3. Miese Laune

34 2 0
                                    

Der restliche Morgen verläuft nach Stundenplan. Ich besuche oftmals die selben Kurse wie meine Freunde und so bin ich nur selten alleine in und vor einer Unterrichtsstunde, was mir ganz gelegen kommt. Die erste Stunde ist Erdkunde bei Mr. Brown, ein älterer Herr mit mausgrauen Augen und Stressfalten auf der Stirn, der stets Hemd und Jackett trägt und die Haare streng nach hinten kämmt. Äußerlich wirkt er sehr ernst und verbissen, doch ich glaube, dass er einen weichen Kern hat und ich schätze seine Fähigkeiten als Lehrer sehr und das ist die Hauptsache. Es verlangt ja keiner, dass wir Schüler und er beste Freunde werden. Ich hatte ihn letztes Jahr schon in Geschichte, wie auch dieses Jahr und Erdkunde kommt noch als zweites Fach hinzu, ich werde ihn also recht häufig zu Gesicht bekommen.

Ich teile mir einen Zweiertisch mit Tiffany in der zweiten Reihe genau hinter Matthew, der sich somit ab und an zu uns umdreht und mit uns quatscht, solange der Lehrer gerade nicht hinsieht.

In der zweiten und dritten Stunde haben wir Mathe bei Margrit Chesshire, ebenfalls eine recht ernste Person, die aber einige Lachfalten um die Augen hat. Vor uns lacht sie nie, diese hagere und verklemmte Frau, aber es heißt, dass sie gerade Großmutter geworden ist und deswegen vermutlich etwas nachsichtiger mit ihren Schülern sein wird.

Auf Mathe folgt Englisch bei Pete Eccleston, ebenfalls im zwei-Stunden-Block und dann ist Mittagspause. Der Schultag heute bestand größtenteils aus organisatorischem Krimskrams, dennoch könnte man meinen, jeder Schüler hätte nach den 5 Schulstunden schon zwei Klausuren hinter sich. Die Gesichter sind angespannt und die Haltungen verkrampft, vor allem in der Abschlussklasse. Nach den langen, erholsamen Wochen in den Ferienhäusern ihrer Eltern und auf ihren Privatinseln, ist die Anstrengung eines normalen Montagmorgens ins nahezu Unermessliche gestiegen. Dazu kommt der enorme Leistungsdruck, der auf so mancher Schulter lastet, nur die Gedanken an den Stress der bald folgen wird, stresst die meisten schon total.

Auch an mir geht das alles nicht einflusslos vorbei. Die gute Laune, die mich heute Morgen nach dem Aufstehen ergriffen hat, ist abgeebt und macht einer eher neutralen Stimmung Platz. Ob wegen der dauernden Streitereien mit September oder schlicht und einfach der Tatsache, dass heute der Anfang eines neuen langen Jahres ist, das viel Anstrengung und Leistung von mir abverlangen wird, kann ich nicht genau sagen. Und dabei habe ich mich doch die ganze Zeit auf den heutigen Tag gefreut. Ich habe mich in den Ferien mental wie materiell darauf vorbereitet, eine Abschlussschülerin zu sein und jetzt werde ich mir nicht die Laune vermiesen lassen.

Leichter gesagt als getan, muss ich jedoch bald feststellen, denn beim Essen herrscht keine besonders gute Stimmung. Tiffany simst die ganze Zeit irgendjemandem, Ruth stochert nur in ihrem Salat herum und das einzige Mal, dass Dexter den Mund aufmacht, ist, als er sich darüber beschwert, dass seine Suppe fade ist.

Der einzige Fröhliche am Tisch ist Matthews. Er erzählt mir von seinen Ferien in California und schwärmt von den Surfstunden, die er dort genommen hat. Seine Eltern sind beide Bankleute und verdienen damit ein kleines Vermögen, das ihrem Sohn so einiges ermöglichen kann. Nur Zeit haben sie laut Matt nie, ein Symptom, das wohl die meisten von uns anderen ebenfalls kennen. Wie zur Bestätigung schnaubt Ruth daraufhin nur und ich frage mich zum wiederholten Mal, was heute mit ihr los sein mag. Ich kenne Ruth. Sie ist oft genervt und kann im Zweifelsfall ein ziemliches Miststück werden, aber heute ist es ganz besonders schlimm. Auch Matt beäugt sie zweifelnd und zuckt dann mit den Schulten. Wie als Antwort rolle ich bloß mit den Augen.

Ein paar Tische weiter sitzt September mit einigen Freunden und Freundinnen, ich kann auch das Mädchen von heute Morgen im Saal ausmachen, welches ihm gegenübersitzt und in ihren kleinen Handspiegel schaut. Jetzt erst erkenne ich sie.

„Ach, dann war das heute Früh Marilou", sage ich so in die Stille hinein.

„Marilou Norman?" ,Tiffany schaut interessiert von ihrem Handy auf.

The September AffairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt