27 Deletion, Erhobene Hände und Hotelzimmer

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Es ist mittlerweile Montag früh. Kayden und ich haben nicht mehr geschrieben und uns auch nicht gesehen. Edward war öfters bei ihm und Kayla hat Elli am Sonntag besucht.
Waren Alli und ich auch so schlimm als wir 15 waren? Wenn ja, tut es mir sehr leid, dass wir unsere Mitmenschen durch unlustige Sachen genervt haben. Meine Mum sehe ich nicht mehr so oft. Sie arbeitet viel, vermutlich um der Realität aus dem Weg zu gehen. Wie wir alle. Unsere Familie konnte noch nie gut mit Familiendramen umgehen.

Mum arbeitet dann immer so viel bis sie merkt, das die Realität sie eingeholt hat. Edward lässt den Arsch raushängen, trainiert doppelt so viel und betrinkt sich des Öfteren mal mit seinen Freunden. Elli versucht es gekonnt zu ignorieren. Jedoch höre ich sie abends manchmal weinen und sie dad's Namen schluchzen. Sie hat unseren Dad wirklich geliebt und er hat sie geliebt. Wenn ich sie dann höre, würde ich am liebsten selbst rüber gehen aber dann fällt mir ein, dass ich es besser nicht machen sollte. Sie würde mich sowieso nur rausschicken weil ich mich zu wenig um sie gekümmert habe, als Dad noch da war. Dann, wenn ich denke, mir ist es egal, es ist meine Schwester höre ich Edwards Stimme aus Ellis Zimmer und denke, so ist es besser. Und bei mir? Wie ich bei Familiendramenreagiere? Ich mache einfach nichts. Ich versuche dieses Drama aus meinem Leben zu löschen als ob es die Zeit davor nie geben hat. Als meine Großmutter starb habe ich alle Erinnerungen in einen Karton gepackt und sie für zwei Jahre aus meinem Leben verbannt. Als ich den Karton beim Aufräumen gefunden habe saß ich zwei Stunden auf meinem Bett und habe in Erinnerungen geschwelgt und schließlich die türkisen Ballettschuhe in dem alten französischen Karton in mein Regal gestellt.
Heut erinnere ich mich jeden Tag an die Schönen Zeiten mit ihr. Hoffe, dass sie im Jenseits ein wunderbares Leben hat und auf mich aufpasst. Ob das bei meinem Dad dasselbe ist, weiß ich nicht. Ich habe alle Erinnerungen, wie bei meiner Großmutter in einen Karton gepackt und auf den Speicher gestellt. Fotos, Geschenke und alles was mich an ihn erinnert hat. Selbst die Whiskeyflasche aus dem Wohnzimmer. Dies tat ich mit dem Gedanken, dass ich diesen Schmerz irgendwann nicht mehr fühlen werde und dann werde ich den Karton rausholen.

Doch darauf kann er noch lange warten. Es wird bestimmt erst nach meinem Abschluss sein. Nachdem ich mein College abgeschlossen habe. Vielleicht sogar erst wenn ich selbst Kinder habe. Jetzt verspüre ich nur einen großen Hass gegenüber meinem Vater.

Genauso einen großen Hass wie auf Biologie. Als ob ich beim Balletttanzen wissen müsste, wie die Transkription oder Mutation funktioniert. Mr. Miller kann mich mal. Dieser Arsch nimmt mich immer dran. Egal ob ich es weiß oder nicht weiß und wenn ich es nicht weiß fragt er, mit einer Gehässigkeit in der Stimme, die Klasse und nimmt dann Schweine-Karla dran, die mich mit einem Blick anschaut der genauso gehässig ist wie die Stimme von Mr. Miller. Die stecken unter einer Decke.
Eine Psycho-Klassenkameradin und ein Psycho-Lehrer. Passt doch. „Emily! Kannst du mir sagen was bei der Deletion passiert?" fragt Mr.Miller alias Mr.Psycho. „Natürlich kann ich das! Bei der Deletion werden einzelne Nucleotidpaare der DNA sozusagen gelöscht." Erkläre ich und sehe wie Mr. Miller erschrocken drein schaut. „Das ist Korrekt. Tom! Was passiert bei der Inversion?" fragt er nun Tom. Aber ab da höre ich nicht mehr mit. Ich werde auch nicht mehr dran genommen und kann wieder in meine Gedanken abschweifen bis zum Klingen.

Ich verlasse den stickigen Biolehrraum und begebe mich zu meinem Schließfach, welches um die Ecke liegt. An meinem Schließfach angekommen schmeiße ich mein Biobuch hinein und nehme mein Italienisch Buch heraus. Ich schaue in den kleinen Spiegel den ich in der Innenseite der Tür angebracht habe.

Ein 17-jähriges Mädchen schaut mich emotionslos an. Ihre Blonden glatten Haare fallen ohne Glanz über ihre Schultern und Augenringe zieren ihre blau-brauen Augen, trotz Concealer.

„Was guckst du so trüb Seelig?" fragt eine mir bekannte Stimme. Edvin. „Ich überlege." Sage ich, wende mich aber nicht von meinem Spiegelbild ab. „Und worüber?" fragt er, umfasst meine Taille von hinten mit seinen Armen und legt seinen Kopf auf meine rechte Schulter. „Über alles! Weißt du was ich brauche?" frage ich mit einem Lächeln, denn mir kam gerade eine Idee. „Ne! Aber du wirst sie mir hoffentlich schnell sagen, denn ich habe Hunger und Alli wartet bestimmt." Jammert er und entfernt sich von mir. „Das lass mal eine Überraschung sein!"

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