ich hatte über zwei Tage einen wirklich genialen Plan ausgearbeitet, aber leider hatte ich nur zwei mal die Woche Morgengymnastik. Ich musste mich also noch zwei Tage gedulden. Man glaubt ja gar nicht wie langweilig zwei Tage sein können, wenn man nichts zu tun hat. Einer der mich behandelnden Ärzte war krank geworden, weshalb meine Anwendungen in letzter Zeit öfter mal ausfielen. Früher hätte mich das überhaupt nicht gestört, ich hab mich ja gerne in meinem Zimmer verschanzt, aber inzwischen wäre ich wirklich über jede noch so kleine Ablenkung glücklich. Ich hatte zwar noch Stacey, aber die war momentan auch nicht so gesprächig. Sie will einfach nicht verstehen warum ich etwas über Brian rauskriegen will. Sie findet ihn immer noch unglaublich gruselig, und meint ich sollte mich lieber von ihm fernhalten. Ich verstehe noch nicht so wirklich warum alle so einen riesigen Schiss vor ihm haben. Ich meine, ja, er ist jetzt nicht so super freundlich, aber ich weiß schließlich wie scheiße es ist wenn niemand was mit einem zutun haben will. Da kann man ja nur verschlossen werden.
Freitag Morgen, war ich schneller fertig als sonst, wollte aber auch nicht in unserem kleinen Zimmer hocken, weshalb ich natürlich viel zu früh da war. Nun stand ich da also wie bestellt und nicht abgeholt. Dr. Harper kam zu allem Überfluss auch noch zu spät und als Brian um die Ecke kam, versteifte ich mich unwillkürlich. Schlechter Start, wenn man bedenkt dass ich eigentlich ein Gespräch mit ihm anfangen will... Naja, wie dem auch sei, er merkt es auf jeden Fall, rollt mit den Augen und lehnt sich mir gegenüber an die Wand. Seine verschränkten Arme und sein böser Blick sollen mir wahrscheinlich klarmachen, dass ich ihn einfach nicht ansprechen soll, aber so komm ich nun gar nicht vom Fleck, also atme ich tief durch, was er mit einem noch böseren Blick quittiert, und gehe einen Schritt auf ihn zu. Und noch einen. Dann stehe ich ihm Gegenüber und habe keine Ahnung was ich sagen soll. Mein ganzer so schön zurecht gelegter Plan ist wie weggewischt. Hallo, ich bin Claire, warum genau haben alle Angst vor dir? Klingt doof. Er sieht mich an, und um seine Mundwinkel spielt ein winziges Lächeln. Ich muss unglaublich dämlich aussehen. Ich versuche meine Unsicherheit so gut wie irgendwie möglich zu verstecken und sage einfach: "Hey, ich bin Claire, kannst du mir vielleicht erklären wie du diese eine Übung am Mittwoch gemacht hast?" Er baut sich zu seiner vollen Größe auf, was, wie zu erwarten, natürlich wieder größer ist als ich und sieht auf mich herab. "Wer hat dich denn dazu gebracht mit mir zu reden? Hast du 'ne Wette verloren?" so hatte ich mir das aber nicht vorgestellt. Ich sollte ihm jetzt wohl antworten, aber ich komme nicht dazu, denn in dem Moment in dem ich zu einer Erklärung ansetzten will, kommt Dr. Harper. Ich trete schnell einen Schritt zurück, und gehe zu meiner Tasche . Das hätte ja nicht schlechter laufen können. Ich hatte mir ehrlich gesagt mehr von ihm erhofft. Aber ich war trotzdem nicht bereit so schnell aufzugeben. Während der Übungen konnte ich immer noch nicht wirklich mithalten, aber ich wusste, wenn ich mich ein bisschen mehr anstrengen würde, dann würde er mich vielleicht mal ein bisschen für voll nehmen. Tja, letztendlich saß ich nur wieder auf der Bank. dieses mal mit klopfendem Herzen und pochendem Knöchel.
Nach dem Unterricht, passte ich ihn an der Tür ab, und ließ ihm gar keine Zeit irgendeinen dämlichen Spruch abzulassen. "Also Brian, hör mir mal zu. Ich hab weder 'ne Wette verloren, noch hat mich wer dazu gezwungen mit dir zu reden. Okay? Ich hab kein Problem mit dir und wollte einfach dass du mir diese verdammte Übung nochmal zeigst. Wenn du nicht willst ist das okay, aber komm damit klar dass mal jemand einfach so was mit dir zu tun haben will!" Während meines kleinen Redeschwalls hatte er zu grinsen begonnen, und jetzt hielt er mir seine Trinkflasche hin. "Ganz ruhig Brauner, trink mal 'nen Schluck." Ich sehe ihn entgeistert an. Er sieht meinen Blick und lacht. "Achja," sagt er. "Um auf deine Frage zu antworten: Ja. Ja, ich kann dir die Übung nochmal zeigen. Aber nicht jetzt. Du solltest lieber zum Arzt. Mit deinem Knöchel." Ich starre ihn weiter wie das achte Weltwunder an. Er dreht sich um und geht weg. Bevor er um die Ecke verschwindet dreht er sich noch einmal um. "Und mach den Mund zu. Sonst fliegt 'ne Fliege rein."
*
Kurze Zeit später sitze ich beim Arzt und warte darauf behandelt zu werden. Ich hatte eigentlich versuchen wollen einfach wieder in mein Zimmer zu humpeln, aber daraus wurde dann nichts. Wäre ja auch zu schön gewesen wenn mal etwas wie geplant gelaufen wäre. Ich hatte nicht vor mir eine Bescheinigung oder sowas zu holen, um von meinen Sport-Kursen befreit zu werden, was die Krankenschwester zuerst annahm, sondern um irgendwas zu bekommen, um den Knöchel auf lange Zeit wieder richtig benutzen zu können. Es stellte sich allerdings als schwerer heraus, ein Schmerzmittel zu bekommen als geplant. Denn meine Freundin Ursula saß auf dem Krankenhausstuhl und schon als ich die Tür aufmachte und sie sah, wollte ich umdrehen. Direkt. ich hatte mal irgendwo gelesen, dass Menschen zwischen zwei Urinstinken unterscheiden. Flüchten oder Kämpfen. Ich persönlich verband sie mit etwas wie einem wilden Tier, also drehte ich mich direkt wieder um, ich wollte mich heute nicht auch noch von ihr anmotzen lassen müssen. Aber offensichtlich muss ich schon viele schlechte Entscheidungen in meinem Leben getroffen haben, denn das Karma war definitiv nicht auf meiner Seite. Sie hatte mich natürlich schon gesehen. "Ach, Claire, du hier?" Fragte sie gehässig. "Ja, ich hier. Ich brauch etwas für meinen Knöchel, der tut in letzter Zeit sehr weh..." Ich sah ihr nicht direkt ins Gesicht, weil ich nicht wusste ob sie gleich anfangen würde mit mir zu diskutieren und ich mich vor ihrer fetten Warze über dem linken Auge ekelte. Ich denke sie würde es nicht so begrüßen wenn ich ihr jetzt auch noch vor die Füße kotzen würde. "Also ich kann dir jetzt nicht einfach so irgendwelche Tabletten geben, da musst du schon warten bis der Arzt sich das angesehen hat, setz dich einfach kurz dahin, ja?", sie zeigte auf einen unbequem aussehenden Stuhl. Im ersten Moment war ich etwas zu baff um überhaupt etwas sagen zu können, sie war tatsächlich nett gewesen! Also für ihre Verhältnisse und das auch noch zu mir! Um sie allerdings nicht unnötiger Weise zu provozieren, setzte ich mich dann doch hin. Sie bot mir eine Tasse Tee an und ich nahm sie dankend entgegen. Als sie mir die Tasse reichte und ich mich bedanken wollte, sah ich kurz so etwas wie Mitleid in ihren Augen aufblitzen, und sie lächelte nur traurig als sie mir ein Päckchen Zucker reichte. Ich wollte sie gerade fragen warum sie mich ansah als wäre mein Hund gestorben, als ich reingerufen wurde. Während ich mich auf die Untersuchungsmatte legte und erzählte was mein Problem war, sah ich auch in den grünen Augen des Arztes Mitleid aufleuchten. Er merkte dass ich stockte, und so schnell wie der Blick da gewesen war, so schnell war er auch wieder weg. Letztendlich, entließ man mich mit einem stützendem Verband, einer Krücke und der Bitte nicht soviel zu laufen. Ich bedankte mich schnell und grübelte aber weiter nach, warum alle wie sieben Tage Regenwetter schauten.
Später, als Stacey und ich uns hingelegt hatten, erzählte ich ihr von den Ereignissen des Tages. Als ich an die Stelle mit den traurigen blicken von Ursula und dem Arzt kam, schluckte sie nur und meinte an ihrem alten Krankenhaus würde so etwas nur das eine bedeuten.
"Was bedeutet es denn?"
"Das will ich dir gar nicht erzählen, Claire..."
"Aber das ist doch auch irgendwie meine Sache, meinste nicht?"
Stacey seufzte einmal theatralisch und sagte dann leise: "Tod. Es bedeutet eigentlich immer dass es nicht gut um einen steht. Ich habe diesen Blick eine gefühlte Million mal abbekommen."
Sie musste meinen Blick aufgefangen haben, denn mit einem verschmitzten Lächeln sagte sie noch: "Aber sie mich an: Mich haben sie auch nicht tot bekommen."
Ich schaute sie entgeistert über diesen schlechten Witz an und sie nahm mich in den Arm.
"Denkst du wirklich ich sterbe" fragte ich sie und schauderte allein bei dem Gedanken an den Tod.
"Weißt du was? Ich glaube an Einhörner! Du bist mindestens so zäh wie ich, du stirbst schon nicht." Sie knuffte mich aufmunternd in den Arm und ich lächelte.
Diese Nacht konnte ich nicht schlafen. Und wenn ich dann mal einschlief, dann träumte ich vom Tod.
Sorry dass so ewig lange nichts kam, ich war ein bisschen eingespannt was die Schule angeht und hatte auch irgendwie die Lust an der Geschichte verloren, aber jetzt bin ich wieder topmotiviert:)
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Legendary
Short StoryClaire lebte schon immer sehr zurück gezogen und war lieber in der Bücherei, als unter Menschen. Als sie ihre Krebs Diagnose bekommt, verbringt sie viel Zeit mit dem Schreiben und versucht in ihrer verbliebenen Zeit soviel wie möglich zu schreiben...