Stundenwechsel. Nur noch eine Stunde bis wir in den Unterricht müssen. Da wir in der Nähe unseres Klassenzimmers sind, entscheide ich mich dazu, kurz zu Tyler zu gehen und ihn zu fragen auf welchen Film er heute Abend Lust hat.
„Also das waren eigentlich alles so die wichtigsten Sachen, die ich dir jetzt gezeigt habe. Ich muss nur kurz an unser Klassenzimmer und etwas erledigen."
Ich kann gar nicht nachempfinden, warum die Schulleiterin einem drei Stunden gibt um alles zu erklären. Aber mir macht das kein Stück etwas aus, so habe ich noch etwas frei. Also machen sich Chris und ich uns auf den Weg.
Kurz davor sehe ich es schon. Sehe ich ihn schon. Scott. Ich muss ja nichts zu ihm sagen. Ich muss ihn ja nicht einmal ansehen. Aber das ist mir zu unhöflich. Zehn Meter vor ihm zwinge ich mich zu einem Lächeln und grüße ihn. „Hallo." Der Neue hebt seine Hand zur Begrüßung.
Keine Antwort. Arschloch. Ich gehe schnell an unseren Spiegel neben der Tür und betrachte mich. Mein Lippenstift ist total verschmiert und fleckig vom ganzen reden. Wieso habe ich ihn bloß zuhause liegen gelassen? So dumm bin auch nur ich. Da ich keine Taschentücher bei mir habe, müssen die Tücher neben dem Waschbecken herhalten. Das geht nicht einmal so schlecht wie ich dachte.
Chris steht in der Türe und starrt mich unglaubwürdig an. „Wir sind nur wegen deinem Lippenstift hier her gekommen? Mädchen!", prustet er los, so dass ihn unsere Klassenkameraden bemerken. Sie waren eigentlich alle in ihren Gruppen und erzählten sich sicher, was sie alles in den Sommerfeien gemacht haben. Zuvor haben sie uns gar nicht bemerkt, doch die gnädige Prinzessin schüttelt die ganze Zeit ihren Kopf und lacht mich aus. Als sie wahrscheinlich nach kurzem Nachdenken den Schluss zogen, dass das nur der langweilige neue Schüler ist, drehen sie sich wieder um.
„Nein, sind wir nicht!", erkläre ich ihm eingeschnappt. Mit diesen Worten mache ich mich auf den Weg zu Tyler und schlendere zu ihm und wir klären, welche Filme wir heute sehen werden.
„Und? Wie ist der Typ so?", will er wissen.
„Naja, etwas komisch. Aber so an sich ganz okay."
„Okay. Hast du Scott schon getroffen?"
„Dieses unfreundliche Arschloch? Ja habe ich. Ich musste mich zusammenreißen um ihn zu grüßen, obwohl ich ihn am liebsten geschlagen hätte. Und dann antwortet der nicht einmal. Ich mein, wie dumm muss man eigentlich sein, um eine Person nicht einmal zu grüßen? Ich kapier es einfach nicht.", schreie ich ihn schon fast an.
„Jetzt beruhig dich mal Kleine. Ich versteh ja, was du gerade durchmachst, aber du willst doch nicht, dass die ganze Klasse davon Wind bekommt oder?" Tyler legt mir seinen Arm und die Schultern.
„Ich versteh es einfach nur nicht Tyler. Aber ich habe jetzt kein Verlangen mehr mich hier aufzuhalten. Sogar Herr Felsner könnte mich jetzt nicht mehr hier halten" Unser Klassenlehrer, Herr Felsner, ist der coolste Lehrer an der ganzen Schule. Wir verstehen uns alle super mit ihm. Manchmal kommt es mir vor, als wenn er unser großer Bruder wäre. „Zum Glück habe ich noch eine Stunde, bis ich mich in dieses Klassenzimmer mit Scott setzen muss. Also ich geh dann. Bis später." Tyler umarmt mich und verabschiedet sich von mir.
„Das ist also dein Freund.", behauptet Christian stur.
Ich reiße meine Augen weit auf. „Ja, genau. Tyler und mein Freund." Der Sarkasmus ist nicht zu überhören.
„Wer von denen ist es dann?"
„Was interessiert dich das denn?" Ich bekomme kalte Füße. Ich kann ihm ja nicht einfach irgendeinen nennen, weil er die Namen Wohl oder Übel irgendwann kann. „Aber es ist keiner von denen allen. Er... er ist nicht da. Australien. Er ist in Australien. Austauschjahr. Also", stammle ich, „er ist ein halbes Jahr in Australien für einen Schüleraustausch. Er kommt erst wieder im Februar." Oh man Leah, was sagst du da alles für Schwachsinn? Ich glaube das ist die schlechteste Lüge, die ich je in meinem Leben erfunden habe. Ich setze ein Lächeln auf, damit es vielleicht etwas glaubwürdiger rüber kommt.