Der Spiegel der Wahrheit

Hochachtungsvoll

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich weiß nicht, ob ich bei Ihnen an der richtigen Adresse bin. Vielleicht handelt es sich bei Ihrer Webseite ja um einen schlechten Scherz und Sie lachen sich nun ins Fäustchen, weil ich Ihnen auf den Leim gegangen bin.

Aber nun gut, wenn Sie sich aus dem folgenden einen Spaß machen wollen, so tun Sie das. Mir ist die Angelegenheit so ernst, dass ich es dennoch versuchen will.

Sie schreiben, dass sie sich mit übernatürlichen Kreaturen und Gegebenheiten aller Arten auskennen, und dass Sie in der Lage und gewillt sind, sie zu bekämpfen. Vielleicht können Sie mir ja ebenfalls helfen – ich würde auch gut bezahlen, haben Sie keine Sorge. An Geld mangelt es mir wahrlich nicht, in den letzten Tagen höchstens an Erkenntnis.

Jenes Geld verdiene ich unter anderem mit dem Handel von unschätzbaren Wertstücken des Altertums, seien es Bilder, Schmuckstücke oder Möbel. Das meiste davon bewahre ich gut gesichert in meinem Landsitz auf.

Vor ein paar Tagen wurde ich von klirrendem Glas geweckt – meine Alarmanlage schien ausgefallen - und machte mich daraufhin auf den Weg, die Ursache des Geräusches zu erkunden, natürlich nicht ohne die alte Jagdflinte. In einem der Zimmer des oberen Stockes hörte ich weitere Geräusche und als ich hineinkam, fand ich dort einen Mann mittleren Alters, sehr markante Gesichtszüge, auch wenn man sie nur schwach durch die Außenbeleuchtung erkennen konnte. Das Zimmer, Aufbewahrungsort einiger seltenster Prachtstücke, war verwüstet, die Fensterscheibe eingeschmissen. Der Einbrecher trug etwas unter dem Arm, auch wenn ich nicht erkennen konnte, was es war.

Ich drohte ihm zu schießen, sollte er sich nicht sofort ergeben – doch er lachte nur bevor er sich umwandte und aus dem Fenster sprang. Ich folgte ihm mit nur wenigen Sekunden Abstand, aber ich konnte ihn bereits nicht mehr sehen, genauso wenig wie eine Leiter oder ein Seil, die ihm bei Einbruch und Flucht hätten helfen können.

Das allein machte mich stutzig. Doch danach beschloss ich - nachdem die Polizei informiert war, wohlgemerkt -, die Aufnahmen der Überwachungskameras anzusehen, ob diese mir vielleicht bereits Hinweise auf den Täter geben konnten. Ich überprüfe die Aufnahmen regelmäßig und bin in die Technik gut vertraut, seien Sie sich dessen sicher. Zum Zeitpunkt der Tat jedoch war nichts im entsprechenden Zimmer zu sehen – besser niemand. Das Zimmer schien sich von ganz allein zu verwüsten, bis schließlich ein eingeschlagenes Paket aus der Reihe tanzte und im Raum schwebte, kurz bevor ich mich selbst durch die Tür kommen sah. Dann flog es aus dem Fenster und danach sah ich nichts mehr davon, auf keinem der Geräte der Außenanlage.

Die Polizei hielt es für einen schlechten Scherz meinerseits, auch wenn sie sich trotzdem der Ermittlungen annahm. Noch ist mir nicht klar, welches Stück der seltsame Einbrecher an sich genommen hat, da ich den entsprechenden Raum nicht katalogisiert hatte, aber dass es nicht mit rechten Dingen zugeht, darauf schwöre ich Ihnen beim Grab meiner Mutter!

Ich wäre Ihnen sehr ergeben, wenn Sie sich meines Falles annehmen würden. Wie ich bereits erwähnte, können Sie mit üppiger Bezahlung rechnen.

Hochachtungsvoll,

Sir Adelbert of Eastminster