Prolog

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Prolog

Niemand ist da. 

Aber wenn irgendjemand um diese Zeit hier an unserem heruntergekommenen Haus am Ende der Gasse vorbeikommen würde, würde er oder sie ein kleines Mädchen am hellerleuchteten Küchenfenster sitzen sehen. Sie kauert in einem gelben Pyjama mit kleinen Booten darauf auf der Anrichte neben der Spüle und summt in das Dämmerlicht des frühen Abends.

Sie starrt auf das kleine Stück Asphalt, das von der letzten noch funktionierenden Straßenlaterne im Viertel in gedämpftes Licht getaucht wird. 

Ein paar verirrte Nachtfalter schwirren um die flackernde Birne, ihre Schatten tanzen auf dem Boden wie kleine Geister.

Auf einmal kommt von der Kreuzung, wo die Gasse in eine Straße in Richtung Stadtzentrum mündet, eine torkelnde Gestalt auf die Baracke zu.  

Kurz darauf steht der große Mann im fahlen Licht der Laterne vor dem Haus. Schweiß glänzt auf seiner Glatze. Langsam hebt er den Kopf zum erhellten Fenster. Obwohl er seinen hellgrauen Bart morgens immer rasiert, überzieht schon wieder ein leichter Schatten seine Wangen. Er lässt das ausdruckslose Gesicht noch härter wirken. Die starren Augen unter den blassen Brauen mustern die Fassade, sein Blick gleitet über das Fenster zur Treppe. 

Das Mädchen in der Küche erstarrt, als er diese langsam heraufsteigt. Das Holz der Veranda knarzt unter seinen schweren Schritten, dann tritt er die Tür auf. 

Hilfesuchend, panisch schaut die Kleine zu einer weiteren Gestalt, die wie erstarrt auf einem Küchenstuhl sitzt. Die junge Frau zittert in ihrem weißen Nachthemd, das ihr eigentlich viel zu groß ist. Sie hat die Beine angezogen und die Arme um die Knie geschlungen, wie um sich selbst Halt zu geben. Mit vor Angst geweiteten Augen erwartet sie das Erscheinen ihres Mannes in der Tür. Mit einem Knall schlägt die Haustür zu, dann steht er in der Küchentür. Sekundenlang herrscht Stille. 'Luana.' Es ist unmissverständlich ein Befehl. Die junge Frau am Küchentisch senkt schnell den Blick und zieht die Arme noch enger um sich, wie um dem Unvermeidlichen zu entkommen. 

Mit zwei schnellen Schritten ist er am Tisch und hebt sie sich einfach über die Schulter, wobei der Stuhl umfällt. Sie schreit, beißt und kratzt wie eine Furie, aber er trägt sie einfach aus der Küche, über den Flur in das gegenüberliegende Zimmer, als würde er ihren Protest gar nicht mitbekommen. 

Sobald sie aus der Tür sind, springt das Mädchen auf den Fliesenboden und tapst zum Küchentisch. Sie richtet den Stuhl wieder auf und setzte sich darauf, die Knie angezogen wie ihre Mutter zuvor.

Er hat sich nicht die Mühe gemacht, die Tür zu schließen. Aber auch das Licht hat er ausgelassen und so kann man nur hören, was drüben passiert. Ruhig schaut die Kleine in die Dunkelheit außerhalb der Küche. Hilflos. Einsam. Ängstlich. 

Sie weiß, was dort passiert. Sie hat es oft genug mitbekommen. Das Bett scheint aufzuscheien, als ihr Vater ihre Mutter darauf wirft. 'Nein, Nein! ', schreit diese, wird aber von einem Grunzen unterbrochen, gefolgt von einem weiteren Quietschen der Federn, als er sich neben sie wirft. 

Dann ertönt heftiges Atmen und das Geraschel von Stoff. Sie versucht immer sich zu wehren, obwohl es nichts nützt. Viellicht widersetzt sie sich auch nur, um Hinauszuzögern, was sie ohnehin nicht verhindern kann. Niemand kann das oder wahrscheinlich will es einfach niemand. 

Plötzlich ertönt das Klatschen einer Ohrfeige gefolgt von einigen dumpfen Schlägen und dann ein leichtes Wimmern. Das Geräusch der gequälten Federn ertönt bei jeder ihrer Bewegung. 

Der Kampf auf der anderen Seite des Flurs nähert sich dem Höhepunkt, dann endet er abrupt mit dem Reißen von Stoff. Ein Klicken ertönt, als er seinen Gürtel öffnet. Kurz ist es still und dann zerreißt ein Schrei die Nacht gefolgt von heftigem Schluchzen. Rhythmische Quietschgeräusche, kurz angebundene Atemzüge. Nur noch einmal versucht die Frau es zu beenden, doch er wird noch schneller und sie gibt auf.

Irgendwann schläft er ein und beginnt zu Schnarchen. Schnell springt das Mädchen auf und kehrt zu ihrem Platz am Fenster zurück. Kurz darauf wird die Tür zum Schlafzimmer geschlossen und mit leisen Schritten schleicht die Gestalt der Mutter auf die Veranda und setzt sich auf die Treppe. Das weiße Nachthemd hängt zerfetzt an ihrem Körper und eine laue Brise lässt sie frösteln. Sie verschränkt die Arme und legt den Kopf in den Nacken. Ein nasser Glanz tritt in ihre Augen, als sie zu den Sternen hinaufsieht. Leise fängt sie an zu summen, die gleiche Melodie, wie ihre Tochter zuvor, aber stockender, zittrig holt sie Luft. Bald steht sie auf und geht zurück ins Haus ohne ihr Mädchen zu beachten. Ihre Schritte entfernen sich in Richtung Wohnzimmer und die kleine Gestalt am Fenster bleibt alleine mit der flimmernden Straßenlaterne. 

Sie stützt den Kopf in die Hände und setzt die Melodie fort. Als alles ruhig bleibt in der Straße, im Haus, fängt sie leise an zu singen. Die Worte scheinen die Traurigkeit wegzuwischen und zaubern ein Lächeln auf das junge Gesicht.

Irgendwann hört sie auf zu singen. Irgendwann schläft sie ein.

Ich habe oft an diesem Fenster gesessen, ich habe oft geweint. Und immer habe ich mir diese eine Frage gestellt: Warum ist da niemand, der vorbeikommt und es sieht? Warum weiß niemand, was Nacht für Nacht hier passiert? Warum scheint sich die Welt von unserem Haus abzuwenden, sobald die Sonne untergeht und er nach Hause kommt? Ich weiß es nicht. Vielleicht ist das Schreien des Bettes einfach zu leise, vielleicht der Schmerz zu klein? Aber das ist es nicht. Die Welt könnte hiervon wissen, jedes schmutzige Detail. Aber sie weiß es nicht. Weil es der Welt egal ist.

***

Sooo leuts ich hoffe der Prolog hat euch gefallen, danke fürs lesen:)

An alle directioner die das lesen: Diese Story wird keine fanfic, ABER ich hab einen zweiten teil mit one direction angefangen, anbei is der link. Das is sozusagen die Vorgeschichte, die vllt manchmal beim verständnis von 'Welcome to my life' helfen kann.

dieses wochenende kommt ein neues Kapitel raus;) bis dann

Xx julia

Mein LiedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt