Kapitel Sechs

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So kompliziert war es dann doch nicht gewesen. Einen Termin hatten wir also. Jetzt musste ich nur noch meinen Vater fragen, ob ich er mich da entbehren konnte. Bis jetzt hatte ich keine Termine in meinem Arbeitsplan gehabt. Außerdem war es Ende Juni, da waren kaum Urlauber da. Die Ferien begannen zu großen Teilen erst in einem Monat, deshalb hatte ich Zeit en masse, aber auch Arbeit mit Pferden, die nicht geritten wurden. Manchmal wünschte ich, Merle würde öfter zum Reiten vorbeikommen und mir damit Arbeit abnehmen. 


Der nächste Tag verging wie im Flug. Wir hatten einige Pferde Korrektur zu reiten, woran sich netterweise mein Vater auch beteiligte. Eigentlich war es beinahe Massenabfertigung, denn teilweise übergab ich Pferde an Hinnerk und bekam dafür gleich ein neues zurück. Deshalb hatte ich auch gar keine Zeit, wirklich über den folgenden Tag und den Ausritt nachzudenken. Erst am Morgen dieses Tages fiel mir dann ein, was auf mich zukam. Genauer gesagt, als ich gerade meinen ersten Kaffee des Tages genoss. "Oh, shit...", murmelte ich vor mich hin. 

"Guten Morgen!", trällerte es da auch schon hinter dem Sichtschutzzaun hervor. Wenige Sekunden später lugte eine etwas ältere Dame an der Seite hervor. 

"Moin.", begrüßte ich sie schlicht, aber freundlich. So früh morgens - es war gerade erst kurz vor Acht, doch die Sonne lockte scheinbar einige aus ihren Löchern - war ich einfach noch nicht zu anständigen Konversationen mit Feriengästen fähig.

"Sie müssen die Tochter von Frau Hansen sein. Wir würden gern eine Kutschfahrt buchen. Wen müssten wir denn da ansprechen?", plapperte sie munter weiter und kam zu mir auf meine kleine Holzbolenterrasse. Seufzend richtete ich mich etwas mehr auf in meinem Stuhl und fuhr mir durch die Haare.

"Am besten kommen Sie zu uns auf den Hof. Da ist mein Vater eigentlich immer anzutreffen, ansonsten einfach mal anrufen und auf den AB sprechen.", erklärte ich ruhig und lächelte sie dann freundlich an, in der Hoffnung, sie würde sich damit zufrieden geben. Was sie tat. Ihr Glück...


"Ehm... Chaos?", antwortete ich auf die aufgebrachte Frage meines Vaters, was ich hier sah.

"Nein, das ist schon kein Spaß mehr! Das ist kriminell, Lissa!" Er regte sich schrecklich auf, selten sah man den eigentlich so ausgeglichenen Mann so wie jetzt. "Ich... ich werde die Polizei rufen müssen.", murmelte er schließlich vor sich hin und wandte sich nachdenklich ab. 

"Papa, das sind bestimmt nur irgendwelche Kinder von der Insel, die einen dummen Streich spielen.", versuchte ich ihn zu beruhigen. 

"Was gedenkst du denn zu tun? Kameras anbringen? Wache halten?"

"Wieso nicht Wache halten? Ist doch keine blöde Idee." Meine Zustimmung zu einer seiner Ideen überraschte ihn, gleichzeitig musste er aber grinsen. 

"Dann such schonmal deinen Schlafsack raus, das werden lange Nächte." 


Wo hatte ich mich da bloß reingeritten? Und dieses Mal meinte ich wirklich die Wachaktion und nicht den Ausritt, der mir heute bevorstand. Im Gegensatz zu Nächten im Stall war dieser Ausritt die entspannteste Sache der Welt, selbst wenn ich mich mit diesem verrückten Iren herumschlagen musste. Wenigstens stand mir meine bessere Hälfte zur Seite - Griffin, der gerade noch genüsslich am langen Strick auf dem Grünstreifen im Innenhof graste. Ich hatte ihn schon geputzt, seine Ausrüstung bereit gelegt und wartete nun schon 10 Minuten auf Ciarán. Wo blieb der Typ?! 

Mit geschlossenen Augen hatte ich mein Gesicht gen Himmel und gen Sonne gewandt und ließ meine Gedanken schweifen. Was wollte Ciarán bloß von mir und was genau machte er eigentlich hier auf Föhr? Zwar verdienten auch aufstrebende, junge, gutaussehende Springreiter ein bisschen Ruhe und Frieden im Urlaub, aber den konnte man auch in viel besseren Ställen haben als in Alkersum. Vielleicht sollte ich ihn einfach Fragen, kostete ja schließlich nichts. Ja, das war-

Und schon wurde ich von Hufgetrappel aus meinen Gedanken gerissen. Als ich die Augen öffnete sah ich gerade noch die letzten Trabausläufer, ehe der Braune etwas widerwillig zum Stehen kam und unwillig mit dem Kopf schlug. 

"Sch, Bucca, it's fine. Everything's fine.", redete sein Reiter beruhigend auf ihn ein, während er dann auch schon, als wäre sein Pferd komplett ruhig, abstieg und seinen Blick auf mich richtete. "Können wir dann?" Sein jungenhaftes Grinsen ließ Grübchen in seinen Mundwinkeln erscheinen und ließ ihn jünger wirken, als er war. Zugegeben, 22 Jahre waren nicht alt - und dennoch...

"Willst du das da nicht erstmal beruhigen? Sieht nicht gerade so aus als hätte Bucca viel Spaß gerade." Ich betrachtete den Braunen skeptisch und stand langsam auf. Griffin war in weiser Vorraussicht schon etwas zur Seite ausgewichen, war aber wenig beeindruckt von dem anderen. 

"Das da ist fast immer so. Der spielt sich zu gern auf, weil er erst vor zwei Jahren gelegt wurde. Das ist keine Panik, er ist einfach nur bekloppt." Mit einem leichten Auflachen besah der Ire sein herumzappelndes Pferd. Mittlerweile tänzelte er nur noch ab und an herum und schlug dann und wann einmal mit dem großen Kopf. 

"Wie der Herr so das Gescherr...", murmelte ich nur und erntete ein verwirrtes "Hm?". Ich schüttelte nur schmunzelnd den Kopf. Irgendwie hatte ich doch jetzt schon etwas Spaß mit unserem Springass und seinem irren Gaul. Sollte dieser Ausritt wohl doch keine Qual werden? Wahrscheinlich war das von Bucca abhängig und ob er Lust hatte, seinen Reiter irgendwo abzusetzen. Wobei das tatsächlich im ersten Moment witzig sein könnte - bis ich dann das verrückte Pferd einfangen musste. 

Ich sattelte und trenste meinen Fuchs fix auf und schwang mich dann auf seinen Rücken. Ohne auf irgendetwas zu warten, trottete Griff auch schon los. Er kannte unsere Lieblingsstrecke zum Strand und wusste auch ganz genau, was heute auf dem Plan stand. Ich ließ ihn. Auf dem Platz oder in der Halle war das zwar ein No-go, doch draußen war ich weniger streng.

"Na, komm, deiner wollte doch schon seit fünf Minuten los!", rief ich nach hinten, wo Ciarán noch damit beschäftigt war, auf sein Pferd zu steigen, dass sich schon in Bewegung gesetzt hatte und Anstalten machte, Griffin hinterherzutraben. Wie ein erwachsener Mann neben einem Pferd herhüpfte, um sich in den Sattel schwingen zu können... Ich konnte einfach nicht anders als über diesen Anblick zu lachen. Und das sollte ein erfolgreicher Springreiter sein? Ich konnte es einfach nicht glauben!

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 01, 2016 ⏰

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Hufspuren im Sand (BSuaP-Spinoff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt