Kapitel 4

5.6K 285 10
                                    

Ich wachte auf, auch diesmal fielen mir die Sonnenstrahlen durch das kleine Fenster im Stall ins Gesicht und ließen mich blinzeln. Jeden Tag aufs neue dankte ich, dass ich noch nicht von meinem Pferd zertrampelt worden war da ich mit ihm in einem engen Raum schlafen musste. Er sah mich an und schnaubte mir ins Gesicht. Ich lächelte, langsam hatte ich ihn lieb gewonnen. Der einzige Freund den ich hier hatte, mein Arbeitgeber war zwar in gewissem Maße freundlich, aber ich kannte weder seinen Namen noch hatte ich länger als ein paar Sätze mit ihm geredet. Doch daraus schloss ich, dass er zufrieden mit meiner Arbeit war. Ich hatte nun schon vier Tage im Stall gearbeitet und als ich mich aufrichtete bemerkte ich, wie sehr ich mein Bett vermisste, auch wenn es auch mit Stroh gefüllt war. Aber es war dennoch weicher und angenehmer, mein ganzer Rücken schmerzte und meine Arme fühlten sich nicht besser an. Der Mann hatte mir für heute frei gegeben, solange ich die Pferde fütterte, da es sonst nichts zu tun gab. In den letzten Tagen hatte ich kaum Zeit gehabt mich in der Rubinstadt umzusehen, ich war lediglich auf dem Markt gewesen und hatte mir etwas Fleisch und Brot gekauft um nicht nur von Äpfeln leben zu müssen, die außerdem für die Pferde vorgesehen waren. Ich gähnte und lief wie aus Routine zur Scheune, holte das Heu heraus und gab jedem der Pferde jeweils einen großen Arm voll. Der Mann stand an der Wand des Hauses gelehnt da und beobachtete mich, das tat er oft. Er hatte mich hin und wieder von dort aus beobachtet, aber hin und wieder stand er auch im Stall. Geredet hatte er wenig, aber damit war ich selbst mehr als einverstanden. Ich konnte nicht wissen ob er für den Orden der Diebe war oder dagegen, vielleicht wusste er nicht einmal davon. Ich sah ihn nicht genauer an, es konnte ihm schlichtweg egal sein, was ich in meiner Freizeit anstellen würde. Nachdem ich die Box geschlossen hatte schnappte ich mir meinen Rucksack und machte mich auf den Weg in die Rubinstadt, ich hatte nicht vor noch viel länger zu bleiben, aber ich wusste nicht wo ich hin sollte. Irgendwo sollte es doch einen Hinweis auf den Orden der Diebe geben, das Pferd auf das mich Callum gesetzt hatte ist nur in die Richtung gelaufen, in die mich Callum auch geleitet hatte. Und wir sind genau auf die Rubinstadt zugeritten, wir hatten keinen Richtungswechsel unternommen.

Die Stadt sah von innen etwa so aus wie von außen, sie war größtenteils aus normalem Stein, aber überall gab es Rubinornamente, -statuen und -brunnen. Auf dem Markt gab es viele Stände, doch ich hatte nicht genug Geld um mir mehr als einige Lebensmittel zu kaufen. Ich bewunderte immer wieder den Schmuck und die Kleidung die wunderschön waren, aber dennoch viel zu teuer. In dieser Stadt gab es viele Wohnhäuser, die Straßen waren gut gefüllt, es gab viele Bewohner in dieser Stadt. Allerdings gab es auch viele Läden in denen ich zu gerne etwas gekauft hätte, aber nicht wagte hineinzugehen.

Ich lief umher und sah mich um, bald schon entschied ich mich in eine Taverne zu gehen. Eine Taverne war das Zentrum der Stadt für Reisende, für Herrschaftsfamilien und andere reiche Leute war es natürlich der Pavillon, aber ich musste mich mit einer Taverne zu Frieden geben. Als ich die schwere Tür öffnete schlug mir der Geruch von Wein, Met und gewürztem Tee entgegen. Ich atmete ein, den selben Geruch kannte ich aus Myrposa.

Ich setzte mich an einen der vorderen Tische und überlegte wie es weiter gehen sollte, ich hatte keine Ahnung und das schon seit Tagen. Die Taverne gut gefüllt, es gab wenige freie Tische und eine Bedienung hastete zwischen ihnen hin und her. Als sie abgehetzt zu mir kam konnte man in ihren Augen die Dankbarkeit einer Verschnaufpause sehen. „Macht Euch keinen Stress. Ich nehme nur einen Wein." sagte ich freundlich und hob eine Gabel auf, die sie verloren hatte. Sie hatte auf beiden Händen Teller und Tabletts gestapelt und keine Hand frei. Ich legte die Gabel auf einen Teller und während sie mir ein freundliches Lächeln schenkte hatte ich meine Hand schon in ihrem Geldbeutel versenkt und blitzschnell einige Goldmünzen geklaut. Sie hatte nichts bemerkt, aber daran hatte ich nicht gedacht – meine Erfolgsquote war seit einigen Jahren bei hundert Prozent. Mich bemerkte kaum jemand, aber dennoch stahl ich nicht wirklich viel, es sei denn ich hatte einen Auftrag. Gestohlene Ware verkaufte sich schlecht, aber für mich selbst konnte ich hin und wieder schon etwas mitgehen lassen. „Das war aber nicht nett." sagte eine Stimme hinter mir, ich brauchte mich nicht umdrehen, denn der Mann trat aus dem Schatten vor mich und nahm sich einen Stuhl. Der Mann der vor mir saß hätte auf jeden anderen bedrohlich gewirkt, er hatte eine schwarze Stoff- und Lederrüstung an und trug eine Kapuze die er tief ins Gesicht gezogen hatte. Ich hatte meine Hand instinktiv an dem Messer am Gürtel. „Ich bin generell nicht sehr nett." antwortete ich knapp und musterte ihn. Seine Rüstung war etwas abgewetzt aber nicht kaputt und wirkte trotz der kleinen Schnittstellen tiefschwarz. Der Mann lächelte kurz. „Wer bist du, Mädchen?" fragte er mich. „Das werde ich einem dahergelaufenem Mann in einer Taverne doch nicht sagen." ich konnte schnell antworten und musste nicht lange überlegen was ich sagte. Er sah mich nur mit hochgezogener Augenbraue an. „Mein Name ist Vyris. So schwer ist das nicht, siehst du?" fragte er nun lachend. Ich zögerte nun etwas. „Ich bin Raven." antwortete ich ihm dann doch. Die Bedienung brachte meinen Wein und ich bezahlte mit dem ihr eben gestohlenen Geld. Dann sah ich Vyris wieder an während ich am Wein nippte. „Darf so ein kleines Mädchen denn schon Wein trinken?" fragte er mich provozierend. „Ich bin alt genug." antwortete ich nur knapp und kippte demonstrativ den ganzen Wein herunter. „Du bist fünfzehn Jahre alt, das weiß ich." sagte er nur und sah mich mit einem gelangweilten Blick an. Ich versuchte nicht sehr erstaunt auszusehen, aber ich war es. „Woher weißt du das?" fragte ich. Er lachte wieder. „Ich habe so meine Quellen." Er grinste. „Aber viel wichtiger ist der Grund warum ich dich angesprochen habe. Du hast etwas in deiner Tasche, zeig es mir." forderte er. „Ich bin ein einfacher Wanderer der hier und da ein wenig mehr Zeit in Städten verbringt." sagte ich nur. „Was sollte ich in meiner Tasche haben?" „Du weißt es." kam die Antwort nur knapp und für einen Moment hatte ich das Gefühl er blickte mir in die Seele, ich fühlte pure Entspannung. Es war wie eine Welle die von ihm aus auf mich zu geschwappt war und durch mich durch floss. „Du weißt es!" hörte ich noch einmal von ihm, allerdings hörte ich diesmal seine Stimme in meinem Kopf. Es war rein telepathisch, über seine Lippen kam kein einziges Wort. Ich nickte nur, ich hatte verstanden, dass er wirklich wusste was er wollte. Vielleicht könnte er mir ja auch weiter helfen. Ich sah mich um, die Taverne war immer noch sehr voll und ich sah Säufer, Pilger, Bürger und Händler. Dann holte ich die Statue heraus. Sie zog mich immer noch in ihren Bann, aber ich hatte mich etwas daran gewöhnt. Vyris sah mich an, musterte mich, dann blickte er zur Statue. „Du kannst sie tragen." flüsterte er. „Du weißt Bescheid?" fragte ich flüsternd zurück. Er grinste wieder, dann ergriff er die Statue und hob sie hoch. Ich war zu überrascht etwas zu sagen, ich war nicht darauf gefasst gewesen. War er etwa auch Bestimmt dem Orden beizutreten? „Pack sie wieder ein, wir müssen wo anders reden. Komm mit!" sagte er und ich packte schnell alles ein. „Ich frage mich schon die ganze Zeit warum man so früh in eine Taverne geht wenn man nicht jemanden sucht, aber diese Stadt kommt mir auch so schon komisch genug vor." sagte er zu mir als er nach draußen trat. Erst jetzt fiel mir auf, dass eine Taverne um diese Uhrzeit nicht gut besucht sein sollte, es war erst kurz vor Mittag.

Raven - Tochter des SchicksalsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt