Kapitel 2

12 1 2
                                    

Mit getrockneter Spucke am linken Mundwinkel werde ich unsanft aus dem Schlaf gerissen. Blitzschnell schrecke ich hoch und sitze aufrecht in meinem Bett. Mein aktuelles Lieblingslied, Complicated von Avril Lavinge, ist zu hören. Meine Lieblingslieder passen immer zu meiner derzeitigen Lebenssituation und meiner Stimmung. Schlaftrunken taste ich nach meinem Handy neben meinem Kopfkissen. Ich hasse es früh aufzustehen. Doch anstatt meinem Smartphone finde ich Tyler neben mir. Was macht er denn noch hier? Wir müssen gestern wohl eingeschlafen sein. Er sieht immer aus wie ein Baby wenn er schläft. Mein Handy ertaste ich auf der anderen Seite und schalte den Wecker aus. Langsam strecke ich meine Arme nach oben und gähne. Gefühlte fünf Minuten mache ich es mir so bequem.

Scheiße!

„Tyler, wach auf! Wir kommen zu spät!", schreie ich ihn an. Wie konnte ich das nur vergessen? „Was ist los, Kleine?" Mein bester Freund hat nach dem Aufwachen immer eine sehr kratzige und raue Stimme, die ich komischerweise sehr gerne mag. Andere Mädchen würden sie wahrscheinlich als sehr attraktiv und sexy bezeichnen, aber das kann ich nicht, weil, naja, es ist Tyler.

Ich entgegnete ihm einen verwirrten Blick auf seine Reaktion. „Heute ist der erste Schultag, du Dummkopf." Der Blick auf die Uhr verrät mir, dass wir sehr spät dran sind. Tyler steht auf und zieht sich in aller Eile an. Er muss fahren, da wir den Bus nicht mehr erwischen können und ich kann ja noch nicht fahren. Nur weil meine Eltern meinen, mit 18 bräuchte ich noch keinen Führerschein. Na danke. Meine langen, dunkelbraunen Haare lasse ich heute mal offen. Auch meine Chucks, meine Jeans und meinen Kapuzenpulli lasse ich im Schrank liegen. Dieses Jahr wird sich alles ändern. Nicht immer dieser langweilige Dutt und das so ziemlich ähnliche Outfit alle zwei Tage. Nein. Vorgestern habe ich neue Stiefeletten und ein neues Outfit gekauft, was ich eigentlich nur fürs Ausgehen gekauft hatte. Natürlich muss ich es heute tragen. Ab heute wird einfach alles anders. Ich husche mit schnellen Schritten in meinem Zimmer umher. „Ich hol uns was zu essen, Leah. Okay?" „Ja klar, dankeschön. Du bist der Beste!", erwidere ich, als ich ihm einen Kuss auf die Wange gebe. Vor meinem Schminktisch angekommen, suche ich meinen Eyeliner. „Fuck. Wo ist dieses scheiß Teil?! Ich raste noch aus!" Nur noch 15 Minuten bis wir los müssen. Da ist er ja. Ich ziehe mit aller Ruhe einen wunderschönen Lidstrich und tusche meine Wimpern extra stark. Augenbrauen nachziehen, pudern und zuletzt noch klassisch roten Lippenstift auftragen. Gerade noch rechtzeitig fertig geworden. Noch schnell ziehe ich meine Lederjacke über den marine-blauen Pullover mit groben Maschen. Scott hätte der Rock dazu gefallen. Er ist so kurz, dass man darunter sieht, wenn ich mich bücke. Genau so soll es sein. Soll er ruhig sehen, was er hat gehen lassen, dieses Arschloch. Was er haben hätte können. Nie wieder will ich etwas mit ihm zu tun haben. Nicht im Entferntesten, genauso wenig mit seinen Freunden. Doch auch wenn ich das jetzt hier so einfach denke, so einfach ist es nicht. Ich liebe Scott immer noch. So einfach kann ich nicht mit ihm abschließen. Das geht einfach nicht. Wie soll man jemanden von heute auf morgen vergessen, den man innständig und vollen Herzens liebt? Ich habe versucht unsere Geschichte aufzuschreiben und mich bemüht zu schreiben, wie es mit uns weitergeht. Doch ich habe festgestellt, das geht nicht. Wir müssen alles auf uns zukommen lassen. Nichts planen. Einfach leben! Das ist das schlauste, was ich im Moment machen kann, auch wenn ich noch Gefühle für ihn habe.


„Fahr schneller, wir kommen zu spät." „Ich dachte, du wolltest jetzt einen auf 'schlechtes Mädchen' machen? Schlechte Mädchen kommen normalerweise immer zu spät zum Unterricht." Tyler grinst mich an. Er verarscht mich schon seit er mit dem Essen zurück war. Ich erntete einen seltsamen Blick von ihm als er mich nicht in meinen üblichen Sachen war. Doch ich fühle mich seltsamerweise sehr wohl darin. „Nein ich will mich nur wohler fühlen und nicht gleich meine ganze Persönlichkeit ändern. Außerdem muss ich den neuen doch rumführen. Das nehme ich schon ernst. An meinem ersten Tag an einer neuen Schule wäre ich auch froh, wenn mir jemand helfen würde. Du übrigens sicher auch." Die restliche Autofahrt gab keiner mehr ein Wort von sich. Nur das Geräusch des Motors und die nervige Musik aus dem Radio waren zu hören. Wie ich diese Radiomusik hasse. Naja eigentlich liebe ich sie ja, aber Scott hörte sie immer auf und ab. Genau deswegen verabscheue ich sie jetzt so. Meine Musikrichtung ist jetzt nicht so Mainstream Musik, sondern alles andere. Scott konnte alles andere nicht leiden. Und jetzt kann ich ihn nicht mehr leiden. Also auf irgendeine Art und Weise, aber auch nur ein kleiner Teil. Scott...

Why Can't Love Be Easy?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt