder vom Unfall gestern zu sehen. Ich schaltete schnell um. Ich will nicht wieder dran erinnert werden. Als ich fast aufgegessen hatte kam meine Mutter ins Zimmer. "Bist du soweit?" fragte sie vorsichtig. "Ja, klar. Kannst du noch bitte mein Handy von oben holen? Soso hatte mir schon eins geliehen, bis mein richtiges aus der Reperatur zurück ist." Sie nickte nur und verschwand nach oben, um kurz darauf mit dem Smartphone in der Hand zu mir zu kommen. Sie stellte die Schüssel weg und ich ging ihr nach um mein Pausenbrot zu holen, welches ich in meinen Rucksack packte. Wir gingen raus zum Auto, stiegen ein und fuhren los. Wir schwiegen uns an. Mir war nicht wirklich nach reden zu mute. Gestern hätte so viel schief gehen können. Mit dem Satz "Wir sind da. Gehts alleine?" riss meine Mutter mich aus meinen Gedanken. "Ja klar. Danke Mum!" sagte ich hektisch und stieg aus. Es war gerade mal 7.12 wie mir die Uhr meines Smartphones verriet.
Also noch mehr als genug Zeit.
"Ich habe bis vier Unterricht. Holst du mich ab. Ich will... Ich will nicht mit dem Zug fahren." meinte ich bevor ich sie anschaute. "Natürlich, Liebling." antwortete sie liebevoll. Ich lächelte sie kurz an und stieg aus. Der Hof war nicht wirklich voll aber auch nicht wirklich leer. So irgendwas dazwischen. Ich ging langsam in Richtung Tür. Wir hatten die ersten beiden Stunden doch keinen Entfall. Leider.
Ich ging schon ins Schulhaus hinein. Wir haben jetzt Spanisch. Aber nur Aufgaben, da viele Lehrer krank sind. Als ich drin war, war der Raum noch fast leer. Nur Menschen mit denen ich noch nie geredet hatte waren schon drin. Sie interessieren sich nicht für mich und ich mich nicht für sie. Der Raum füllte sich langsam. Ich hatte mich so hingesetzt, dass man meinen Fuß nicht sieht und meine Krücken versteckt. Es muss ja nicht gleich jeder sehen. Sebastian kam in den Raum hinein und zog meine volle Aufmerksamkeit auf sich. Er sah sehr müde aus. Tiefe Augenringe. Er umarmte mich kurz als er sich setzte.
"Sebastian, wieso hast du nicht geschlafen?" fragte ich besorgt und ignorierte mein vibrierendes Smartphone. Wahrscheinlich eh nur Twitter oder eine WhatsApp-Gruppe. "Konnte nicht schlafen. Habe zu viel nachgedacht. Über gestern. Die Bahn. Was dort passiert ist. Ich bekomme es einfach nicht aus meinem Kopf. Dieser dumpfe Knall. Der Druck der uns zum fallen brachte. Der dich verletzte." er atmete tief durch und hatte Tränen in den Augen. Ich nahm vorsichtig seine Hand. "Es ist okay. Es ist doch alles gut ausgegangen. Es hätte doch viel, viel schlimmer ausgehen können. Alles wird gut." versuchte ich ihm einzureden. Er hatte sich halbwegs beruhigt. Ich hielt seine Hand weiterhin fest. Und er meine. Ich schaute nun auf das immernoch vibrierende Smartphone. Soso. Ich ging ran. "Jo was ist?" fragte ich leicht besorgt. "Lisa? Wir kommen heute nicht weil..." fing sie an. "Halt stopp. Wer ist wir?" fragte ich und drückte Bastis Hand fester. "Patrick und ich. Er wollte mich abholen da er nur vier Straßen weiter wohnt und da weder er noch ich Lust auf den Unterricht haben, haben wir unseren Eltern gesagt wir wären krank und würden jetzt zusammen lernen." erklärte sie. Sie lächelte dabei. Sie ist in ihn verliebt. Hoffnungslos verliebt. Aber vielleicht bin ich es ja auch. "Lisa?" fragte sie nach, da ich eine Weile nichts gesagt hatte. Ich legte einfach auf. Nein. Das kann nicht ihr Ernst sein. Sie wollte nie schwänzen. Auch wenn sie gesagt hatte, dass sie angeblich krank sei und ihre Eltern es ihr geglaubt haben. Ich knallte das Handy auf den Tisch und krallte mich in Sebastians Hand. Ich war sauer. Das ist nichtmal ein Ausdruck. Sie wollte nie so werden. Ich würde jetzt am liebsten rauchen. Rauchen gegen die Wut, die Trauer, das Unwissen, das Unverständnis. Einfach wegen allem. Sie wollte nie so werden. "Was ist los?" fragte Sebastian mich besorgt. "Schon okay." blockte ich ab und ließ ganz langsam lockerer. Sie muss es ja wissen. Aber naja. Es ist ihr Leben. Ich kann nicht über sie bestimmen. Ich sollte sie lassen. Ich sollte ihr ihr Glück gönnen. Ich atmete tief durch. Unsere Stellvertretene Schulleiterin kam in den Raum hinein. "Kinder. Ihr werdet in den nächsten Wochen immer Aufgaben für diesen Kurs bekommen. Eure Lehrerin fällt längerfristig aus. Hier sind schonmal die ersten Aufgaben. Erledigt sie und seid ruhig." gab sie monoton von sich. Sie schaute sich nicht einmal um.
Sie legte einem die Blätter auf den Tisch und verschwand. Ich spürte Sebastians penetranten Blick auf mir. Er macht sich Sorgen. Immernoch. Der Kurs fing langsam an zu arbeiten. Er und ich ebenfalls. Sebastian versuchte immer wieder mich zum reden zu bringen. Doch ich schwieg einfach nur. Die Aufgaben waren extrem leicht, was mich schon sehr wunderte. Der Kurs schwieg ebenfalls. Jeder hatte Kopfhörer in seinen Ohren. Als ich dreiviertel der Arbeit fertig hatte Schob ich das Blatt weg. Ich musste nachdenken. Normalerweise tat ich das immer beim Rauchen. Aber das geht nicht. Leider. Seit wann verliebt sich Soso so schnell? Das ist doch nicht ihre Art. Oder doch? Und ich bekomme es nur nicht mit? Bin ich so schlecht? Sicherlich.

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Tach Kinnas. Tausend Wörter am Stizzle.

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