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"Wir müssen reden!", sagte er. Ich war für einen Moment so geschockt, dass mir das Brötchen aus der Hand fiel und ich die Tür wieder zuschlug. Alex jedoch stellte seinen Fuß in die Tür und drückte sie sofort wieder auf. Er kam ohne ein weiteres Wort herein und lief ins Wohnzimmer, wo er auf dem Sofa Platz nahm. Ich war wie erstarrt. Mein Blick war immer noch fassungslos auf die Tür gerichtet und meine Hand immer noch in der "Brötchen-Halte-Position".

"Kommst du?", rief Alex und löste mich somit aus meiner Starre. Hektisch sammelte ich das Brötchen, oder das was noch davon übrig war, vom Boden auf und warf es in den Mülleimer. Dann lief ich ins Wohnzimmer.

Ein paar Sekunden bleib ich unschlüssig in der Tür stehen. Wo sollte ich mich hinsetzten? Neben ihn? Ihm gegenüber? Oder sollte ich einfach stehen bleiben?

Ich wählte meinen Sitzplatz schließlich so, dass die größtmögliche Distanz zwischen uns war, ohne das es aussah, als würde ich ihn meiden, sprich: Ich nahm ihm gegenüber in einem Sessel Platz und zwischen uns stand ein Wohnzimmertisch.

"Alsooo...", sagte ich. "Alsooo...", wiederholte er.

"Warum bist du hier?", fragte ich unschuldig.

"Ist das sein ernst?", entgegnete er mit einem Schnauben. Ich sagte nichts, sondern schaute ihn einfach nur an. Er seufzte.

"Wir müssen über das reden, was auf meiner Party passiert ist!"

Sofort schossen mir die Erinnerungen an diese Nacht wieder in den Kopf. Ich drehte mich beschämt weg, damit er nicht sah, wie rot mein Gesicht wurde. Als ich das Glühen meine Wangen wieder unter Kontrolle hatte, sah ich wieder zu ihm rüber.

"Hast du ihr davon erzählt?"

"Nein." Er wusste von wem ich sprach. "Ich wusste nicht wie du dazu stehst", er sah mich erwartungsvoll an.

"Was gibt es dann noch zu bereden?", erwiderte ich kühl, "Du hat es Emily nicht erzählt und das ist auch gut so. Sie wäre am Boden zerstört wenn sie davon wüsste und das kann ich ihr nicht auch noch antun. Es ist schon schlimm genug, das wir beide bereit waren sie zu hintergehen. Emily ist meine beste Freundin und ich habe sie sehr lieb. Ich kann sie einfach nicht verlieren! Wir beide waren angetrunken und es ist einfach passiert. Das war ein großer Fehler und deshalb wird es nie wieder passieren! Es hatte nichts bedeutet. Wir tun einfach so als wäre mir etwas passiert." Jedes Wort versetzte mir einen heftigen Stich und ich log wie gedruckt. Diese ganze Sache hatte mir sehr wohl etwas bedeutet, sehr viel sogar und ich war kein bisschen angetrunken gewesen, ich hätte keinen Schluck Alkohol an diesem Abend getrunken. Das machte die ganze Sache irgendwie noch schlimmer. Ich war unter vollem Bewusstsein, ohne die Einwirkung von irgendwelchen Rauschmittelen, bereit gewesen, Emily zu hintergehen. Wer tut so etwas??

Ich war wirklich erstaunt, wie gut mir diese Lüge über die Lippen kam. Aber es musste sein. Wenn ich jetzt vollkommen ehrlich gewesen wäre, hätte ich es nicht geschafft einen Schlussastrich unter die Sache zu ziehen.

Alex' Gesicht nahm während meiner Rede eine ausdruckslos meine an.

"Ich denke du hast recht", antwortete er ebenso kühl wie ich und stand auf, " wenn jetzt hier alles geklärt ist, kann ich ja gehen." Er lief Richtung Ausgang und ich folgte ihm. Ich spürte ein prickeln in meiner Nase, das meine Tränen ankündigte.

Sobald sie Tür uns Schloss fiel brach an Ort und Stelle zusammen und begann hemmungslos zu schluchzen.

Wenn ihr euch fragt, warum ich so auf ihn reagiert habe, kann ich euch das schnell erklären. Der erste Grund war Emily, das ist ja offensichtlich, aber es gab auch noch einen zweiten Grund für mein Reaktion und zwar war der ungefähr zwei Jahre her. Alex hatte mich damals sehr verletzt und egal wie stark meine Gefühle für ihn auch waren, war das Gefühl ihm auf dieser Ebene Vertrauen zu können nicht sonderlich ausgeprägt.

Ich weiß nicht wie lange es dauerte, bis meine Mutter nach Hause kam und mich zusammengekauert im Flur vorfand.

"Lissa? Was machst du...", setzte sie an, doch als sie mein tränenüberflutetes Gesicht sah, fragte sie nicht weiter nach, sondern nahm mich einfach in den Arm. Ich schmiegte mich an sie und weinte weiter und sie hielt mich einfach nur fest. Als sich meine Schluchzer gelegt hatten und nur noch Stumme Tränen über meine Wangen liefen, führte sie mich in mein Zimmer. Sie wies mich an, mir gemütliche Sachen anzuziehen und mich ins Bett zu legen, währenddessen brachte sie mir Schokolade, Tee, eine Wärmflasche und etliche Filme. Dann rief sie in der Schule an, um mich für den nächsten Tag krank zu melden. Ihr wisst gar nicht wie sehr ich meine Mutter liebe!

Nach einer Weile kam sie wieder in mein Zimmer. Ich lag zusammengerollt auf meinem Bett und schaute mir irgendeinen Film an, ich kann mich nicht mehr erinnern welchen. Sie setzte sich an das Fußende.

"Schätzchen. Ich weiß wir haben den Deal, dass ich nicht nachfragen soll und du zu mir kommst, wenn du reden willst, aber das heute kann ich nicht einfach auf sich beruhen lassen! Ich habe doch noch nie so aufgelöst gesehen! Willst du mir nicht erzählen was los ist?" Sie sah so besorgt aus, dass ich ein schlechtes Gewissen bekam und sich in meinem Hals ein riesiger Knoten bildete. Das ist so typisch für mich! Wegen alles und jedem bekam ich ein schlechtes Gewissen, auch wenn das nicht notwendig war!

"Es ist nichts. Ich...", begann ich doch sie unterbrach mich.

"Larissa!" Mehr sagte sie nicht. Sie sagte einfach nur meinen Namen und aus irgendeinem Grund brachte das den Knoten zum Platten und Tränen begannen mir erneut in Bächen über die Wangen zu laufen. Ich begann zu erzählen, von meinem Gefühlen für Alex, von Emily, von Alex' Party und schließlich von unserem heutigen Gespräch. Meine Mutter hörte die ganze Zeit aufmerksam zu und unterbrach mich kein einiges Mal. Als ich schließlich endete sah sie mich traurig an. "Und das alles hast du die ganze Zeit mit dir herum getragen?"

Ich schniefte kurz, dann nickte ich. "Ach Mäuschen!" Sagte sie und nahm mich in den Arm.

Ich vergrub mein Gesicht in ihrer Halsbeuge und atmete tief ein. Ihr Duft, der mir all die Jahre immer Geborgenheit, Trost und Sicherheit gegeben hatte, durchströmte mich und ich fühlte mich ein wenig besser.

Meine Mutter löste sich wieder von mir. "Hör mal. Ich kann mir vorstellen, dass du das jetzt nicht hören willst, aber du musst Emily die Wahrheit sagen! Mit Schweigen machst du alles nur schlimmer!"

"Ich kann nicht! Sie wird mir das mir vergeben!", sagte ich traurig. In diesem Fall vertraute ich lieber auf das schöne alte Sprichwort: "Reden ist Silber, Schweigen ist Gold."

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Ich hoffe euch gefällt das 4. Kapitel :)

Würde mich riesig über ein Sternchen und Kommentare freuen!!

LG
Ellie

How I destroyed everythingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt