2 - Im Auge der Finsternis

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And if we stand together, nobody will break through our shield, nobody will be able to attack us and every of us is blest by the strength of the others.

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Es schien, als würde sie in einer kühlen, zähflüssigen Masse feststecken, die an ihr ruckelte und zehrte. Das Atmen fiel ihr schwer und Loren schaffte es nicht, ihre Augen offen zu halten. Doch kaum hatte das Gefühl eingesetzt, endete es schon und Loren wusste, dass sie heil auf der anderen Seite der Transportstrecke angekommen waren. Die Haut in ihrem Nacken kribbelte und auf ihren Armen hatte sich eine Gänsehaut gebildet. Aufgeregt atmete sie tief ein, bevor sie die Augen öffnete.

»Was bei Hadriel...« Loren stand direkt hinter Mentor Aarin und Robin, so dass sie nichts erkennen konnte. Vorsichtig schob sie sich zwischen den beiden Männern hindurch, denn sie wollte wissen, was Mentor Aarin sprachlos gestimmt hatte. Erschrocken weiteten sich ihre Augen und sie konnte hören, wie Nolam erschrocken Luft einsog.

»Mentor, ist das-«, begann Yue doch Farlur unterbrach sie grob. »Natürlich ist das Eldamar, dummes Mädchen.«

»Ruhe jetzt. Die Situation ist ernster als gedacht. Kommt jetzt.« Loren schaffte es nur schwerlich, ihren Blick von den qualmenden Ruinen abzuwenden, dann folgte sie ihrer Gruppe. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in ihr aus und sie tauschte einen unsicheren Blick mit Nolam, der seine Brille zurechtschob und nur die Schulter kurz hob.

»Wir sollten äußerst vorsichtig vorgehen und immer zu zweit unterwegs sein«, begann Mentor Aarin zu erklären, während sie die leichte Anhöhe hinabsteigen, auf dem sie angekommen waren. Die große Stadt war umgeben von seichten Hügeln, auf denen sich einst Bäume zu einem Wald zusammenfanden. Doch die qualmenden Stümpfe zeugten von der unbändigen Macht, die über die Stadt hinweggerollt sein musste. »Loren, kannst du irgendwelche Auren wahrnehmen?« Die Angesprochene zuckte kurz zusammen, als sich alle Augenpaare auf sich richteten. Ein Vorteil ihrer Verwandlungsmagie war, dass sie innerhalb von einigen hundert Metern alle Lebewesen wahrnehmen konnte, deren Aussehen sie annehmen könnte. Das junge Mädchen schloss die Augen und beruhigte ihren Herzschlag. Sie konnte die Grenzen ihrer Magie erkennen, die wie ein leuchtender Film am Rande ihres Körpers lagen. Dann streckte sie ihre Sinne in die Dunkelheit aus und suchte nach anderen Energien. Ab und an konnte sie die Existenz kleinerer Lebewesen und Pflanzen wahrnehmen. Doch zum Großteil blieb ihr Bewusstsein schwarz.

»Ich kann niemanden finden«, flüsterte sie dann mit belegter Stimme und musste kurz schlucken. Wie konnte eine Stadt mit mehreren Tausend Einwohner, einigen Dutzend Magiern und Hunderten Soldaten so ausgestorben sein? Hatte wirklich kein einziger überlebt, oder war sie einfach noch zu schwach?

»Loren. Wenn dir das noch zu viel ist, kannst du zurück zur Akademie reisen. Niemand würde dir das-« Meister Aarin hatte ihr eine Hand auf die Schulter gelegt und Loren spürte eine Träne ihre Wange hinabrollen. Doch sie schüttelte nur den Kopf und warf Farlur einen bösen Blick zu, der spöttisch grinste.

»Nein! Ich habe mich der Kampfklasse angeschlossen, weil ich helfen will. Es geht schon.« Meister Aarin nickte mit einem grimmigen Ausdruck, dann ließ er seinen Blick über die Stadt schweifen. Farlur ließ seine Hände knacken und bleckte sie Zähne, während er ebenfalls die Hausruinen musterte. Yue seufzte gelangweilt, während Loren Blicke mit Robin und Nolam tauschte.

»Wir werden Zweierteams bilden. Yue und Farlur, Nolam und Loren und Robin wird mit mir mitkommen. Wenn irgendetwas vorfallen sollte, aktiviert eure Broschen und die anderen werden zur Hilfe eilen. Spätestens in zwei Stunden werden wir uns zu einer Besprechung wieder hier treffen. Ich werde die Stadt noch markieren, damit wir keine Orte doppelt und dreifach durchkämmen, seid deswegen bitte gründlich. Nehmt dies«, während Aarin die Vorhergehensweise erklärte, holte er zwei Stoffbeuten hervor und überreichte sie Yue und Loren. Neugierig warf sie einen Blick in den dunkelroten Beutel und erkennte Anstecknadeln mit dem Wappen der Schule. »Das sind Teleportnadeln« Mentor Aarins Stimme wurde etwas düsterer. »Ich weiß nicht, wer von euch schon einmal einen Leichnam gesehen hat, aber heute werdet ihr auf einige Treffen. Ich vertraue darauf, dass ihr die Aufgabe gewissenhaft ausführt, auch wenn es sich um eure ehemaligen Mitschüler handelt. Es ist wichtig, dass ihr nicht die Nerven verliert, kann ich darauf vertrauen?« Einheitlich bejahten sie die Frage ihres Mentors, auch wenn Loren erneut schlucken musste. Sie hatte zu niemanden der Vermissten eine enge Bindung gehabt und dennoch fürchtete sie sich vor dem Anblick ihrer leblosen Augen.

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