Kapitel 2: Guten Morgen!

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Nichts war besser als in einem großen, weichen Bett zu liegen. Das Schreckliche daran war nur, dass man irgendwann aufstehen musste.

Plötzlich wurde die Tür zu ihrem Zimmer aufgerissen.

„Guten Morgen, Lu. Aufgesta...", weiter kam der Eindringling nicht, denn ihm wurde ein Kissen an den Kopf geworfen.

Die angesprochene Schlafmütze saß jetzt kerzengerade im Bett. Nur ihr gähnen verriet , dass sie bis vor kurzem noch geschlafen hatte.

„Ich komme schon, Ben", murrte sie.

„Beeil dich, sonst nehme ich dich nicht mit." Er warf ihr das Kissen zurück bevor er die Tür schloss und Lu wieder allein war. Im nächsten Moment schrillte der Wecker. Kurz auf die Taste gedrückt und er war still. Ben hatte die Angewohnheit, sie immer zu wecken, obwohl es auch einen Weck er gab, der das für ihn erledigen würde. Deswegen lieferte er sich jeden Morgen ein Wettrennen mit diesem Ding.

Lu war es recht. Sie war zwar eine Langschläferin, aber sie ließ sich nie dadurch den Tag verderben, dass sie aufstehen musste. Außerdem mochte sie ihren Bruder einfach zu sehr um ihm lange böse zu sein. Sie waren zwar keine richtigen Geschwister, aber das störte sie nicht. Beide waren von ihren Eltern adoptiert worden. Sie hatten Ben in einem Korb ausgesetzt gefunden, als er vielleicht ein paar Tage alt war und Lu mit zehn Jahren.

Das war vor etwas mehr als sechs Jahren. Lu war damals im Meer getrieben, weit und breit kein Boot in Sicht oder etwas anderes an dem sie sich hätte festhalten können oder das sie an der Wasseroberfläche hielt. Sie war urplötzlich aufgetaucht und konnte auch noch nicht schwimmen. Es war ein Rätsel, wie sie dorthin kam. Ihr jetziger Vater, Mario, arbeitete auf einem Fischerboot und hatte sie bemerkt. Ohne lange zu überlegen sprang er ins Wasser und rettete ihr somit das Leben. Er zog sie Richtung Schiff und das Mädchen klammerte sich an ihn. An Bord warteten schon zwei weitere Männer. Einer zog sie hoch und der andere wickelte sie in die Decke ein. Ihre erste Frage, wie sie denn heiße, konnte sie mit „Lu" beantworten und sie konnte auch sagen, wie alt sie war. Aber als sie fragten, woher sie käme, wusste sie keine Antwort. Sie konnte sich an nichts weitere erinnern.

Einerseits war es eine schreckliche Erinnerung, weil sie fast ertrunken wäre und dann auch nichts über sich selbst wusste, andererseits waren die Männer auf dem Schiff sehr herzlich und tröstete sie. Seitdem mochte sie das Meer nicht besonders. Es war eigentlich lächerlich, denn sie lebte jetzt auf einer kleinen Insel vor der Küste und musste jeden Tag mit dem Boot in die Schule fahren. Klar sie hatte in der Zwischenzeit schwimmen gelernt, aber das Wasser war noch nie ihr Element gewesen. Früher hatten sie ja auf dem Festland gelebt, aber als sich ihre Eltern die Miete nicht mehr leisten konnten, hatten sie das Angebot bekommen auf dieser Insel zu leben. Die Miete war nicht so hoch und trotzdem bewohnten sie einen ganzen Flügel des riesengroßen Anwesens für sich allein. Ben und Lu hatten eine Etage nur für sich. Es war zwar eine Umstellung, da man, egal was man tun wollte, erstmal mit einem Boot ans Festland fahren musste, aber es war in Kauf zu nehmen.

Das dachte sie sich auch als sie unter der Dusche stand. Das Wetter war ziemlich kalt, da half eine heiße Dusche um aufzustehen. Danach trocknete sie sich ab und schlüpfte in eine Jeans und einen Pulli. Etwas Make-up und schon war sie fertig. Mit der Schultasche über der Schulter lief sie die Treppen hinunter.

Unten warteten ihr Bruder Ben, eigentlich Benjamin, und ihr Vater mit dem Frühstück. Ihr Vater hatte alles schon hergerichtet.

„Guten Morgen, Prinzessin", begrüßte er sie. Freudig wünschte sie ihm auch einen guten Morgen und setzte sich an den Tisch. Bens Müslischüssel war schon halb leer, trotzdem ließ sie es sich nicht nehmen ihren Kaffee zu trinken und ein Spiegelei zu essen.

Weiße Rosen unterm Vollmond [pausiert]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt