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"Vielen Dank für die Informationen, wir werden uns um die jungen Herren kümmern. Sollen wir Sie nach Hause fahren?" Bevor ich dem Polizeichef antworten konnte, antwortete Chris mit einem warmen Lächeln und legte mir einen Arm um: "Nicht nötig. Ich bringe sie heim." Der Mann nickte freundlich und entließ uns dann.
Draußen an der frischen Luft, atmete ich einmal tief ein, bis mir ungewollt wieder Tränen hochkamen und ich sie schnell wegwischte. "Ist schon okay. Wein' dich aus."-"Nein, ist wirklich okay. Danke, dass du mir geholfen hast." Mit verheulten Augen, zerzausten Haaren und mit niedergeschlagener Miene versuchte ich ihn anzulächeln, worauf er zu grinsen begann und mich in eine Umarmung zog. Geborgenheit umhüllte mich, eine so friedliche sichere Geborgenheit, dieses Gefühl war einfach unbeschreiblich und ich krallte mich fester in seinen Pullover. Keine Ahnung, wie lange wir dort so standen, das war mir auch herzlich egal, ich wollte einfach, dass ich dieses Gefühl nie wieder verliere. "Na los komm, wenn wir hier noch lange stehen, erfrieren wir."
Im Schein der Straßenlaternen liefen wir durch den Schneeregen und schwiegen. Nur noch vereinzelt liefen Leute durch die engen Straßen, Geräusche vernahm man ebenfalls kaum.
"Chris?"
"Ja?"
"Kann.. kann ich.. Also können wir.. äh.. können wir vielleicht zu dir? Ich will meine Eltern nicht sehen und.. ich will heute nicht alleine bleiben."
"Klar kein Problem. Meine Mum ist heute sowieso nicht da und mein Dad schläft sicher schon."
"Danke dir", brachte ich leise und mit einem schmalen Lächeln heraus.
Nachdem wir bei ihm zuhause angekommen waren, schlichen wir uns in sein Zimmer und ich setzte mich auf das bequeme dunkelblaue Sofa, dass in der hinteren Ecke stand, während er Decken und Kissen holte. "Das Bad ist den Flur runter links, hier ist ein Handtuch. Bei der Dusche musst du ein bisschen kräftiger an dem Hebel drehen, der klemmt manchmal.", erklärte er sich am Hinterkopf kratzend. Nickend stand ich auf und begab mich ins Bad. Die große Deckenlampe flimmerte, bis der Raum in ein helles weißes Licht gehüllt war. Das Badezimmer war so riesig wie mein Zimmer zuhause und viel eleganter als ich es mir vorgestellt hatte. Generell war das Haus riesengroß und teuer ausgeschmückt, seine Eltern müssen 'ne Menge Geld verdienen. Vor dem großen Spiegel kämmte ich kurz meine Haare, zog meine Klamotten aus, stieg in die Dusche und ließ das warme Wasser auf mich herabprasseln. Normalerweise liebe ich es, kalt zu duschen, es befreit mich einfach mehr, aber heute gefiel mir die heiße Dusche um einiges besser.
Aus der Dusche tapsend nahm ich mir ein großes Handtuch und band es mir um. Nachdem ich mich dann komplett frisch gemacht hatte, ging ich so leise ich konnte wieder zurück in Chris Zimmer auf der anderen Seite des Hauses. Doch als ich sein Zimmer betrat, war es leer. Das Sofa war schon zurechtgemacht und so wanderte mein Blick durch den großen Raum, bis er auf dem Kleiderschrank hängen blieb. Das ist unhöflich, das weiß du schon, ja? Er wird das sicher verstehen, ist immerhin besser als im Handtuch. Entschlossen schnappte ich mir eine Jogginghose und einen Hoodie, welche ich schnell überzog. Fertig umgezogen sah ich mich wieder in seinem Zimmer um. Rechts neben der Tür stand der Kleiderschrank und daneben ein großes Bücherregal mit einigen Sachbüchern und vielen Romanen. Schräg gegenüber war sein Schreibtisch, voll mit Blättern, aufgeschlagenen Büchern und einigen rumfliegenden Stiften, was ein ähnliches Chaos war wie bei mir. Unter einem weißen Fenster mit Blick auf die Straße vor dem Haus und die Einfahrt stand sein Bett, dass als schmales Doppelbett durchgehen würde mit dunkelblauer Bettwäsche. Kein einziges Poster hing an seinen Wänden und CD's besaß er auch nur spärlich, obwohl eine riesige Anlage neben dem Sofa stand, auf dem ich schlafen würde. Gegenüber von diesem erschreckte ich mich beinahe vor dem riesigen Flachbildschirm und der noch größeren Filmesammlung, von Klassikern bis zu den neusten Streifen hatte er wirklich einiges dabei. "Woah..", flüsterte ich und stöberte ein wenig durch den Stapel neben dem DVD Player. "Na? Was Spannendes gefunden?", kam es von hinten und ich fuhr erschrocken herum. "Err..Ich..Ich hab nur.. äh.. Coole Filmesammlung."-"Danke. Eins der wenigen Dinge auf die ich stolz bin", lachte er und erst jetzt bemerkte ich, dass er klitschnass vor mir stand und nur ein Handtuch um die Hüfte hatte. Wie aus einem Reflex wurde ich knallrot und drehte mich um Richtung Wand. Lachend bemerkte er, was wohl in mich gefahren war und sagte:"Oh ehm ups. Entschuldige. Nicht umdrehen, ich zieh mir schnell was über." Nervös spielte ich mit meinen Händen bis das "Bin fertig, kannst dich wieder umdrehen" ertönte. Müde und geschafft ließ ich mich auf das Sofa fallen und rieb mir die Augen. Chris setzte sich neben mich und reichte mir eine Tasse Tee, die er eben noch von seinem Schreibtisch geholt hatte.
"Danke.." - "Ach kein Ding, die Kanne stand unten schon fertig.", lachte er, doch ich unterbrach ihn: "Ich meinte eigentlich wegen vorhin, aber ja, danke für den Tee." Wieder grinsten wir uns an, bis ich meinen Blick der heißen Tasse zuwendete. "Warum warst du eigentlich noch bei der Schule?", kam es nach einer Weile von ihm und ich sah wieder hoch. "Hatte meine Tasche vergessen. Aber.. warum warst du noch da?" Ein paar Sekunden sagte er nichts und schien zu überlegen, bis er dann aus dem Fenster starrte und schnell sagte: "Mr. Framster, du weißt schon, dieser komische Geschichtslehrer wollte irgendwas von mir, also mir irgendein Projekt aufdrücken, aber er muss es wohl vergessen haben, denn ich habe eine Stunde umsonst da gewartet. Jedenfalls wollte ich dann hinten raus und.. hab dich gesehen." Sein Blick war wieder auf mich gerichtet, mittlerweile wieder mit einem warmen Lächeln, woraufhin ich ein wenig verwundert blinzelte und meinen Tee trank, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte. "Naja. Ist schon spät. Ich weck dich dann morgen zum Frühstück." Ich nickte ihm noch zu und kuschelte mich in die weiche Decke. In wenigen Sekunden war ich eingeschlafen und konnte gar nicht mehr an diesen seltsamen Tag denken.

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