Kapitel 8

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„Und nun?" fragte ich Vyris. Er war schon wieder in Gedanken gewesen und starrte auf die Straße vor uns, an der gerade einige Damen auf dem Weg zum Markt vorbeiliefen und hell auflachten. „Nun? Ich weiß ob das richtig war oder wie ich es ihr beibringen soll. Nefra ist nicht gerade eine Person die alles akzeptiert, ich habe an einem Auftrag mit einer anderen Kriegerin zusammen gearbeitet und Nefra hätte sie beinahe umgebracht und hat sie stark verletzt – ich möchte nicht das dir das selbe passiert..." sagte er mit einem Luftzug und mit einer Schnelligkeit, dass ich gerade so die Wörter verstehen konnte. „Ich meinte bei unserem Auftrag. Ob wir einfach so in das Haus einbrechen sollen oder ob du eine andere Taktik hast." platzte ich in seinen Wasserfall aus Sätzen hinein und stoppte ihn somit. Bevor er etwas sagen konnte fügte ich hinzu: „Können wir vielleicht erst den Auftrag hinter uns bringen bevor wir so etwas bereden? Ich muss selbst erst ein mal nachdenken, aber ich hoffe du findest auch, dass der Auftrag vorgehen sollte." Vyris nickte. „Natürlich."

Es war später Abend und Vyris und ich saßen auf den Stufen eines großen Hauses und beobachteten den geräumigen Marktplatz. Dahinter prangte das Haus der Familie Betwar und man konnte schon von weit weg die vergitterten Fenster sehen. Seit einigen Stunden saßen wir hier und beobachteten nur das Haus. Panee war vor etwa einer Stunde in die Taverne ganz in der Nähe gegangen und seine Frau war laut Aussage des Hausmädchens seit einigen Tagen verreist, ihre Großmutter besuchen. Nun blieben noch die Kinder des Haushalts, auch hier hatten wir uns erkundigt und die drei Kinder standen kurz vor dem Auszug. Allerdings nur kurz und daher saßen Vyris und ich auf der Treppe und beobachteten, wann die letzten Lichter ausgingen. Wer schläft, löscht allgemein alle Kerzen und wer schläft, hört auch nichts. Als das letzte Licht ausgegangen war schlichen Vyris und ich uns an der Wand eines anderen Hauses in die Nähe des Anwesens. Unsere Rüstung half uns dabei, leicht und leise zu schleichen und so gelangten wir mühelos in den Garten des Hauses. Dass das Gartentor nicht eben so gut bewacht wurde wie das Eingangstor wunderte mich kurz, doch dann sah ich in einer mit Fellen ausgelegten Decke einige schwarze Schatten die sich als Hunde entpuppten. Hilfe suchend sah ich zu Vyris, während dieser zu den Hunden schlich und etwas aus seiner Tasche holte. „Was tust du da? Willst du die Hunde etwa vergiften?" fragte ich als er ein kleines Fläschchen aus der Tasche zog. „Schlafmittel – wenn man zu viel nimmt sterben sie, aber das soll nicht unsere Sorge sein." sagte er und träufelte das seltsam riechende Gemisch auf ein Stofftaschentuch und hielt es jedem Hund an die Nase. Sie schliefen zwar schon bevor Vyris ihnen das Mittel gegeben hatten, aber nun war ihr Schlaf ruhig und man hörte nur noch wenige, einzelne Atemzüge. Ich sah mich um, eine Tür vom Haus in den Garten gab es nicht. Vyris zeigte zwinkernd auf eine Art Holzplatte auf dem Boden. Nachdem wir sie gemeinsam angehoben hatten, bot sich uns ein Schacht an, groß genug, dass wir hindurch passen würden. Wir landeten in einem kleinen Weinkeller, der jedoch mit äußerst kostbaren Weinen ausgestattet war. Das Licht war gerade ausreichend, dass man Umrisse erkennen konnte, doch trotzdem erkannte ich am Ende des Raumes eine Tür. Sie war nicht ganz so mit Schlössern zugemauert wie die Außentüren und lies sich mit einem Dietrich leicht knacken. Nun standen Vyris und ich in einem großen Vorraum von dem zwei Treppen abgingen, die aber beide zu einer Etage führten. Wir schlichen angespannt die Treppe hoch, im Haus sagten wir nichts mehr, es war zu risikoreich. Das Haus war hübsch eingerichtet, überall lagen auf Samtkissen Amulette, Ketten, Armreifen und Ringe. Oben an der Treppe führte uns ein langer Gang zu den Schlafzimmern und schließlich zu einem Raum, der mit drei verschiedenen Schlössern gesichert worden war. Drei Kinder, drei Schlösser – Vyris und ich wussten was wir zu tun hatten. Ich schlich mich in das Schlafgemach des jüngsten Kindes, das Mädchen, das dort in ihrem Bett schlief, war kaum älter als ich. Ihr mittelbraunes gekämmtes Haar kräuselte sich auf dem edlen Kopfkissen und schimmerte im Licht, dass durch das vergitterte Fenster fiel. Ich musste nicht lange suchen, sie trug ihren Schlüssel an einer Kette um den Hals. Mit spitzen Fingern öffnete ich den Verschluss und konnte mir so den Schlüssel nehmen. Draußen stand Vyris schon mit den beiden Schlüsseln in der Hand, er hatte wahrscheinlich seine Kräfte genutzt und die Gedanken seiner schlafenden Opfer gelesen um zu erfahren, wo sie den Schlüssel trugen.

Raven - Tochter des SchicksalsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt