Kapitel 11

11 2 0
                                    

Der nächste Morgen begann nicht mit einem Weckerklingeln. Mein Vater weckte mich. Sensibel wie immer schnauzte er: „Constanze, es ist 4:30! Wenn du noch länger schläfst, wird das mit der besseren Note nie was!" Ohne nachzudenken erwiderte ich: „Ja, und wenn ich noch ein paarmal so früh aufstehen muss auch nicht." Das waren definitiv die falschen Worte gewesen und mein Vater wurde feuerrot im Gesicht. Er zischte: „Wir sprechen uns noch! Ich werde jetzt deine Mutter wecken und dann treffen wir uns in einer halben Stunde im großen Saal. Ich werde dich schon noch erziehen!" Danach verließ er mein Zimmer. Ich stand auf und ging in mein Badezimmer. Dort duschte ich noch schnell, zog mich an und schlurfte anschließend zum großen Saal. Kurz davor blieb ich stehen. Meine Eltern hatten nicht gemerkt, dass ich schon vor dem Saal stand. Ich hörte meine Mutter keifen: „Anton-Phillip! Du erlaubst unserer Tochter überhaupt nichts! Sie ist 14 Jahre alt und weiß selbst, was gut für sie ist! Außerdem sind 98% richtige Lösungen ziemlich gut und Falko ist hochbegabt, falls du es vergessen haben solltest. Constanze ist in Alt-Griechisch die Beste ihres Jahrgangs und hat den Landeswettbewerb gewonnen! Schon vergessen?!" „Alexa! Ich glaube nicht, dass ihre Leistungen gut genug sind, um eine spitzen Anwältin zu werden. Sie soll später meine Kanzlei übernehmen und da hat sie perfekte Leistungen abzuliefern. Ich habe einen Ruf zu verlieren!" „Da haben wir es wieder! Deine Familie ist dir nicht so wichtig wie deine Kanzlei! Wenn es nach dir ginge, hätten unsere Kinder ein paar Betreuer und wir wären noch in Berlin. Aber mir sind meine Kinder sehr wichtig und ich bleibe bei ihnen. Wenn du ein egoistischer Kotzbrocken bist, ist das jedenfalls nicht mein Problem!" Ok, bevor die Situation eskalieren würde, sollte ich wohl besser einschreiten. Ich öffnete also die Tür und ließ sie hinter mir ins Schloss fallen. Meine Eltern drehten sich zu mir um. Als Erster fand mein Vater die Sprache wieder. „ Constanze, du bist drei Minuten zu spät. Was hast du dazu zu sagen?" und an meine Mutter gewandt sagte er: „Siehst du, Alexa? Wir haben sie nicht gut genug erzogen! Falko wäre sowas nie passiert!" Doch meine Mutter wiedersprach: „Unsinn! Sie war pünktlich! Sie hat uns nur zugehört! Und überhaupt, Falko kann sowas genauso passieren. Er ist kein bisschen toller als Constanze! Sie sind beide wunderbare Kinder!" Zu mir sagte sie dann: „Geh bitte wieder schlafen, bis dein Wecker klingelt, ist noch etwas Zeit. Ich habe in der Zeit einen Hahn mit deinem Vater zu rupfen!" Mein Vater wollte wiedersprechen, doch meine Mutter zischte nur: „Schweig! Jetzt rede ich! Du tyrannisierst nur alle Leute und denkst nur an dich! Sobald Constanze draußen ist, werden wir reden. Und zwar über dein Verhalten!" Ich verzog mich lieber schnell und ging zu Ming in die Küche.

Ming machte mir einen Tee, setzte sich dann zu mir und sagte: „Na dann schieß mal los." Und ich erzählte ihr alles. Von Brillenschlange, von den Streitereien meiner Eltern und von Max. Nachdem ich fertig war, meinte sie: „Weißt du, Constanze, das Leben ist nicht immer einfach. Es gibt viele Hürden und einem werden immer wieder Steine in den Weg gelegt, aber das Wichtigste ist, dass du Freunde hast, die dir helfen. Doch dann musst du ehrlich zu diesen Leuten sein. Max kann nichts dafür, dass du May nicht magst, also lass ihn aus dem Spiel und versuch, auch mit ihr einen respektvollen Umgang zu finden." Ich bedankte mich bei ihr und ging joggen.

Beim Joggen faste ich den Entschluss, mir ihre Ratschläge zu Herzen zu nehmen, doch das Schicksal war gegen mich. Als ich in den Klassenraum kam, stand in großen Buchstaben auf dem Whiteboard: „Constanze zu Bahlenberg hält sich für was Besseres! Dabei haben ihre Eltern nur geheiratet, weil sie so die Vermögen ihrer Familien zusammenführen konnten. Außerdem leidet sie unter Minderwertigkeitskomplexen, weil ihr Bruder hochbegabt ist und sie nicht!" Oha! Genau genommen war ich auch hochbegabt. Mein IQ liegt bei circa 130. Der meines Bruders bei ungefähr 200. Doch so konnte ich das nicht akzeptieren. Zu allem Überfluss kam dann auch noch Brillenschlange herein und sagte hämisch: „Oh, so ist das. Hätte ich das doch bloß gewusst! Dann hätte ich dir ein Trostpflaster mitgebracht." Ein paar Leute lachten. Ok, sie wollte Krieg. Kann sie haben! Also sagte ich: „Okay, du willst Krieg? Kannst du haben!" Adel gegen Kind von Eltern, die noch nie was von Verhütungsmitteln gehört haben. Bevor sie etwas erwiedern konnte, setzte ich hinzu: „Und sag deinen Eltern, dass man ruhig auch mal normale Namen nehmen kann. Ihr habt alle richtig bescheuerte Namen!" Damit hatte ich einen wunden Punkt getroffen. May stürzte sich auf mich und wir prügelten auf einander ein. Erst als wir beim Direktor saßen, beruhigten wir uns langsam wieder. Der Direktor schüttelte nur den Kopf und wir mussten als Strafe zusammen einen Vortrag über die §223 des StGBs machen. Als Jurtistentochter wusste ich natürlich, um was es sich dabei handelt. May schaute allerdings fragend. Der Direktor fragte, ob klar sei, was damit gemeint ist. Ich nickte, May schüttelte den Kopf. Der Direktor bat mich es zu erklären. Also ratterte ich runter: In Paragraph 223 des Strafgesetzbuches geht es um Körperverletzung der genaue Wortlaut ist: (1) Wer eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar." Dann fügte ich noch hinzu: „Sowas weiß man doch!"

Am Nachmittag standen wir also in einem der Computerräume und starrten uns an. Irgendwie wollte niemand den ersten Schritt in Richtung „Anfangen" machen. Irgendwann fingen wir einfach an und hatten zwei Stunden später ein gutes Referat. Wir packten zusammen und gingen nach Hause.

Zu Hause ging ich erst mal in die Sportetage und powerte mich am Boxsack aus. Nachdem ich geduscht hatte, gab es Abendessen, dann sah ich noch einen Film und ging dann schlafen.

Feinde für immerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt