Geschenk

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Mal wieder vergingen einige Tage ohne das etwas passierte. Ich bekam nicht mal einem weiteren Zettel. Anscheinend gab er mir nur welche, wenn etwas vorgefallen ist. Aber niemand meldete sich bei mir. Weder Mayumi noch Tama. Nur mit Yuki telefonierte ich ab und zu. Aber über Tama sprachen wir seitdem nicht einmal. Sie wusste auch nichts von dem was zwischen uns passierte. Wenn ich es ihr erzählen würde, müsste ich ihr alles erklären und das wollte ich nicht. Niemand sollte davon wissen. Es machte mich traurig, dass Tama sich nicht bei mir meldete. Aber was sollte ich schon erwarten? Bestimmt war er sauer auf mich... Was ich vollkommen nachvollziehen kann. Ich war ein Idiot...

Ich saß gedankenverloren im Wohnzimmer und zappte mich durch die verschiedensten Kanäle. Aber nirgends lief etwas halbwegs Interessantes. Heute war Heilig Abend. Das hieß, dass über all kitschige Weihnachtsfilme laufen. Mit den perfekten Familien, den perfekten Menschen und den perfekten Enden... Das frustrierte mich. Allein schon, weil ich so was nicht hatte. Ich schaltete den Fernseher aus und sah auf die Uhr. Bald würde mich Yukis Chauffeur abholen. Ich lehnte mich zurück. Ich hatte ein wenig Angst. Ich müsste aus meiner Wohnung um in das Auto zu steigen. Er könnte mich dabei sehen. Aber ich hatte es Yuki versprochen. Ich schluckte. Da musste ich jetzt durch sonst würde ich es später garantiert bereuen. Ihr Geschenk lag verpackt neben mir auf dem Tisch und wartete darauf übergeben zu werden. Ich hatte überraschenderweise sogar Geschenkpapier gefunden und nicht nur Alufolie oder so was Ähnliches. Als ein schriller Klang ertönte zuckte ich zusammen. Das musste der Chauffeur sein. Hoffte ich zumindest. Ich nahm das Geschenk und ging zur Tür. Ich muss zugegeben, ich war ein wenig nervös. Eigentlich nicht ein wenig. Ich war unglaublich nervös. Was wäre, wenn es Tobio wäre? Zitternd öffnete ich dir Tür. Doch zu meiner Überraschung stand dort kein Tobio. Aber auch kein Mann im Anzug mit schwarzer Krawatte sondern ein blonder Mann, der eine normale Jeans und einen dunklen Kapuzenpullover trug. Geschätzt würde ich sagen, dass er nicht älter als 30 Jahre sein kann. Ich musste zugeben, dass ich mir einen Chauffeur vollkommenen anders vorgestellt hatte. Nicht so locker gekleidet und auch nicht so gut gelaunt. Schließlich war Heilig Abend und er musste trotzdem arbeiten.
»Bin ich hier richtig bei Yuma Kuroga?« fragte er höflich. In der rechten Hand hielt er einen einzigen Schlüssel, der höchstwahrscheinlich für sein Auto war.
»Ja. Sie sind der Chauffeur?« Er grinste und nickte anschließend zustimmend.
»Können wir sofort los?« wollte er wissen und sah mir in die Augen. Sein Blick hatte etwas Neugieriges... Und das war mir ein wenig unheimlich.
»Ja.. Ich hole nur noch meine Jacke. « sagte ich während ich ihm den Rücken zukehrte, meine Jacke holte und sie mir anzog, allerdings geöffnet ließ. Gemeinsam gingen wir zu dem schwarzen Auto mit den getönten Scheiben. Höflich lächelnd hielt er mir die Tür auf. Aber bevor ich einstieg sah ich mich nochmal um. Nirgends entdeckte ich Tobio. Er schien nicht hier zu sein. Hoffentlich hatte ich recht. Erleichtert stieg ich ein und sah aus dem Fenster. Wie lang wird die Fahrt wohl dauern? Der Chauffeur setzte sich hinters Lenkrad und fuhr sofort los. Er sah mich über den Rückspiegel an und musterte mich, während er sich überraschend gut auf den Verkehr konzentrierte.
»Und sie sind ein Freund von Yuki?« begann er skeptisch das Eis zu brechen. Er hielt gerade vor einer roten Ampel an. Er nannte sie also auch noch beim Vornamen. Ich war mir ziemlich sicher, dass Yukis Familie ziemlich gelassen ist. Und nicht so spießig wie meine angebliche "Familie". Doch mit denen mit bin ich nur blutsverwandt. Nicht mehr.
»Bin ich. Wir sind im selben Club.« murmelte ich und blickte etwas abwesend aus dem Fenster. Was meine Eltern gerade wohl machten? Vielleicht vermissten sie mich mich sogar ein kleines bisschen. Schließlich bin ich ihr einziges Kind und heute feiern sie ihr erstes Weihnachtsfest ohne mich. Ich seufzte. Schon wieder musste ich daran denken... Seit Tagen dominierten diese Fragen meine Gedanken. Doch noch mehr Gedanken machte ich mir um Tama. Ob er mich hasst? Trauerte er? Ich traue mich einfach nicht ihn anzurufen. Tama könnte mir Vorwürfe machen, mich beleidigen oder am schlimmsten... Mir sagen, dass er mich hasst. Allein schon der Gedanke daran bringt mich um...

Langsam fährt der Chauffeur in eine Einfahrt und hält schlussendlich an.
»Wir sind da.« sagte er freudig und stieg aus. Klischeehaft öffnete er mir die Tür, damit ich ebenfalls aufsteigen konnte.
»Danke.« murmelte ich und sah mich um. Wir standen vor einem schönen Haus mit großen Balkonen. In jedem Fenster leuchtete stimmungsvolle Weihnachtsbeleuchtung und ließen das Haus einladend und bequem wirken.
»Sie finden allein rein. Ich muss los. Ich wünsche euch noch eine schöne Feier. Auf Wiedersehen.« sagte er bevor er davon fuhr. Ich nahm es ihm nicht übel. Er hatte bestimmt auch eine Familie oder Freunde mit denen er feiern wollte. Ich ging zu der großen Holztür und klingelte. Das Geschenk hielt ich hinter meinem Rücken versteckt. Es dauerte auch nicht lang und Yuki riss die Tür auf und strahlte mich an. Sie trug eine rote Weihnachtsmannmütze auf den Kopf.
»Komm rein.« sagte sie und führte mich hinein. Meine Erwartungen wurden bestätigt. In diesem Haus war es tatsächlich einfach nur schön. Man fühlte sich sofort wohl. Nicht so wie bei meinen Eltern. Dort war alles so steril. Sie erlaubten sich keine Farbe außer Rot, Weiß und Schwarz, aber auch nur diese, weil sie angesagt sind. Schließlich mussten sie den Schein der perfekten Familie wahren. In jeder Hinsicht.
»Hier ist es echt schön.« staunte ich. Einige Kerzen standen auf Kommoden, erhellten den Raum und strahlten eine gewisse Wärme aus. Im Hintergrund ertönten leise Weihnachtslieder, die Yuki fröhlich mitsummte.
»Danke. Ich mag es auch sehr!« sagte Yuki verträumt. Bestimmt hatte sich ihre Familie viel Mühe bei der Einrichtung gegeben. Sie ging in einen größeren Raum und setzte sich auf ein Sofa. Ich setzte mich mit genügend Abstand neben sie. Neben einem Türbogen stand ein geschmückter Tannenbaum, der mit vielen kleinen Kugeln verziert war. Auf der Spitze thronte ein goldener Stern. Yuki blickte genau wie ich zu dem, meiner Meinung nach schönen Weihnachtsbaum. Ich sollte ihr wohl besser jetzt ihr Geschenk geben. Es war gerade ein passender Moment.
»Yuki... Ehm... Fröhliche Weihnachten!« sagte ich etwas verlegen, während ich ihr das Geschenk hin hielt. Sie lächelte mich an.
»Das wäre doch gar nicht nötig gewesen.« sprach sie. Nahm das Geschenk aber trotzdem an.
»Da-Darf ich es jetzt aufmachen?« fragte sie und starrte auf das weiß-rote Geschenkpapier. Ich nickte und sah ebenfalls auf das Geschenk. Sie öffnete es ordentlich und sah dann zu mir auf.
»Danke, Yuma.« Sie lächelte mich sanft an und umarmte mich kurz. Wirklich sehr kurz. So, dass ich nicht mal die Chance hatte irgendwie darauf zu reagieren. Aber schön war es trotzdem. Sie legte sich den Schal um den Hals. Tatsächlich stand er ihr recht gut.
»Ich hab auch etwas für dich. Du kannst rein kommen!« Der letzte Satz war nicht an mich gerichtet. Sie rief ihn jemanden zu, der sich ebenfalls in diesem Haus befand. Aber zu wem? Ich dachte, wir wären alleine hier. Und was hat das mit einem Geschenk zu tun? Und plötzlich kam jemand in das Zimmer und blieb unter dem Türbogen stehen. Es war Tama... Er trug einen edel aussehenden Anzug und in seiner Hand befand sich ein wunderschöner Rosenstrauß...

Farewell (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt