Kapitel 1

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Ring-ring. Ring-ring-riiing. " Ja, hallo? Rezeption Eleanor-Cedrics-Krankenhaus für innere Medizin und plastische Chirurgie, was kann ich für Sie tun? " Ich laufe an Ashley von der Anmeldung vorbei, die gerade damit beschäftigt ist, ihre falschen Fingernägel - die man durchaus als Krallen bezeichnen könnte- intensiv zu betrachten, während sie irgendeinem armen Schwein verklickert, dass Doktor Connery heute keinen Termin mehr zu vergeben hätte. Ich nicke ihr im vorbeigehen zu und trete durch die automatische Tür. Endlich draußen! Ich atme tief die kalte Winterluft ein, die mir erbarmungslos ins Gesicht schlägt und sehe den Schneeflocken ein paar Minuten zu, die lautlos vom grauen Himmel fallen und sich dann am Rand des Bürgersteigs zu schmutzig weißen Häufchen sammeln. Wie ich dieses Praktikum hasse! Dieser widerliche Geruch aus Schweiß, Heizungsluft und Desinfektionsmittel, die unfreundlichen Ärzte, die ihre Nasen ein paar Kilometer zu hoch tragen und mich ihrer Meinung nach nicht wahrnehmen müssen und vor allem die alternde Kaffeemaschine, die statt eines duftenden Latte Macchiato bloß eine lauwarme, müde Suppe , die den Namen Kaffee nicht verdient, ausspuckt. Ich ziehe mir ein Ticket für die U-Bahn und bleibe in der zugigen, dunklen Halle stehen. Nach qualvollen 10 Minuten kommt endlich eine angerauscht, ich steige ein und bin nach drei Haltestellen endlich zu Hause. " Liza? Hast du eingekauft? " schallt mir die Stimme von Brian, der wie ich Medizin studiert, mein Mitbewohner ist und gerade über einem dicken Wälzer brütet , entgegen.  Statt einer Antwort grunze ich bloß ein undefinierbares Stöhngeräusch und füge dann ein " Kannst du das nicht machen?" hinzu. Er schaut mich über den Rand seines Buches entnervt an : " Ist das dein Ernst? Ich versuche gerade, eine Seminararbeit über den Zusammenhang von schlechter Ernährung und Schlaganfällen zu schreiben, hab schon aufgeräumt und die Post geholt, und du kannst nicht mal Milch, Brot und Müsli einkaufen?" Ich drehe mich auf dem Absatz um und sehe gerade noch, wie er grinst, als ich mir meinen Geldbeutel schnappe. Arschloch. 

Als ich mit zwei Tüten zurückkomme, lächelt er mich warm an und meint, dass er inzwischen gekocht habe. Na also, wenigstens das. Ich muss schon sagen, dass außer gelegentlichen Streitereien um Putzdienst und Einkaufen die Stimmung in unserer WG  durchaus harmonisch ist. Ich decke schnell den Tisch und lasse mich dann auf einen der Stühle nieder, die wir auf dem Flohmarkt entdeckt und selbst neu gestrichen haben. Brian kommt mit einer dampfenden Form aus unserer winzigen Küche. "Wie war denn dein Tag heute? Hat dich dieser McRoy schon wieder so terrorisiert?" fragt er mich, merkt anhand meines Gesichtsausdrucks aber anscheinend, dass er eine rhetorische Frage gestellt hat. "So schlimm?" Ich nicke wortlos und säbele mir ein Stück des Auflaufs herunter. "Ach, vergiss diesen Idioten und preise lieber meinen genialen Brokkoli-Auflauf!" Ich lächele ihn schief an und erkläre ihm, dass seine Kochkünste einen wesentlichen Teil meiner Sympathie für ihn ausmachen. Nachdem wir noch eine Komödie und die Spätnachrichten angesehen haben, verkünde ich, dass ich jetzt ins Bett gehen wolle, was ich dann auch in die Tat umsetze, ins Bad schlurfe und mich abschminke und Zähne putze. Als er ebenfalls hereinkommt und sich seines T-Shirts entledigt (was sein nicht zu verachtendes Sixpack zum Vorschein bringt) sagt er: "Ist übrigens n Brief für dich gekommen. Bist du schon wieder zu schnell mit MEINEM Auto gefahren? Ist nämlich von den Bullen." Ich sehe ihn skeptisch an und gehe ins Wohnzimmer, wo ich einen Stapel Post von der Kommode fege und den Brief entdecke. 'Wird eh nichts schlimmes sein...das kann ich morgen auch noch lesen' entscheide ich und lege ihn zurück. Dann gehe ich endgültig ins Bett. 

                                                                       *

Wie findet ihr die Geschichte bis hierhin? ;)




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