8. "Du kannst nicht immer auf sie aufpassen!"

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Eriks POV

Die erste Trainingseinheit für heute haben wir geschafft. Erst jetzt merke ich, dass Lynn nicht mehr an ihrem Platz ist. Ich jogge zu Marco. "Weißt du, wo meine Schwester ist?" Er dreht sich um und sieht hinter sich, da wo Lynn vorhin noch gesessen hat. "Nein.", sagt er langsam. "Vielleicht musste sie mal aufs Klo?" Ja vielleicht. Aber ich gucke lieber mal nach, ob sie mir geschrieben hat. Nur für den Fall. Ich wühle in meiner Sporttasche nach meinem Handy. Ich hab es doch vorm Training hier reingepackt! Wo ist das Ding, wenn man es mal braucht??? Hab ich es irgendwo anders hingetan? Mittlerweile leicht hektisch durchforste ich alle Taschen und Möglichkeiten. Es ist weg. Von uns ist hier noch nie einer beklaut worden! Da stimmt was nicht! Und Lynn ist auch nicht da! Was ist hier los??? "Und? Hat sie dir geschrieben?" Marco ist neben mir aufgetaucht. "Keine Ahnung! Mein Handy ist weg! " Er zieht die Augenbrauen hoch. "Gib mir die Nummer, ich ruf sie an." Er greift in seine Tasche, fängt ebenfalls an zu suchen. Dann flucht er. "Was ist denn das für ein Mist? Meins ist auch weg!" Erschrocken sehe ich ihn an. "Marco, nenn mich übervorsichtig - aber ich mach mir jetzt echt Sorgen um Lynn! Ausgerechnet unsere beiden Telefone?" Ich frage Mats, ob ich sein Handy kurz benutzen kann. Klar, seins ist natürlich noch da. Ich habe ein ungutes Gefühl. Zum Glück kann ich die Nummer meiner Schwester auswendig.

Es klingelt nicht mal, sofort springt die Mailbox an. Nein, das kann nicht sein! Sie ist hier sicher! Ihr kann nichts passiert sein! Bitte nicht! Die Angst kriecht mir über den ganzen Körper. "Ich erreiche sie nicht. Ihr Handy ist aus! " "Fuck! Wir sollten sie suchen!" Ich nicke heftig und Marco und ich ziehen gemeinsam los. Ich sage noch den anderen Bescheid, falls Lynn doch wieder hier auftaucht.

Wo steckt sie nur? Ich versuche ruhig zu bleiben, die Angst um meine Schwester blockiert mein Gehirn. Bitte lass diesen Irren nicht hier gewesen sein und sie mitgenommen haben oder so was Krankes! "Wo suchen wir sie?" Marco zuckt mit den Schultern. "Vielleicht wirklich erstmal aufm Klo? Man weiß doch nie. Es geht ihr bestimmt gut. Bleib ruhig, Erik!" Wir joggen zum Gebäude, in dem auch Toiletten sind. Ich habe Angst um Lynn. Sie ist mein Ein und Alles. Sie hat immer auf mich aufgepasst und jetzt bin ich mal dran und ich versage gnadenlos! Wir brauchen viel zu lange um endlich zu den Damentoiletten zu gelangen. Als wir um die Ecke biegen, bleibe ich abrupt stehen.

Vor der Tür steht eine in Schwarz gehüllte Person. Recht groß, breite Schultern. Er versucht scheinbar die Tür zu öffnen. Er muss uns gehört haben, denn er hat sich umgedreht und rennt davon. "Hinterher!", schreie ich. Doch er hat einen zu großen Vorsprung. Selbst Marco, der in der Bundesliga einer der Schnellsten ist, kommt nicht schnell genug hinterher. Wir verfolgen ihn bis nach draußen, da ist er dann wie vom Erdboden verschluckt. "Das war der Typ, Erik! Fuck! Wir hatten ihn fast!" Wir sind beide ein wenig außer Atem. Da fällt es mir schlagartig wieder ein - Lynn! Sie muss in der Damentoilette gewesen sein, warum hätte sich der Typ sonst da mit der Tür aufhalten sollen?

"Marco, wir müssen zurück! Ich weiß, wo Lynn ist!" Ich mache auf dem Absatz kehrt und sprinte zurück. Bitte lass es ihr gutgehen! Bitte! Ich muss ein ein klebriges Zeug aus dem Schloss herausziehen und höre dann endlich Lynns Stimme. "Geh weg!", schreit sie heiser durch die Tür. Endlich schwingt die Tür auf.

Es ist finster in dem Raum, meine Augen brauchen einen Moment um sich daran zu gewöhnen. "Lynn?" Jetzt erkenne ich, dass sie in der hintersten Ecke kauert, sie zittert am ganzen Leib. "Ich Bins, Erik! Komm her!" " Oh Erik! Endlich!" Sie erhebt sich mühsam und fällt dann in meine Arme. Ich halte sie ganz fest. Sie schluchzt. "Ich hatte solche Angst! Der-der will sich für irgendwas an mir rächen!" Ich streichle ihr Haar. Ich bin unendlich erleichtert, dass sie unversehrt ist. Zumindest körperlich.

Von draussen fällt Licht in den Vorraum, jetzt kann ich die Schmiererei auf dem Spiegel erkennen. Ich drücke Lynn noch fester an mich. Auch ich habe Tränen in den Augen. "Gehts ihr gut?", will Marco wissen. Er steht immer noch im Türrahmen. Ich nicke und bewege mich langsam zur Tür. Lynn hängt an meinem Hals, ihre Füße machen nicht so richtig mit. Als wir draußen sind, löst sie sich von mir und schlingt ihre Arme fest um Marcos Hüfte. Er sagt nichts und zieht sie eng an sich. Er mag sie ja wirklich. Ich dachte immer, er wollte sie nur als weitere 'Trophäe'. Da hab ich scheinbar daneben gelegen. Denn man sieht ihm an, wir erleichtert auch er ist, dass Lynn keine offensichtlichen Verletzungen hat.

"Das geht so nicht! Ich rufe jetzt erstmal die Polizei!" "Wie denn ohne Handy?" "Achja, hab ich vergessen. Mist." Wir gehen also ganz gemächlich zurück zu den Kabinen, Marco hält meine Schwester immer noch im Arm. Als ich in die Kabine trete, fallen mir 2 Sachen sofort ins Auge. 1. Marcos und mein Handy liegen perfekt drapiert auf unseren Sporttaschen und 2. Ein weißes Blatt Papier auf dem folgendes steht:

"Du kannst nicht immer auf sie aufpassen!"

STALKER - Nachricht von UnbekanntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt