Alles auf Anfang

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"Lucia! Pack deine Sachen!". Ich werde unsanft aus dem Schlaf gerissen als mein Vater in mein Zimmer stürmt und mir eine Reisetasche auf meinen Körper schmeißt. "Wieso? Wofür?". Er schaute mich an und lachte. "Stell nicht so viele Fragen, oder hat dir das von vorgestern nicht gereicht?".
Mit diesen Worten verlässt er mein Zimmer. Vorgestern? Erschrocken springe ich auf und bereue es direkt wieder. Mein ganzer Körper brennt. Ich stütze mich an meinem Bett ab und suche mit meinen Augen nach meinem Handy. Meine Hand greift rüber zu der kleinen Holzkomode die neben meinem Bett steht. Als ich auf das Display gucke werden meine Augen größer. Ich habe fast zwei Tage geschlafen. Dann erinner ich mich wage daran, was vorgestern passiert ist. Meine Mutter ist tot. Ich weiß nicht wie, wo, wann oder warum. Ich werde niemals eine Antwort darauf bekommen.
Langsam stehe ich auf und hangel mich zum Badezimmer vor. Den Blick in den Spiegel meide ich sonst immer, weil ich nach solchen Tagen wie vorgestern, nie aus dem Haus gehe, doch jetzt muss ich das Haus verlassen. Jeder normale Mensch würde erschrecken bei diesem Anblick, doch für mich ist es seit meiner Kindheit normal.
Ich streife meine Kleidung vom Körper und steige in die Dusche. Das Wasser brennt höllisch auf meiner Haut, es brennt so sehr dass ich auf der Stelle anfange leise zu schluchzen. Ich wasche unter Tränen meine Haare und trockne mich ab. Meine langen dunkelbrauenen Haare föhne ich trocken und binde sie mir zu einem hohen Pferdeschwanz.
Ich versuche mein angeschwollenes Gesicht zu überschminken, jedoch bleibt es bei dem Versuch.
Ich gehe in mein Zimmer, und ziehe mir eine Leggings und einen großen, weiten Pullover an. Die Tasche, die mein Vater mir gegeben hat, liegt auf meinem Bett. Wieso ich meine Tasche packen soll, weiß ich nicht. Aber es ist mir auch egal, denn ich muss eh tun was er sagt. Ich nehme die Tasche und versuche alle Sachen die in meinem kleinen Schrank liegen zu verstauen. Ich schließe die Tasche und scheiter bei dem Versuch sie hoch zu heben. Ich muss es schaffen, noch mal soetwas wie vorgestern halte ich nicht aus.
Ich ziehe die Tasche in den Flur, packe die restlichen Sachen, die in meinem Zimmer liegen und die ich brauche ein, und gehe die Treppe runter, während ich die Tasche hinter mir her ziehe. Mein Vater steht in der Küche und trinkt eine braune Flüssigkeit die aussieht wie Schnaps. "Ich hab meine Sachen gepackt."
Da keine Amtwort von ihm kommt, setze ich mich auf einen Stuhl an den Küchentisch. Nach einigen Minuten Schweigen höre ich ein Auto, dass vor unserem Haus hält. Dann ertönt die Hupe des Wagens und mein Vater springt auf. "Setz dich ins Auto. Ich nehme die Tasche." Ich stehe auf, ziehe die Sonnenbrille auf und laufe zu dem schwarzen Kleinwagen. Ohne ein Wort zu verlieren setze ich mich auf die Rückbank. Hinter dem Lenkrad sitzt der beste Freund von meinem Vater. Er ist eigentlich ein freundlicher Mensch, doch er ist mit meinem Vater befreundet, was ihn gleich wieder unsympathisch macht. Er weiß genau was er mit mir anstellt, doch er tut nichts. Jeder der davon weiß wird von meinem Vater zurecht gewiesen, deshalb kann ich es diesen Menschen nicht verübeln. Er schaut in den Rückspiegel und lächelt mir leicht zu. Ich schaue aus dem Fenster und Stöpsel meine Kopfhörer ein, um Musik zu hören.
Nachdem mein Vater ins Auto eingestiegen ist, fährt der Kleinwagen los.

Ich höre nichts außer meine Musik, und das ist auch gut so. Wir sind seit gefühlten 2 Stunden unterwegs und langsam wird es dunkel draußen.
Ehe es komplett dunkel draußen wird, überrennt mich meine Müdigkeit und ich schlafe ein. Ich öffne meine Augen erst wieder, als ich mit meinem Kopf gegen den Vordersitz schlage. Verwirrt und erschrocken öffne ich die Augen. Mein Vater sitzt hinter dem Steuer, das erklärt einiges. Er hat getrunken und fährt jetzt das Auto, weshalb er beim ausparken in einen anderen Wagen gefahren ist.
Panik steigt in mir hoch. Und bevor er los fährt suche ich panisch nach einem Ausweg. "Ich muss auf Toilette! ". Kurz nachdem ich das sage, könnte ich mir selbst eine Ohrfeige geben, doch alles ist besser als bei ihm mitzufahren. "100 Meter die Straße runter ist eine Raststätte. Die haben eine Toilette. Beeil dich." Überrascht über seine Reaktion stelle ich eine weitere Frage. "Wo fahren wir überhaupt hin?". Er schaut durch den Rückspiegel direkt in meine Augen. "Southhampton. Ein kleiner Ort in der Nähe von Marchwood. Wir werden dort in das Haus neben der Stadtbücherei ziehen." Ich schaue ihn an und nicke. Ich mache die Tür auf und die kühle Nachtluft kommt mir entgegen. Ich mache mich auf den Weg zu dem kleinen Restaurant 100 Meter die Straße runter. Als ich ankomme, sind nicht viele Menschen in der Raststätte. Es liegt vielleicht daran dass wir nach 0 Uhr hatten. Ich gehe auf Toilette und schaue mich im Spiegel an. Ich sehe so elendig aus mit den tiefen Augenringen und den verweinten Augen. Ich sehe aus wie meine Mutter. Ihre Eltern kommen aus Spanien, und dementsprechend sieht sie auch aus. Gebräunte Haut, lange braune Haare, und ein wunderschönes Gesicht. Ich bin froh auszusehen wie sie. Leider ist sie nicht da, um mir einen Kuss auf die Stirn zu geben, wie sie es immer machte wenn ich traurig war, und mein Vater mir weh tat. Sie flüsterte immer in mein Ohr "Lucia Schatz, eines Tages wirst du ein großes, starkes und selbstbewusstes Mädchen was sich währen kann. Du wirst ihm alles zurückzahlen." Ich hatte immer Hoffnung, doch seit er mir gesagt hat dass meine Mutter tot ist, ist diese Hoffnung weg. Ich spritze mir etwas kaltes Wasser ins Gesicht und mache mich wieder auf den Weg zum Parkplatz.

Als ich da bin, ist das Auto weg. "Papa?" Ich rufe ihn doch es passiert nichts. Das Auto ist weg. Ich bin verloren an einer unbefahrenen Straße und ohne Orientierung. Langsam wird es kalt und ich beschließe wieder zurück zu der Raststätte zu gehen um ihn anzurufen.
Ich werfe die Münzen, die ich von der Dame hinter dem Tresen bekommen habe, in das Telefon ein, das auf dem Parkplatz steht. Ich wähle die Nummer meines Vaters, doch es geht nur die Mailbox ran. Ich werde panisch und werfe den Hörer gegen das Telefon. Da ich noch etwas Geld dabei habe, beschließe ich mir was zu trinken. Ich setze mich an den Tresen und bestelle einen Tee. Ich öffne meinen Zopf, da ich langsam Kopfschmerzen bekomme und schaue mich ein wenig um. Das Lokal ist schön beleuchtet und ist wahrscheinlich ein kleiner Familienbetrieb. Es gibt einen Tresen und Tische, um daran zu essen. Die Wände sind aus dunklem Holz, und daran hängen tolle Gemälde. Gerade als ich zur Tür schaue, kommt eine Gruppe von Jugendlichen in die das Restaurant. Sie sind sehr laut, und sehr wahrscheinlich auch alkoholisiert. Meine Kopfschmerzen werden mehr, also entscheide ich, frische Luft schnappen zu gehen. Draußen ist es sehr kühl, doch es ist gut um den Kopf frei zu bekommen. Ich setze mich auf einen Stein, der zu einer Mauer gehört und schließe die Augen. "Was machst du denn Nachts allein hier draußen?" Ich rieche die Alkoholfahne des Betrunkenen stark. Er legt eine Hand um meine Taille und ich versuche mich los zu reißen. Doch er lässt das nicht zu. Er hält mich fest, und kommt mit seinem Gesicht immer näher. Bevor ich überlegen kann was ich tue, spucke ich ihm ins Gesicht. Den Moment der Überraschung nutze ich aus und renne weg. Der unbekannte Junge rennt mir hinterher. Da meine Schmerzen groß sind, ist er schneller als ich. Er reißt mich an meinen Haaren auf den Boden und tritt auf mich ein. "Du blöde Schlampe! Ich lass mich nicht anspucken". Ich merke wie er mich anspuckt und mir weiter gegen den Rücken tritt. "Und schon garnicht von einer Frau!". Der Schmerz kommt wieder und ich merke wie die Wunden an meinem Rücken wieder anfangen zu bluten. Dann hören die tritte auf einmal auf, und mit meiner letzten Kraft schaffe ich es, mich umzudrehen und zu gucken was passiert. Ein anderer Junge hält ihn fest und schreit ihn an. "Alter was soll das? Das ist ein Mädchen! Geh wieder rein du bist betrunken".

Er beugt sich zu mir herunter. "Hey, ist alles gut bei dir?" Er macht mir die Haare aus dem Gesicht, die wegen der Tränen an meiner Haut kleben. Ich nicke leicht und drehe mich wieder weg. Langsam versuche ich aufzustehen, doch mir tut alles weh, so dass mein Körper wieder in sich zusammen sackt. "Anscheinend ist nicht alles gut.." Er legt einen Arm um meine Schultern, zieht mich hoch und läuft mit mir auf die Steinmauer zu. "Wieso hast du nicht geschrien? Es hat doch sicher weh getan oder?". Ich lache auf. "Bin den Schmerz gewohnt". Sein Blick liegt auf mir. "Bist du Profi-Boxerin?". Ich sah dass er lächelte. "So ähnlich", und grinste auch.

In dem Licht, was von der Raststätte kommt, kann ich nichts erkennen. Ich weiß nicht wie er aussieht, doch er scheint nett zu sein. "Was machst du so alleine hier?" Mein Blick schweift in die Ferne. Was tat ich eigentlich hier? Gute Frage. So gut, dass ich sie selber nicht beantworten kann. "Ich wurde ... sitzen gelassen." Er nickt und schaut mich an. "Soll ich dich nach hause fahren? Das ist das mindeste nach gerade eben." Ich schüttel den Kopf. "Das würde nur peinlich werden." Er lacht. "Das glaube ich nicht, es sei denn, du wohnst im Kiddieland bei Ikea, weil deine Eltern dich dort vergessen haben als du 4 Jahre alt warst." Jetzt stimme auch ich in sein Lachen mit ein. "Ich wünschte es wäre so. Ich weiß nicht wo ich wohne." Er schaut mich geschockt an. "Und was machst du jetzt?". Ich zucke mit den Schultern und schaue auf den Boden. Ich werde morgen herausfinden wo genau ich hin muss. Einen Anhaltspunkt habe ich ja, doch es bringt nichts zu suchen wenn es dunkel ist. "Du kannst doch nicht die ganze Nacht hier draußen bleiben." Auf einmal springt er auf und reicht mir seine Hand, zum aufstehen. "Du kannst heute Nacht bei mir schlafen wenn du willst. Dann kannst du mir erzählen was genau passiert ist!".
Ich überlege kurz. Ist es sinnvoll mit einem fremden Jungen mitzugehen? Mein Unterbewusstsein schreit nein, doch es ist kalt draußen und ich müsste noch acht Stunden in der Kälte verbringen. "Nur wenn es keine Umstände macht." Ich ergreife seine Hand und er geht mit mir zu seinem Auto. "Setz dich schonmal. Ich muss das kurz absprechen." Ich nicke und setze mich hin. Mein Rücken brennt und mein Kopf tut weh. Ich schließe meine Augen und kurz danach geht die Autotür wieder auf. Ein Mädchen mit schulterlangen blonden Haaren steigt in das Auto ein und endlich erkenne ich den Jungen, der mir gerade anscheinend das Leben rettet.

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