Die nächsten Tage wurden etwas besser mit der Gesellschaft von Stacey, aber trotz alledem vermisste ich den Trubel den ich in der Schule immer hatte. Man hatte mich vom Unterricht ausgeschlossen, was für mich ein nur noch größeres Zeichen war, das es wohl nicht so gut um mich stand. Wenn ich mit Stacey unterwegs war, konnte ich das manchmal sogar vergessen, doch wenn meine Eltern kamen, lastete es wieder schwer wie ein riesiger Felsen auf mir. Ich versuche ja immer es so gut es geht runterzuspielen, doch manchmal, da verlassen sogar mich die positiven Gedanken. so vergingen einige Wochen, in denen nichts weiter passierte als reden, essen, mit Eltern reden, Tabletten schlucken, Termine mit dem Arzt und: Last but not least, schlafen. Mein Leben war also ungemein spannend. Eines wundervollen Morgens, ich sollte zur Morgengymnastik, wollte ich mir einen Tee holen, aber die Schlange war so lang, das sich es nie pünktlich geschafft hätte, wäre nicht dieser nette Typ gewesen, bei dem sich allein schon durch seine Anwesenheit die Nackenhaare aufstellen. Manche Mädchen dürften ihn schon anziehend finden, ich aber nicht. Ich fand ihn eher gruselig. Die Schlange verkürzte sich also rasch, und am Ende standen wir da alleine. Ich muss schon zugeben, man muss sich ja nicht so anstellen, er hat ja nichts ansteckendes. Hoffe ich. Ich holte mir also so schnell wie irgend möglich meinen Tee, und verdünnisierte mich. Ich konnte seinen Blick in meinem Rücken spüren, traute mich aber nicht mich umzudrehen. Ich sah auf meine Uhr. Kurz vor acht! Scheiße! Ich war viel zu spät dran! Es waren gerade so gut wie keine Menschen auf dem Flur, also rannte ich was das Zeug hielt. Ich musste dabei aussehen wie ein sterbendes Walross, denn als ich um die Ecke rannte, und mich einer Gruppe Jungs gegenüber sah, die sich alle das Lachen verkneifen mussten, fuhr ich einen Gang runter und streiche meine Jogginghose glatt. Ich versuche noch relativ würdevoll an ihnen vorbeizuschreiten, so wie Hannah das immer schafft, aber ich bin nun mal nicht Hannah und kriege also einen hochroten Kopf und stolpere mehr wie ein trotteliger Zwerg durch die Gegend, als dass ich stolziere. Noch während ich um die nächste Ecke ging, höre ich sie schon losprusten. Allerdings konnte ich nicht allzu sehr meinen Stolz bemitleiden, ich musste immer noch zur Morgengymnastik. Ich stürze also noch schnell meinen inzwischen kalt gewordenen Tee runter, schmeiße ihn weg und renne weiter. Ich komme noch gerade so eben zu meinem Kurs. Dr. Harper ist aber nicht allzu sauer, ich werde heute nicht alleine sein sagt er. Mein Partner ist noch nicht da. Ich gehe mich umziehen. Ich war nie eine von denen die so absonderlich sportlich waren, aber dafür konnte ich stundenlang laufen. die letzten Monate hab ich allerdings mehr mit sitzen oder liegen verbracht. Ich bin erstaunt dass man es mir nicht ansieht. Im Gegenteil: Ich sehe aus als hätte ich abgenommen. Im ersten Moment bin ich verwundert, aber wenn man mir ins Gesicht sieht, sieht man eigentlich so ziemlich alle Gründe warum ich abgenommen haben muss. Und außerdem sagte man uns dass die Chemo nicht spurlos an mir vorbei ziehen würde. Ich reiße meinen Blick vom Spiegel los und stecke mir die Haare zu einem lockeren Knoten hoch, während ich rausgehe. Ich hatte meinem Blick auf den Boden gerichtet und als ich ihn hebe, steht der Junge aus der Cafeteria vor mir. Ich bleibe stehen und klammere mich an meine Flasche. dieses Krankenhaus ist riesig groß und ich hätte jeden in meine Gruppe bekommen können, aber von allen erdenklichen Personen, ist er der eine. Fast muss ich lachen und weil ich nicht will das er sieht wie ich vor mich hin grinse, gehe ich schnell an ihm vorbei und stelle meine Trinkflasche ab. In der Zwischenzeit ist mein junger Freund losgezogen um sich umzuziehen, man muss schon sagen: Er sieht nicht schlecht aus. Zumindest das kleine Stückchen dass ich sehen kann. Ich setzte mich auf eine Bank und warte auf Dr. Harper. Dieser kommt einige Minuten später und ich springe auf, weil ich ihn noch fragen muss, wie die hier auf die Idee kommen, ich mit einem Jungen in eine Gruppe zu stecken. ich persönlich hab damit ja eigentlich kein Problem, aber ich weiß jetzt schon, meine Mutter wird ein riesengroßes Drama daraus machen. ich gehe also auf Dr. Harper zu und frage ihn: "Dr. Harper, ich wollte Sie noch einmal fragen, warum man mich mit einem Jungen in eine Gruppe gepackt hat?" An seiner Augenbraue sehe ich dass es ihm persönlich total egal ist wen er dehnen soll und mit wem zusammen. Ich schiebe also noch schnell hinterher: "Ich meine, mir ist das relativ egal aber meine Mutter sieht das glaube ich nicht so gerne..." Ich sehe ihn entschuldigend an und seine Augenbraue zieht wieder an ihren ursprünglichen Platz zurück. "Er ist schwul." sagt Dr. Harper, und dreht sich um, um irgendwelche Bänder zu holen. Es scheint für ihn kein Problem zu sein, dass der Typ immer noch ein Junge ist. Frei nach den Motto: Hey, wenn er schwul ist wird er dich schon nicht gegrapschen! Im ersten Moment bin ich baff. der Typ sieht nicht so aus als wäre er schwul. okay, ich muss zugeben ich habe auch noch nicht soo viele schwule Menschen gesehen, aber es überrascht mich trotzdem, weil die in Filmen immer ganz anders aussehen. Was, mich innerlich nur wieder dazu bringt den Kopf über mich selbst zu schütteln. Ich sollte nicht immer alles glauben was ich sehe.
Es dauert nicht lange und wir fangen an. Zuerst kommen die Grundübungen, also die die man macht um sich aufzuwärmen. Es geht dieses mal schneller vorbei als sonst, was aber auch daran liegen könnte dass wir etwas neues ausprobieren und ich absolut gar nicht mitkomme. im ersten Moment ist es mir noch peinlich, weil der schwule Schönling so gut ist, doch nach einer Weile bin ich froh wenn ich nicht einfach umkippe. Auch Dr. Harper fällt das auf, denn ich sitze schneller auf der Bank als mir lieb ist. Hier im Krankenhaus leben wir nachdem Motto: die Schwachen werden gefressen. Natürlich nur im übertragenden Sinne. Ich dehne mich also auf der Bank weiter und sehe dem Schönling zu. Ich überlege fieberhaft wie er heißt. Normalerweise bin ich gut im Namenmerken, aber bei ihm setzt mein Gehirn einfach komplett aus. Oder vielleicht habe ich seinen Namen einfach noch nie gehört. Ich weiß es nicht. ich bin ein wenig verwirrt im Moment. ich darf die restliche Stunde nicht weiter mitmachen, bin aber auch nicht so traurig darüber.
Später an diesem Abend, esse ich mit Stacey zusammen in der Mensa unsere Pampe, und ich erzähle ihr von meinem merkwürdigem Stretchingpartner. Sie lässt sich viel Zeit mit der Antwort auf meine Frage, ob ich eventuell ein bisschen Schiss vor dem Typ haben sollte. "Ich denke der ist harmlos, der macht bloß einen auf Super cool. Mach dir da mal keinen Kopf." Sie lächelt mir aufmunternd zu, und ich erzähle ihr noch kurz dass er eh schwul ist. sie lächelt selbstzufrieden. "Wusstest du das vorher noch nicht?" Sie sieht mich ein wenig verwirrt an, und ich fühle mich augenblicklich unwohl. sie hat diesen Blick unter dem man sich einfach immer klein und unwohl fühlt. Ich stoße sie an und schüttle den Kopf. "Lass diesen Blick!", motze ich sie an. Ich bin echt nicht in der Verfassung, der Tag war anstrengend genug. Ich wende mich wieder meinem Essen zu. "Woher wissen denn alle das er schwul ist?" Frage ich so beiläufig wie möglich. Als sie nicht antwortet blicke ich wieder auf. Sie grinst verschmitzt. "Sag bloß du findest ihn interessant?" Ich sehe sie entgeistert an und stöhne genervt auf. "Kannst du mir nicht einfach wie jeder normale Mensch antworten?!" Sie hebt kapitulierent die Hände. "Na, dann will ich mal nicht so sein und geb dir deine Infos... Also sein Name ist Brian, er ist Siebzehn und sehr mysteriös. Ich bin der absolute Experte zu jedem hier, aber zu ihm kann ich dir Name, Alter und eventuell noch Hobbys sagen. Mehr nicht." Und was sind seine Hobbys?", frage ich. "Ich glaube er ist ein echtes Pockerass, und sonst sehr sportlich." "Das kann ich bezeugen, der Typ hat mich heute beim Morgenstretching fertig gemacht!" Stacey lacht laut auf."Der sieht ja auch wie ein Footballspieler aus, mit dem würde ich mich auch nicht anlegen." Ich sehe sie an und sage: "Jetzt ist meine Neugier geweckt, ich muss unbedingt mehr über ihn erfahren. Ich versuch ihn mal in ein Gespräch zu verwickeln..." Staceys Augenbraue ist hochgewandert, wie die von Dr. Harper. "Na, da ist aber jemand sehr enthusiastisch..." Sagt sie grinsend und ich schüttle nur meinen Kopf. "Ich geh jetzt hoch, Schlachtpläne vorbereiten.", sage ich Augenzwinkernd und bringe mein Tablett weg. Ich bin noch den ganzen Abend damit beschäftigt Pläne zu entwerfen wie ich ihn anspreche. Ich ignoriere Stacey als sie sich über mich lustig macht, und irgendwann fallen mir die Augen zu.
YOU ARE READING
Legendary
Short StoryClaire lebte schon immer sehr zurück gezogen und war lieber in der Bücherei, als unter Menschen. Als sie ihre Krebs Diagnose bekommt, verbringt sie viel Zeit mit dem Schreiben und versucht in ihrer verbliebenen Zeit soviel wie möglich zu schreiben...