»Vor 50 Jahren gelang den hellsten Köpfen unseres Planeten ein großer Schritt in der Raumfahrt – denn sie erfanden einen Shuttle, mit dem sie sich mit hoher Geschwindigkeit durch den Weltraum bewegen konnten. Diesem Fortschritt verdankten wir, dass wir schließlich unser eigenes Sternensystem verlassen und uns auf die Suche nach neuem Leben machen konnten. Nach einem Jahrzehnt fanden sie schließlich, was alle zuvor noch für unmöglich gehalten hatten. Sie fanden eine andere Galaxie, mit einem eigenen Sonnensystem. Und auf einen dieser Planeten fanden sie sogar Leben«, ertönte die Stimme von Gabriele Giles aus dem vor mir im Sitz eingebauten Bildschirm. Ihr Blick durchbohrte mich.
Doch das entging mir fast, da ich, wie fast jeder, wenn sie sprach, nur auf ihre schmalen Lippen achten konnte. Diese waren in aller Munde. Denn obwohl ihre Worte klar und deutlich waren, schienen sich ihre Lippen beim Sprechen nicht zu bewegen. Sie zuckten nicht einen Millimeter. Das, gepaart mit ihren Segelohren und ihrem unausstehlichen Charakter, machte eine der wichtigsten Repräsentantinnen unseres Landes zur Lachnummer der ganzen Welt.
»In der damaligen Zeit hätten die Menschen nie zu glauben gewagt, dass sie jemals einen Planeten finden würden, geschweige denn einen auf dem die Lebensbedingungen denen der Erde so glichen. Er wurde und wird noch heute von menschenähnlichen Lebewesen bewohnt. In der Kultur und Geschichte der Erde gab es schon früh Mythen von außerirdischen Lebewesen oder wie die Menschen sie nannten Aliens. Doch die Personen, die daran glaubten, wurden oft für verrückt gehalten und nicht ernst genommen. Wer hätte gedacht, dass sie Recht behalten würden und sich ihre Hirngespinste wenige Jahrzehnte später als Wissenschaft festsetzen würden? Niemand. Vor allem nicht, dass sie uns so ähnlich sein würden. Natürlich waren sie nicht genau wie wir. Sie waren eher so wie unsere Vorfahren, die Steinzeitmenschen. Unterentwickelt und barbarisch. Ohne Manieren und mit einem rückständigen Wort– und Wissensschatz. Deshalb gaben die Entdecker ihnen den Namen Stones.« Die Frau machte eine kurze, bedeutungsvolle Pause.
Wir haben in den letzten 20 Jahren große Fortschritte gemacht und ein Zusammenleben ist nun möglich. Durch Bildung, neue Kleidung und Nahrung fingen sie an uns zu vertrauen und so lehrten wir sie unsere Sprache und unsere Kultur. Immer mehr begeisterte uns ihre Intelligenz und ihr menschenähnliches Verhalten. Selbst heute noch überrascht es uns, dass eine Evolution an zwei verschiedenen Orten des Universums fast identisch gewesen ist. Die Wahrscheinlichkeit war unfassbar gering, kaum zu messen, dennoch trat das Unmögliche ein. So schrieb dieser Moment Geschichte – als der wohl größte Schritt der Menschheit!« Ihre Stimme klang euphorisch, voller Tatendrang.
»Bevor Sie ihr neues Leben antreten können, möchte ich noch betonen: Sie sollten damit rechnen, dass sie trotz aller Ähnlichkeiten nicht wie wir sind. Sie mögen zwar unsere Sprache sprechen und unter uns leben, dennoch bleiben sie gerne unter sich. Manche von ihnen weigerten sich – wie zuvor ihre Eltern – bei uns zu leben. Sie bevorzugten ihre Höhlen und zogen sich zurück, denn sie begrüßten unsere Hilfe nicht. Aber wir wissen, dass wir etwas Gutes bewirken. Der Meinung sind nämlich all die Neyfrem, die mit der Zeit zu uns gestoßen sind und unsere Hilfe angenommen haben. Wir geben ihnen alles Notwendige, um ein lebenswertes Leben zu führe. Also, herzlich Willkommen auf Gaia. Ich hoffe, dass Sie ein angenehmes Leben haben und dass ich all Ihre Fragen beantworten konnte«, sprach die Leiterin der Agentur für Zusammenleben auf Planeten Gaia und setzte ihr süffisantes Lächeln auf.
Mich wunderte, wie sympathisch sie während des Videos wirkte, aber ich und die halbe Welt wussten es besser. Durch ein Praktikum hatte ich das Vergnügen gehabt sie persönlich kennenzulernen. Eins konnte man mir glauben: sie war so ziemlich das Gegenteil von sympathisch. Ihr Lächeln war arrogant und aufgesetzt und die Art wie sie mit ihren Angestellten sprach, zeigte ihre wahre Persönlichkeit.
»In zwei Minuten erreichen wir unser Ziel. Vielen Dank, dass Sie mit Gaiaspaceshuttle geflogen sind. Wir hoffen, dass Sie einen angenehmen Flug hatten«, ertönte die Stimme des Piloten, nach einigen Minuten und riss mich aus meinen Gedanken. Ich sah aus dem Fenster. Um uns herum konnte ich nur Schwärze ausmachen. Abgesehen von den weißen Sternen die hier und da mal aufblitzten. Aber keinen von ihnen konnte ich lang genug erfassen, da wir viel zu schnell flogen. Gerade fühlte ich mich wieder wie ein Kind. Es war wie damals, als ich auf dem Drehstuhl im Heimbüro meines Vaters versuchte mich so schnell wie möglich zu drehen. Danach hatte ich wegen der Benommenheit nicht mehr gewusst, wo oben und unten war. Genauso fühlte ich mich jetzt, während ich aus dem Fenster sah und nur ein Chaos aus Lichtern und Dunkelheit zu erkennen war. Jedoch konnte ich mein Blick nicht von dem Durcheinander lassen. Es wirkte so voller Leben und ich fragte mich, wie viele andere Planeten und Lebensformen dort draußen zu finden seien. Würde es bald wieder eine neue Welt geben, die wir Menschen fanden und verbesserten?
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Neyfrem
Ficção CientíficaEine neu entdeckte Welt. Bewohnt von Neyfrem, mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Mythen und Legenden, die sie einst für alte Geschichten hielt sind nicht nur erfunden, sondern basieren auf wahren Begebenheiten. Ein früheres Leben, von dem sie n...
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