Tag 12

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ie gingen mit mir nach draußen, raus aus diesem unterirdischen System an die frische Luft. Seit wann gehen diese Leute an die frische Luft fragte ich mich, die Wächter waren unglaublich sonnenscheu. Und gerade heute gingen sie raus, wo doch die Hitze an diesem Tag noch grausamer als an den vergangenen Tagen war. Ein Blick auf meine Uhr verriet mir, dass es schon drei Uhr mittags war.

Die Wächter gingen mit mir aus dem Gebäude raus, auf den nächstgelegenen Wald zu. Was hatten die bloß vor? Warum in aller Welt brachten sie mich in einen Wald, wenn sie mich hätten umbringen wollen, warum haben sie es nicht in dem System unter der Erde gemacht? Ich verstand die Welt nicht mehr.

Sie blieben stehen mitten auf einer Lichtung. Auf einmal kam es mir vor, als würde ich aus der Realität katapultiert werden und gleich danach wieder in der Realität eines anderen Menschen landen. Ich wollte das nicht, aber es war zu spät.

Stöhnend und mit verkniffenen Augen stand ich auf und nahm einen kräftigen Schluck Wasser aus der Wasserflasche. Nur noch drei übrig. Ich wusste, dass ich heute irgendwo ein Haus finden musste, um meinen Nahrungsvorrat aufzufüllen, ansonsten würde ich verhungern und austrocknen.

Ich schulterte meinen kleinen Rucksack und zog die Jacke über den Kopf, um mich vor der enormen Sonneneinstrahlung zu schützen.

Tag 12, dachte ich. Zwölf Tage, die ich schon durch die Wüste von New York umherlief. Allein und als scheinbar einziger Überlebender der Katastrophe. Die Bilder der Meteoriteneinschläge waren immer noch vor meinem geistigen Auge. Ich sah die Explosion im Empire State Building, die riesige Staubwolke rollte erneut auf mich zu, sodass ich das Gleichgewicht verlor und stolperte. Hochhäuser stürzten ein, Feuer rollte über die Straßen, Rauch und Staub erschwerten das Atmen. Der trockene, heiße Sand erinnerte mich an den glühenden Asphalt. Er brennt mir in die Haut bis auf das Fleisch. Hilfeschreie von so vielen Menschen klingen in meinen Ohren wieder, doch ich konnte niemandem helfen, ich war gelähmt, von Schmerzen gelähmt und von Angst ergriffen. Meine Familie starb erneut vor meinen Augen, meine Welt geht zugrunde und ich kann nichts machen. Ich bin allein, ganz allein...

Ich wachte auf, schweißgebadet wie aus einem Albtraum. Alles nur ein Traum. Es war drei Uhr nachts und ich lag in meinem Bett. Schwer mitgenommen von diesem furchtbaren Traum gerade. Es war einfach so verdammt nah an der Realität dran. Und es erschien mir alles so echt.

Ich stand auf und ging runter in die Küche. Dort trank ich einen Schluck Wasser. War das normal, solche Träume zu haben. Ich hatte schon oft geträumt auch als kleines Kind, aber keiner dieser Träume hatte sich so echt angefühlt. Oder war es doch etwas Anderes? Eine Vision, oder so was?

Ach, Quatsch! Du spinnst doch redete ich mir selber ein. Ich ging wieder nach oben und versuchte wieder einzuschlafen. Doch ein gewisser Teil dieses Traumes ging mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Diese Fragen, die ich mir in meinem Traum gestellt hatte. Fragen, die uns ja eigentlich alle etwas angehen. Zum Beispiel die Frage, was mache ich hier? Leben, das war die einzige Antwort, die mir spontan auf diese Frage einfiel. Doch ich wusste da musste mehr dahinterstecken. Ich wollte mich mit einem Verb als Antwort auf diese wirkungsvolle Frage nicht zufriedengeben.

Vom Glauben und Wissen  Geschichten vom Leben und mit dem LebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt