Kapitel 1

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Hattest du jemals schon das Gefühl, alles um dich herum verschwimmt auf einmal? Du hast nichts mehr unter Kontrolle? Alles Bricht zusammen? Denn genau so fühle ich mich gerade in diesem Moment.

Hier sitze ich vor ihm. Mit verschmierter Mascara und tränenüberflossenem Gesicht, doch mein bester Freund liegt mir nur gegenüber und lacht mich aus. „Jetzt mach dir mal keine Sorgen, Kleine. Das wird schon wieder!" „Ist jetzt nicht dein Ernst, oder?!", schluchze ich, als ich mir das Taschentuch nehme, das Tyler mir entgegenhält. Ich glaube er versteht einfach nicht, wie schlecht ich mich gerade fühle. „Ich bitte dich, so schlimm ist das nun auch nicht. Auch andere Mütter haben schöne Söhne. Das beste Beispiel dafür bin sowieso ich!" Tyler muss laut loslachen. „Ach halt doch einfach die Klappe!", schreie ich lachend als ich ihn mit meinem Lieblingskissen bewerfe, das ich letztes Jahr von ihm zu Weihnachten bekommen habe. Es hat ein Zitat aus meinem Lieblingsbuch aufgedruckt. Er hätte mir nichts Schöneres schenken können. Ich kenne keinen, der mich so gut kennt wie er.

Langsam beruhigen wir uns wieder und werden ernst. Ich erspähe mein Gesicht im Spiegel, der neben dem Bett, rechts vom Fenster, hängt. Ich sehe grauenhaft aus. Mit einer schnellen und geschickten Bewegung lasse ich den Ärmel meines Lieblingspullis über mein Gesicht gleiten. Na toll, jetzt ist er total schwarz. Gereizt lasse ich meinen Arm wieder sinken.

„Jetzt erzähl mal, was alles genau passiert ist.", höre ich eine angespannte Stimme flüstern.

Stille.

Meine Lippen sind verschlossen.

Meine Kehle gibt keinen Laut von sich.

Komplette Stille. Nicht einmal mein Atem ist zu hören.

Erst jetzt merke ich, dass ich ihn angehalten habe. Provozierend laut atme ich aus, womit ich einen fragenden Blick von Tyler ernte. Bin ich bereit ihm die ganze Geschichte zu erzählen? Bis jetzt weiß er nur, dass Scott gestern urplötzlich mit mir Schluss gemacht hat. Keiner weiß warum, nur mein ach-so-toller Exfreund, noch eine Person und ich. Als er mich gestern in Louis' Diner eingeladen hat, das Diner, welches im Besitz seines Freundes ist, hatte ich noch keine Ahnung, dass es unser letztes Treffen werden würde. Oft gingen wir abends hier her und bestellten uns zwei Cheeseburger. Das war unsere Tradition. Wir waren immer glücklich zusammen gewesen. Noch letzte Woche ist er mit meinen Lieblingsblumen, pinken Lilien, vor meiner Haustür gestanden. Ich begreife immer noch nicht so ganz, dass es kein uns mehr gibt, sondern nur ein er und ich.

Mit zittriger Stimme frage ich: „Du hast heute nichts Besonderes mehr vor, oder?" „Nein, warum?" „Das könnte eine lange Nacht werden Tyler, weil mir bei jedem Wort das ich sagen werde, mir das Herz immer wieder aufs Neue brechen wird.", bringe ich schwer atmend heraus, „Und sorg' bitte schon einmal für genügend Taschentücher, Eis, Schokolade und ein Spielzeugauto."


Tyler und ich kennen uns schon ewig. Praktisch schon seit ich denken kann. Wir haben alles Mögliche zusammen ausprobiert und gemacht. Meinen ersten Kuchen aus Sand habe ich von ihm bekommen, den wir dann auch zusammen gegessen haben. Meine Mutter war davon nicht so ganz begeistert und ist natürlich sofort ausgerastet, wie sie es bei jeder Kleinigkeit macht. Sie hat sich Sorgen gemacht, dass ich krank werde. Vater musste sie dann beruhigen und sagte ihr, es sei völlig normal, dass kleine Kinder manchmal Sand essen und nichts passieren wird. Mein Dad ist sowieso die Ruhe in Person. Er sieht immer alles gelassen.

Wir gingen auch zusammen in die gleiche Klasse der Grundschule. Am ersten Schultag haben wir unsere Schultüten getauscht, weil ich meine nicht schön fand. Tyler hat es in meinen traurigen Augen gesehen und hat sie ausgewechselt. Er hat schon immer alles aus meinen Augen gelesen. Auch als mein Opa ausversehen meinen Lieblingsteddy verbrannt hat, weil er dachte es sei Wolle. Er hat im Nachhinein behauptet, er hatte seine Brille nicht auf und konnte keinen Unterschied erkennen. Aber mal ehrlich, wer würde bitte Wolle verbrennen?! Ich glaube er hatte die Nase voll, dass ich mit zehn Jahren immer noch daran hing. Doch ich hätte heulen können und mein Freund, mein Held, hat es vermieden, bevor es überhaupt passiert ist. Er hat mir als Trost sein Spielzeugauto, einen alten weiß-türkisen VW-Bus, mitgebracht und alles war vergessen. Und immer wenn jetzt jemand von uns traurig ist, muss zum Trost dieses Auto her.

Why Can't Love Be Easy?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt