Leider ist mir für diese Geschichte kein passender Titel eingefallen, falls euch einer einfällt, könnt ihr ja ein Kommentar dalassen :D
Diese Kurzgeschichte ist sehr spontan entstanden und ich habe mich einfach mal hingehockt und drauf los geschrieben. Also bitte entschuldigt, wenn sie unzusammenhängend wirkt oder etwas in der Art. Und jetzt viel Spaß beim Lesen! LGs
Später kann ich mich nur noch an verschwommene Gänge und weiße Kittel erinnern, so hastig bin ich durch das Krankenhaus geeilt.Ich nehme den linken Gang und sprinte dann dieTreppe rauf, weil ich nicht auf den Aufzug warten kann. Das Blut rauscht in meinenOhren als ich in der dritten Etage
ankomme. Es riecht nach Desinfektionsmittel und nach Seife; wie die, die meine Mutter immer ins Bad gelegt hatte. Eine grobkörnige, handgesiedete Seife. Ich habe sie als Kind immer gehasst, weil sich meine Hände nach dem Einseifen und Abwaschen immer so trocken und rau angefühlt haben. Schon seltsam, was einem durch den Kopf geht, wenn man durchs Krankenhaus rennt.Ich haste an einem Mann im Rollstuhl vorbei, weiche geschäftigen Krankenschwestern aus und versuche ruhig zu bleiben. Die Panik zurückzudrängen. Was mir nur schwer gelingen will.
Die Nummern der Krankenzimmer fliegen an mir vorbei, eine Glastür öffnet sich automatisch und ich bin im B-Block. Weitere Zimmer, an denen ich vorbeirenne. Zwei Kinder die von der einen Seite des Ganges zur anderen hüpfen. Eine Schwester, die gerade aus einem Zimmer tritt.
Mein Herz pocht so stark in meiner Brust, dass es sich anfühlt, als wolle es in Kürze durch meinen Brustkorb brechen. Grellweißes Licht. Kalt. Neonlicht.Kinderlachen. Hässliche Gemälde.
Nummerierungen.
Herzschlag.Das Rauschen meines Blutes.
Desinfektionsmittel.
Der Geruch nach Seife.
Herzschlag.Handgesiedete Seife.
Ich als Kind.
Meine Mutter, die mich zum Händewaschen ermahnt.
HerzschlagDas glucksende Lachen, wenn ich ihr entwische und aus dem Bad schlüpfe.
Kinderlachen.
Herzschlag.Und dann wieder grelles, weißes Licht.
Ein Stuhl mit grünem Polster. Und ein hässliches Gemälde darüber.Zimmer 214.
216 A.
216 B.Ein weiterer Stuhl.
Dann ist da ein Putzwagen, und eine kleine Putzfrau, die ich fast über den Haufen renne. Ich höre meinen Atem, das Pochen meines Herzens. Aber am lautesten ist das Rauschen meines Blutes. Mir wird schlecht und das grelle Licht der Deckenlampen sticht unerbittlich in meine Augen.
Wieder ein Stuhl, Erinnerungen, die mit einem Mal auf mich einschlagen und ich taumele. Ich greife nach der Lehne, aber da ist nur Luft, die ich zu fassen bekomme und dann spüre ich unvermittelt den Boden an meiner Wange und einen heftigen Schlag, der gefolgt von Schmerz durch mich hindurchzuckt.Es kann nur eine oder zwei Sekunden gedauert haben, ehe ich die Augen wieder öffne. Zuerst sehe ich den grauen Boden aus PVC. Die Rillen, die Fugen und die Wandleiste. Dann wandert mein Blick die Wand hinauf, über eines der hässlichen Gemälde, das wohl expressionistischer Natur sein soll. Dann scheint mein Gehirn wieder einsatzfähig zu sein und ich rappele mich auf und klopfe meine Kleider ab.
»Alles in Ordnung?«, tönt eine besorgte Stimme von hinten. Es ist die Putzfrau, die ich beinahe zu Boden gerissen hätte. Ich setze mir ein gezwungenes Lächeln auf und bejahe ihre Frage.Dann laufe ich weiter. Diesmal in einem gemäßigten Tempo.
228. Das ist das Zimmer.Ohne zu Klopfen trete ich ein, meine Mutter hätte mich nicht hören können.
Das Erste, was mir auffällt, ist ihre kleine, magere Gestalt. Sie wirkt so verloren in dem großen, weißen Krankenhausbett, mit der blassgrünen Decke. Blinkende Geräte sind an ihr angeschlossen und ich kann kaum den Blick von den zwei Schläuchen abwenden, die in ihren Hals führen.Geschockt presse ich mir die Hand auf den Mund und schließe die Augen. Nach ein paar Minuten, habe ich die Übelkeit verdrängen können und kann meine Mutter wieder anschauen. Ein weiterer Schlauch führt in ihre Nase und ich kann mir das unangenehme Gefühl dieses Fremdkörpers nur zu gut vorstellen.
Langsam begebe ich mich zu ihr, lasse meine Tasche zu Boden gleiten und streife den Mantel ab. Dann ziehe ich mir einen Stuhl an ihr Bett und setze mich zu ihr.
Ihre Hand wirkt wie Pergament, alt, trocken und runzelig. Mir ist noch nie aufgefallen, wie knochig sie ist.
Meine Mutter wirkt wie ein gebrechliches Neugeborenes, im Körper einer alten Frau. Ich möchte sie beschützen, möchte sie in den Arm nehmen und ihr das zurückgeben, was sie mir all die Jahre über geschenkt hat. Bedingungslose Liebe und Geborgenheit.
Auch, wenn ich sie angeschrien habe, wenn ich ihr verletzende Worte an den Kopf geworfen habe, war sie da, wenn ich sie gebraucht habe. Sie hat mich nicht gehasst. Nicht eine einzige Sekunde. Sie hat nie an mir gezweifelt, wenn ich es getan habe und jetzt kommen mir wieder die Tränen, die ich all die Zeit versucht hatte, zu unterdrücken.
Ich nehme ihre Hand in meine und drücke sie sanft, warte darauf, dass sie reagiert und ihre Finger fest um meine schließt. Oder die Augen öffnet und mich anlächelt, weil sie mich erkennt.
Was wird aus ihr werden?
Sie kann mich nicht hierlassen.
Ich brauche sie noch!
Das leise Sirren einer der Maschinen und das regelmäßige Piepen des Herzfrequenzgeräts verdeutlichen mir, dass wir immer noch in einem kleinen Krankenhauszimmer sind.
Während ich sie durch meinen verschwommenen Blick hindurch anschaue, halte ich ihre Hand. Ich weiß nicht, wie lange ich so dasitze. Irgendwann habe ich mich in den Schlaf geweint.Es ist ein vorsichtiges Stupsen, das mich aufweckt. Ich hebe verwirrten Kopf, halte noch immer Mamas Hand in meiner und blicke mich verwundert um. Es dauert kurz, bis ich meinen großen Bruder erkenne, der mit besorgtem Gesichtsausdruck neben mir steht. Hastig springe ich vom Stuhl auf und falle ihm um den Hals.
Er drückt mich an sich und streicht mir zugleich beruhigend über mein Haar. »Sie wacht nicht auf. Sie wacht einfach nicht auf«, schluchze ich und vergrabe meinen Kopf an seinem Hals.
»Beruhige dich. Alles wird wieder gut!«
»Versprichs mir!«
»Ich verspreche es dir.«
Doch das Wimmern kann ich nicht stoppen und so halten wir uns beide weiter im Arm, während sich die Zeit ausdehnt und mir wie ein unendlicher Moment vorkommt, der für alle Ewigkeiten anhalten wird. Und das gesamte Universum reduziert sich auf mich, meinen Bruder und das Krankenhausbett, in dem unsere Mutter liegt.Später stehe ich vor dem großen Fenster, habe die Vorhänge zurückgezogen und starre in die Dunkelheit. Der Regen klopft ans Fenster, während draußen Autos über die Straßen fahren und Menschen mit Regenschirmen nach Hause hasten. Straßenlaternen flackern und der Asphalt spiegelt das verwaschene Licht der Werbereklamen.
Ich kann meinen Blick nicht vom Fenster abwenden. Es wirkt so paradox.
Da draußen ist alles ganz normal, wie immer. Die Leute haben ihre Verpflichtungen, ihre Aufgaben, ihre Vorhaben. Sie gehen nach Haus. Treffen sich mit Freunden, oder fahren noch schnell zur Tankstelle, um sich einen billigen Wein zu besorgen.
Da unten sind Kinder, die jammernd an den Händen ihrer Eltern ziehen und Freundinnen, die sich angeregt über Klamotten unterhalten. Da draußen ist alles ganz normal, wie immer.
Aber hier drinnen, ist die Zeit angehalten worden. Die Welt ist geschrumpft. Hier ist nichts mehr. Wir befinden uns in einer Zeitschleife. Oder in einem Moment, der so zäh ist, wie ein Karamelldragee. Da draußen ist alles ganz normal, wie immer. Hier drinnen verstreicht die Zeit nur halb so schnell. Hier drinnen gibt es nur mich. Und meine Familie.
Ich höre, das leise Schluchzen meiner kleinen Schwester, die vor einer halben Stunde eingetroffen ist. Mein Bruder sitzt schweigend neben ihr und redet mit beruhigenden Worten auf sie ein.
Ich stehe hier. Blicke nach draußen. Im Hintergrund das allgegenwärtige Piepen. Das Summen. Das Pumpen. Und der Geruch nach Seife.
Die Tür geht auf und wir drehen uns gleichzeitig um. Es ist eine Ärztin in einem langen, weißen Kittel. Wir müssen schrecklich aussehen. Drei Skelette, die sich verzweifelt aneinanderklammern. Wir stehen verloren inmitten des Raumes. Augenringe, aufgequollene, rote Augen. Eine verschmierte Nase.
Man muss uns die Verzweiflung von den Augen ablesen können. Ich allein bin ein zitterndes Blatt, das einem Tornado ausgeliefert ist und sich mit einer lächerlichen Hoffnung auf Besserung an den Ast klammert. Es ist alles so lächerlich. Wie kann die Welt da draußen einfach so tun, als wäre nichts passiert? Wie kann sie nicht mitbekommen, was sich hier drinnen abspielt. Die gesamte Welt müsste angehalten werden.
Aber da sind nur wir drei. Klammern uns aneinander und halten uns an der lächerlichen Hoffnung auf Besserung fest.
Die Ärztin setzt ein schwaches Lächeln auf, und bittet uns Platz zu nehmen. Dann berichtet sie von Untersuchungen und den Ergebnissen von Blutwerten. Ich verstehe kein Wort. Ich höre immerzu das Rauschen ihrer Worte in meinem Ohr. Mein Bruder nickt, meine Schwester schluchzt. Ich sitze da und starre an die Wand. Nach draußen. Starre auf den Leberfleck der Ärztin. Starre auf die Herzfrequenzmaschine. Starre auf die regelmäßigen grellgrünen Linien.
Wie kann die Welt so tun, als wäre nichts passiert?
Mein Blick verschwimmt und ich greife nach der Hand meines Bruders. Er drückt sie sanft und die Ärztin redet weiter. Sie hat einen zuversichtlichen Ton angeschlagen, und augenblicklich frage ich mich, ob sie so mit jeder betroffenen Familie redet. Ob sie immer so klingt, als würde sich etwas verbessern.
Ich höre zu und höre doch nicht zu. Es scheint schon eine komplette Stunde vergangen zu sein, doch als ich auf die Uhr blicke, sind es erst fünf Minuten.
Die Welt ist paradox. Das Leben ist paradox.
Dann höre ich Worte, die mich aufhorchen lassen. Die mein Herz schneller schlagen lassen.
... Hoffnung auf Besserung. Fast muss ich lachen. Ich, ein kleines jämmerliches Blatt, soll dem Tornado getrotzt haben?
Doch der Satz war noch nicht beendet. Reha ... lange Behandlung ... mögliche Rückfälle ... rund um die Uhr Betreuung ...
Aber da ist es wieder dieses zweisilbige Wort, das sich seinen Weg durch die Dunkelheit bahnt und mich vor dem Tornado beschützt. Der Tornado, der mich nach Mamas Tod mit sich gerissen und zerschmettert hätte.
Hoffnung.
Und dann dreht sich die Welt mit einem Mal wieder weiter. Wir hängen nicht mehr in einer Zeitschleife fest. Wir bewegen uns nicht mehr halb so schnell wie die anderen da draußen. Mit einem Mal, ist die Welt wieder im Gleichgewicht. Und das Universum beinhaltet nicht nur uns drei und meine Mutter.
Nein, es beinhaltet alle Menschen, den Alltag, Lachen, und die Vorahnung, dass es weitergeht. Dass es eine Zukunft gibt.Und ich fühle mich befreit.
DU LIEST GERADE
Gedankenexplosion
PoetryGedanken sind leicht und schnell, sie schlüpfen dir zwischen den Fingern hindurch, wenn du versuchst, sie einzufangen und zu zähmen. Gedanken sind eigenwillig und hören grundsätzlich nicht auf dich. Sie zu erwischen und auf Papier zu verewigen ist e...