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"Josh", alles hoffen und bangen hatte nicht geholfen, "Large wird dir den Kopf abreißen, wenn er dir das nächste mal begegnet".
Die Person knipste das Deckenlicht an.
Lässig gegen den Türrahmen gelehnt, mit den Händen in den Hosentaschen und spitzbübisch Grinsend stand der junge Mann Josh gegenüber.
"Ts, ts, ts. Joshi, Joshi, Joshi. Wenn dir einen Tipp geben kann, den ich während meiner CHERUB-Zeit gelernt habe; leg dich niemals mit diesem sadistischen Schwein an".
Beinahe wäre Josh vor Freude in James Arme gesprungen, wie er es als Fünfjähriger so oft gemacht hatte, doch er erinnerte sich daran, das es peinlich für einen Jungen in seinem Alter war jemanden so überschwänglich zu Begrüßen.
So nahm er dieselbe Pose wie sein Gegenüber an und pustete sich cool eine blonde Locke aus dem Gesicht.
"Adams, lange nicht gesehen. Wie geht's dir und Kerry in Amerika so? Hab gehört das du immernoch ziemlich viel Mist baust", das war zwar gelogen, aber er wollte James ein wenig aufziehen.
"Kerry lernt Tag und Nacht für die Uni", sichtlich genervt stieß James einen tiefen Seufzer aus,"ich brauchte einfach eine Auszeit und hab mich kurzfristig ins nächstbeste Flugzeug nach London Heathrow gesetzt. Und jetzt bin ich hier".
Er ließ seine Arme weit schweifen, um das Gelände des Campus einzufassen.
"Da hast du dir ja ein perfektes Timing ausgesucht".
"Ich habe mich daran erinnert das du wahrscheinlich gerade in der Grundausbildung bist und wollte dich von deinem harten Trainingsplan ablenken", beifallheischend für seine ehrenwerten Absichten blickte James dem kleineren Jungen in die Augen.
Dessen Miene verfinsterte sich allerdings, anstatt glücklich darüber zu wirken,
"Hast du noch nicht gehört; Mom hat das Mindestalter für die Teilnehmer erhöht, nachdem zwei Kinder vor Druck zusammengeklappt sind und ein Mädchen in den Steppen der Mongolei umgekommen ist.
Die hohen Tiere beim MI5 haben ihr ziemlich Stress gemacht und gedroht CHERUB beim nàchsten Fehltritt ganz aufzulösen".
"Also heißt das -"
"-das ich noch 164 Tage, 18 Stunden und 35 Minuten ein rotes T-shirt tragen muss".
"So genau wollte ich das gar nicht wissen", murmelte James betreten.
Er wusste genau, wie sehr Josh für die Grundausbildung brannte und daher auch, wie groß seine Enttäuschung über den Aufschub war.
Einhundert Tage von Trainer Large gequält zu werden war zwar keine rosige Aussicht, aber die Prüfung war eine Chance für Josh zu beweisen, dass er die Qualifikation für einen CHERUB- Agenten erfüllte und nicht nur ein Schüler war, da seine Mutter, Zara Asker, die Funktion der Leiterin dieser Abteilung des MI5 übernahm.
"Oh, eigentlich hatte ich gehofft das du mich auf eine streng geheime Mission begleiten könntest. Ich hatte dich schon fest in die Planung eingespannt, der Job ist Maßgeschneidert auf dich".
Wenn Blicke töten könnten, wäre James soeben eines langsamen qualvollen Todes gestorben,"Reibs mir noch unter die Nase, du bist ein richtiger Fiesling".
James hatte Joshs empfindlichen Punkt getroffen und streute unbewusst noch Salz in die Wunde.
Anscheinend merkte er seinen Fehler nicht und plapperte unberührt weiter über Kerry, die Schule, Kerry, Amerika, Kerry, Partys.
Joshs ohnehin schon erschöpften Beine fingen an einzuschlafen und er trat unruhig von einem Fuß auf dem anderen.
Schon immer war der elfjahre Ältere Ex-CHERUB sein Vorbild gewesen, doch heute war er Gift für seine Nerven.
Genervt wandte Josh sich ohne ein weiteres Wort zum gehen.
Rücksichtslos schob er sich unter dem Arm des, über die eiskalte Abservierung, verdatterten James hindurch.
"Lass mich in Ruhe du egoistischer Idiot".
Josh versuchte die Tränen der Wut zurückzuhalten, aber seine Selbstkontrolle begann zu bröckeln.
Auf keinen Fall wollte er vor den Augen seines Vorbilds anfangen wie ein Kleinkind zu heulen, so hetzte er zum Hinterausgang der Sporthalle und stolperte durch den kalten Regen in Richtung Hauptgebäude.

"Sag mal hast du geweint? ", Kermit der Wetterfrosch alias Kenneth Roberts versuchte die verräterischen Schatten unter Joshs Augen einzuordnen.
Er hatte Gestern noch bis Mitternacht wachgelegen und über James blödes Verhalten und seinen dämlichen Gefühlsausbruch gegrübelt.
Kein Wunder das er völlig übermüdet zum Frühstück erschienen war.
Es grenzte schon an ein Wunder das er sich überhaupt motiviert hatte aus dem warmen Bett zu steigen und einen weiteren Ereignislosen Tag zwischen kleinen Hosenscheißern zu verbringen.
"Seh ich so aus?!", giftiger als beabsichtigt fauchte er seinen Freund an. Beschwichtigend hob dieser die Hände, "okay, okay ich habs verstanden, trotzdem brauchst du dich nicht wie ein Mädchen, während ihrer Periode, aufregen."
Mürrisch schaufelte Josh sein Rührei in sich hinein.
Ken verstand den wink mit dem Zaunpfahl und wandt sich seinem eigenen Teller zu.
"Ach übrigens, wir wollten heute Mr Speaks eine unangenehme Überraschung bereiten, dachte mir das es dich vielleicht interessiert", das diabolische Lächeln war auf Kens Lippen zurückgekehrt.
Er wusste genau das sein bester Freund für einen Spaß dieser Art jederzeit zu haben war.
Gerade als er zu einer nàheren Erklärung ansetzte ertönte ein Ohrenbetäubender Schuss.
Automatisch ließen sich alle Kids im Speisesaal zu Boden fallen und krochen unter die Bänke, wie es ihnen schon beigebracht wurde ehe sie laufen oder sprechen konnten.
Ängstlich blickte Ken zu Josh, er war erst seit kurzem CHERUB- Mitglied und noch unerfahren wie ein Welpe, "Was ist los?" Seine Stimme zitterte merklich und er stand kurz vor einer Panikattacke.
Josh legte langsam einen Finger auf die Lippen und bedeutete ihm still zu sein und abzuwarten.
Die eben noch so laute und chaotische Menge von dreihundert Schülern wagte es nicht auch nur einen Atemzug zu nehmen.
Es hätte eine Stecknadel auf die Fliesen knallen können und jeder hätte sofort sagen können wer sie fallen gelassen hatte und wo sie aufgekommen war.
Vielleicht lagen sie eine Stunde regungslos im Speisesaal, vielleicht auch nur fünf Minuten, unter Stress verlor Josh jegliches Zeitgefühl.
Das einzige woran er sich orientierte waren die schnellen unregelmäßigen Atemzüge Kenneths.
Dann begann eine belustigte Stimme zu reden, "ich hätte nicht gedacht dass das funktioniert, aber anders bekommt man euch ja nicht zum zuhören".
Vor Erleichterung hätte Josh fast einen Lachkrampf bekommen.
"Ich bin Adams. James Adams", setze der Schütze seinen Monolog fort.
Josh schwang sich wieder auf die Bank und verzehrte seelenruhig die Reste seines mitlerweile kalten Rühreis.
Er spürte Kens ungläubiges Starren in seinem Rücken.
"Die meisten von euch Kids kennen mich wahrscheinlich am besten als den größten Unruhestifter in der Geschichte CHERUBS".
Unterschwelliges Gemurmel wallte im Saal auf.
"Ich wollte mich nur als neues Mitglied des Kollegiums auf unbekannte Zeit vorstellen. Ihr könnt euer ekelhaftes Rührei jetzt weiter futtern. Ich für meinen Teil gönne mir jetzt ein ordentliches Full English Breakfast".

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