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Der nächste Morgen verlief ähnlich wie der gestrige, aber heute traf ich nicht auf Anne und es regnete erst leicht, dann immer stärker. In der ersten Stunde hatte ich Biologie zusammen mit meiner Freundin Lisa, die mich wie üblich wieder ignorierte und nur auf ihren Twitterkram konzentriert war. Zusammen mit dem Klingelzeichnen stürmte ein vom Regen nassgeklitschter Dan herein, murmelte eine Entschuldigung und ließ sich auf dem Stuhl neben mir nieder. Fuck. Na? Wer ist denn da so aufgeregt, hm? 'Nicht. Jetzt.' Während der Stunde wanderten meine Augen immer auf den Platz neben mir und betrachteten diesen perfekten Jungen mit dieser schönen Kieferlinie, den konzentrierten Augen, die stur nach vorne fixiert waren und die dunklen Haare, die durch den Regen noch dunkler aussahen als sonst. Hör endlich auf ihn so anzugaffen und konzentrier dich auf den Unterricht. Ich glaube, das was sie gerade gesagt hat, war wichtig. Sofort war ich wieder aus den Träumerein erwacht, hörte meiner Lehrerin aufmerksam zu und schrieb mir Randnotizen mit. Etwas später in der Zwischenpause kritzelte ich auf meinem Block herum, während sich links neben mir eine Traube Mädchen bildete, die sich an Dan klebten, dem das ganze ziemlich zu gefallen schien. Machosprüche hier, dummes Gekicher da. Du bist doch nur neidisch, dass er sie beachtet und dich nicht. Wow danke, genau das hat mir noch gefehlt. "H..Hier, das sind die Mathe Aufgaben von gestern, ich dachte, du willst sie vielleicht haben.",stotterte Nathalie, eine kleine Streberin und Lehrerschleimerin, die nicht wirklich einen tollen Charakter hatte, aber wohl einen heftigen Crush auf Dan. "Hey nice, danke dir, Babe." Babe? Ernsthaft? Mein Gesicht verzog sich zu einem fragenden Ausdruck und ich versuchte, ein Lachen zu unterdrücken. "Problem, Missie?", kam es von ihm und ich sah erschrocken auf. "Ähm. Erstens habe ich auch einen Namen. Nora, angenehm. Und zweitens habe ich ein Problem mit deiner Wortwahl, Sugardaddy und mit der Matheprostitution dieser Mädchen." Wow. Bin beeindruckt, soviel Sarkasmus und Selbstbewusstsein hätte ich dir gar nicht zugetraut. Dankeschön, ich klopfe mir gerne selber auf die Schulter. Erstaunlicher Weise schickte er die Mädchen weg und lehnte sich dann zu mir rüber, bis er so nah an meinem Gesicht war, dass mir der Atem stockte und ich Gänsehaut bekam. Fuck. "Aw, süß. Missie ist wohl eifersüchtig, huh?", hauchte er, ich schüttelte den Kopf und schluckte heftig. Er streifte mit seiner Hand über meinen Unterarm, woraufhin ich mir frustriert auf die Unterlippe biss. "Da wär ich mir nicht so sicher." Plötzlich unterbrach uns unsere Lehrerin:"Meine Lieben, wenn ihr euch die Kleider vom Leib reißen wollt, dann macht das doch bitte draußen, wir anderen würde gerne mit dem Stoff fortfahren." Mein Gesicht war knallrot anglaufen und ich fühlte mich klein wie eine Maus, während Dan nur grinste und der Rest der Klasse lachte. Die restliche Stunde schienen uns alle anzustarren und mir war regelrecht übel von dieser schrecklichen Aufmerksamkeit, normalerweise war ich immer unsichtbar. Nach der Stunde stürmte ich auf den Schulfhof, um zum abgelegenen Kunstwürfel zugelangen, als ich plötzlich Dan's Lache und seine Gang bemerkte und mich kurz umdrehte. Irgendwie hatte ich totale Panik bekommen und bin die letzten Meter gerannt, bis Milly endlich in mein Blickfeld kam. Milly ist die verrückteste süßeste und aufgeschlossenste Person auf diesem Planeten und darum bin ich umso mehr froh, dass sie meine beste Freundin ist. Ihr großes Selbstbewusstsein, um das ich sie so beneide, ließ sie alles tragen und sagen, was sie wollte, egal wann oder wo. Man konnte Milly eigentlich nur mögen, da sie auch nur wenige negative Eigenarten hatte, wie zum Beispiel, dass sie immer alles vergaß, was man ihr sagte und dass sie zu fremden Leuten manchmal so verdammt unfreundlich ist.
Als ihre giftgrünen Augen meine trafen, grinste sie und umarmte mich, während sie "Morgen, Marshmallow" rief. Diesen Spitznamen hat sie mir wahrscheinlich wegen meiner Haarfarbe gegeben, die ich nun schon seit ein paar Monaten hatte und vielleicht auch wegen meiner Figur, da ich nicht wirklich der dünnste Ast am Baum bin, wenn ihr versteht, was ich meine. "Morgen, Applepie", antwortete ich und wunschelte ihr einmal durch die langen kastanienbrauen Haare, die irgendwie immer perfekt lagen. Ihre Liebe zu Apfelkuchen konnte eigentlich nur durch ihre Liebe zu Musik übertroffen werde, die ich gerne bereitwillig teilte. Wir reden beinahe die gesamte Pause durch und hörte nebenbei unsere Lieblingsmusik, bis mir Dan wieder durch den Kopf ging und ich die Musik leiser stellte. "Hey was ist los?",fragte Milly mit besorgtem Blick, setzte sich auf und ich begann ihr breit zu erzählen, was zwischen ihm und mir passiert ist, während sie mir aufmerksam zuhörte. "Und jetzt weiß ich nicht, was ich machen soll", beendete ich meinen Monolog und verkreuzte meine Arme vor der Brust. "Naja, wenn du ihn magst, dann bleib halt dran." - "Wirklich? Kein 'Halt dich fern von ihm' oder 'lass es gut sein, er wird dich eh nicht mögen'?" Sie lachte kurz und sah mich dann mit festen Augen an:"Du würdest eh nicht auf mich hören." Unwillkürlich begann ich zu grinsen und nickte leicht. "Genug Liebesgebrabbel für heute, ich will KRAFTKLUB", rief Milly, sprang auf, drehte die Musik lauter und tanzte wie die letzte Idiotin. Lachend lehnte ich mich an die Wand und beobachtete, mit welcher Leichtigkeit sie über den Betonboden tanzte und wie verdammt bescheuert das Ganze aussah. Leider war die Pause dann auch schon zuene und wir packten unseren Kram zusammen, um noch pünktlich zu Kunst zu kommen. Gerade als ich das kleine Nebengebäude betreten wollte, sah ich Dan aus dem Augenwinkel mit einem blauen Augen und einer aufgeschlagenen Lippe, die leicht blutete.

BetonsplitterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt