„Ahhh, nein bitte noch nicht", stoße ich aus mir mit einem langen Seufzer heraus und versuche mit meinen wurstartigen Fingern den Weckmodus im Handy auszustellen.
Geschafft. Nur noch ein bisschen im Bett dösen... „Ich habe es ja nicht eilig", denke ich mir in diesem Moment und beginne mich auf die andere Seite meines viel zu großen Bettes zu legen.
An Schlaf ist nun auch nicht mehr zu denken, da ich ja halbwegs wach bin, nur motiviert es mich überhaupt nicht aufzustehen. Die Stunden vergehen, man kann mir förmlich ansehen,dass mir jede Lust genommen wurde. Immer diese Antriebslosigkeit,keine Lust in einen weiteren hoffnungslosen Tag zu starten. Lieber im Bett liegen und alles um mich herum vergessen. Hier kann ich in meiner eigenen traurigen Welt weiter existieren, zwischen Tagträumen,Sehnsüchten... Was anderes will ich gar nicht mehr machen, es lohnt sich nicht mehr.
Griesgrämig versuche ich mein Handy zu erhaschen, um die Uhrzeit zu checken „Hm schon halb 1, das erklärt das Aufheulen meines Magens",murmele ich vor mich hin, ziehe die Decke von meinem Körper und beginne mich aus dem Bett zu rollen.
Ein Blick auf meine Kleidung, die ich gestern nach meinem abendlichen Spaziergang über den Stuhl geschmissen haben,erwecken in mir dieses aufbauende Gefühl. Ein langes nicht mehr wahrgenommene Etwas baut sich da in mir auf, wie ein kleines Feuerwerk bitzelt es. „Es stimmt wohl. Der gestrige Tagtraum über das Verstümmeln des Paares hat etwas in mir hinterlassen"
Sehnsüchtig fange in an in meiner Vergangenheit zu kramen... Kann es sein? NEIN, das wäre nicht möglich. Dieses Kribbeln ist wie ein loderndes Feuer, eine Wärmequelle. In mir, das würde mich sehr Wundern. Es wundert mich, dass ich überhaupt etwas richtiges empfinden kann... Meine Jahren langen Depressionen haben einiges Leben in mir zerstört. Tiefer immer tiefer bin ich von Jahr zu Jahr gefallen... Irgendwann steckt man in seinem eigenen Käfig fest und kommt da einfach nicht mehr raus. Viele Stundentherapien habe ich abgesessen, bei Dr. Volter. Eine wirklich sehr nette und intelligente Frau, ihre Diagnose lautet, dass ich in meinem Stadium nicht mehr zu heilen wäre, da ich anfange Empathie zu verlieren,also Gefühle bewusst verdränge, da sie mir selber viel zu viel Schaden anrichten.
Könnte man in meinen Kopf sehen, wären da nur Narben. Narben von vergangen Tagen, die sich tief, tief in mein Bewusstsein eingeprägt hatten. Diese Naben sind einfach nicht behandelbar. Nicht einmal der Konsum von Marihuana kann mich ermutigen, glücklich zu sein. Zwar vergesse ich für einige Stunden mein endloses Leiden, aber der Rausch verfliegt... Eine weitere sehr tiefe Narbe ist der Tod meiner Eltern, die auf einer Urlaubsreise zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen sind.
Diesen Tag als ich die Meldung über ihr Ab sterben erhalten hatte, werde ich wohl nie vergessen. Von einen auf den anderen Moment fällt man einfach nur in ein tiefes Nichts, vergisst alles um sich herum und fühlt nur noch diesen Schmerz. Als hätte dir jemand ins Herz getreten und dann herausgerissen...
Nach dieses Tagen ist mir klar geworden, dass ich eine psychologische Therapie abhalten würde, nur war ich anders als andere Patienten. Man stuft mich als hoch intelligent ein. Jemand der seinen Schmerz nachvollziehen kann und versucht in seinen eigenen Gedanken sich selber zu therapieren.
Nur kann auch ich mir nicht mehr selber helfen.
Aber das tue ich schon seit Jahren... Diese Narbe ist auch nicht der Auslöser für mein momentanes inneres Chaos gewesen.Es war nur das I-Tüpfelchen von ganz viel Leere in mir, das Töten meines ICHS!
Dementsprechend bin ich verwundert, woher auf einmal dieses beglückende Gefühl kommt. Ein Gefühl nach aufbauendem Hass,in meinen Gedanken war ich ein Monster, das das Leben eines anderen genommen hat und dennoch empfinde ich Freunde, wie schon sehr lange nicht mehr. Und für mich steht fest. Dieses Gefühl brauche ich wieder! Es soll wieder auflodern, diese Wärme, die überkochte hat so gut getan. Ich würde alles dafür geben, dass ich etwas empfinden könnte...
Meine Abneigung gegen Pärchen ist gewaltig, sie haben im besten Fall etwas, was mir fehlt. Liebe... Niemals habe ich sie empfunden. Das erklärt mein innerliches Massaker, ich wollte ihnen zeigen wie es ist, so viel Schmerz zu fühlen wie ich.
Nachvollziehen, wieso ich überhaupt so depressiv bin... Mein winterliches Ich hat sich zu lodernden Zorn entwickelt, den ich einfach nur auf liebende schmeißen wollte. Liebe die ich so sehr gebraucht hätte, aber einfach nicht mehr spüren kann.
Mit diesem Gedanken im Kopf ziehe ich mich an und schlendere durch mein Haus, was meine Eltern mir hinterlassen hatten,auf der Suche nach etwas essbaren.
Ein unsicherer Blick überschattet mich als ich in das vitaminhaltige und sehr bunte Müsli blicke. Es sieht so gut aus,aber irgendwas verursacht diese Appetitlosigkeit... nicht schon wieder. Nicht einmal das Essen kann ich mehr genießen, alles ist so leblos.
Dann beginnt sich mein Handy zu melden und ich checke ein paar Nachrichten ab.
(Im Handy) „Hey mein großer. Naa alles klar bei dir?", schreibt mir Markus.
Wie ich diese Frage hasse... was erwartet man darauf zu sagen, soll ich mein ganzes Leid einfach allen auskotzen.Nachvollziehen würde es sowieso niemand oder alle würden sagen „Ohh das wird schon irgendwann wieder" Bei sowas kann ich einfach nur noch lachen. Also lieber mit „mir geht's gut, dir auch?"antworten und sich ja nicht anmerken lassen. Das tue ich schon seit Jahren, so tun als wäre ich „gesund"... Was ich so gesehen für jeden Außenstehenden auch bin, aber niemand weiß wie es in mir aussieht. Wie soll man etwas beschreiben oder jemanden erklären, was man selber nicht so ganz empfinden kann?
Für meine Freunde bin ich seit Jahren der gleiche. Marc 27 Jahre alt, der mit seinen Witzchen allen ein Lächeln ins Gesicht verpassen kann, der immer für andere ein offenes Ohr hat und jedem ohne viel Aufwand eine Doktorarbeit schreiben könnte. Das ist meine Maske, die braucht man als depressiver in so einer Gesellschaft, man darf ja nicht schwach werden...
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Liebe ersetzt durch HASS! Liebe vergeht, Hass bleibt bestehen...
Mystery / ThrillerKennt ihr das? Wenn man so tief in einer aussichtslosen Situation steckt, sodass niemand dir helfen kann und auch du dir selber nicht mehr helfen kannst. Man verliert sich und sein Leben, oder man hat die totale Kontrolle verloren. Viele Psychosen...