Strohhalm der Vergangenheit

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Starbucks hatte ich schon immer geliebt. Als Kind war ich immer an dem Shop vorbeigegangen und hatte diese riesigen Becher voll mit dunkler Köstlichkeit und Sahne bestaunt, mit denen die Kunden den Laden verließen. Und als ich dann vor einiger Zeit die Stellenausschreibung am Fenster gesehen hatte, war ich in den Laden reingestürmt und hatte nachgefragt. Und ich war wirklich gestürmt, denn es hatte geregnet und sich ein Sturm zusammengebraut. Damals hatte ich es als Schicksal empfunden und mir eingeredet, dass der Sturm mich dorthin geführt hatte, doch ich hätte auch in die Fleischerei nebenan gehen können oder in den Comicbuchladen gegenüber. Also hatte ich selbst entschieden, zu Starbucks zu gehen. Es gab kein Schicksal und nur große Zufälle. Das wusste ich mittlerweile.

Und nun stand ich an meinem Arbeitsplatz, hinter der Theke mit einer wunderschönen, grünen Arbeitskleidung. Genauer gesagt war es ein edles, schwarzes T-Shirt, das jeden mit seiner Schlichtheit bezirzte. Dazu eine strahlend grüne Schürze mit dem Starbucks-Logo. Sarkasmus, wie ich ihn liebte. Aber ich hatte mich schon immer gefragt, warum ausgerechnet ein Mädchen mit langen Haaren und einer Krone auf dem Kopf dort abgebildet war.

Immer, wenn gerade kein Kunde an der Theke stand, sah ich mich im Laden um. Ich liebte solche Cafés einfach. Die ganze Atmosphäre nahm mich in den Bann. Die verschiedensten Gerüche, das gedämpfte Tuscheln der Gäste und die leise Hintergrundmusik ließen mich immer wieder herunterkommen und beruhigten mich. Deswegen machte mir das Arbeiten dort besonderen Spaß. Erstens war es interessant, die unterschiedlichsten Leute zu sehen, die aber alle denselben Gesichtsausdruck hatten: Hunger und Vorfreude. Zweitens war ich von Unmengen an Zucker und leckeren Dingen umringt und drittens bekam ich Rabatt.

Ich war so in meinen Gedanken versunken, dass ich erst bemerkte, dass jemand mit mir sprach, als mich ein Schlag auf den Hinterkopf aus dem verträumten Reich mit Frappuccinos und Muffins holte.

„Sue?"

„Jap?", antwortete ich, rieb meinen Kopf und sah in das Gesicht von Allyson, die wiederum zwischen dem Kuchen und mir hin und her sah.

„Ich wünsche dir auch einen guten Morgen. Übrigens bin ich gerade angekommen und wenn du willst, kannst du gerne Pause machen. Ich meine, du kannst auch weiterarbeiten während ich Pause mache..."

Geschockt sah ich sie an, zog meine Schürze aus und warf sie ihr entgegen.

„Viel Spaß!", rief ich der lachenden Allyson zu und ging einmal um die Theke herum.

Mein Blick wanderte gespielt interessiert über die verschiedenen Köstlichkeiten, die ich alle mit dem Namen benennen konnte. Als ich etwas Leckeres entdeckte, tippte ich aufgeregt auf die Scheibe.

„Das nehme ich..."

Allyson zog eine Augenbraue hoch. „Du nimmst doch immer-?"-

„Nicht. Ich nehme einen Caramel Frappuccino und weil ich nach Halloween auf meine Figur achten muss, nehme ich den in Light. Beeilung, wenn ich bitten darf!", unterbrach ich meine Freundin grinsend und sah gespielt gelangweilt auf meine Fingernägel.

~*~

Genüsslich nahm ich einen Schluck des Getränks und schloss automatisch die Augen. Das war eine Angewohnheit von mir, denn dann bildete ich mir ein, würde alles noch besser schmecken. Als mein Handy vibrierte, löste ich etwas enttäuscht meinen Mund vom Strohhalm und sah auf den Bildschirm. „Charming Scream". So hatte ich ihn eingespeichert und wir hatten abgesprochen, dass wir uns erst beim richtigen Treffen unsere Namen verrieten. Er hatte gesagt, SMS seien ihm zu unpersönlich und er würde nicht mehr gerne Briefe schreiben. Das konnte ich verstehen, denn außer im Urlaub verschickte ich seit drei Jahren auch keine Briefe mehr.

Between the Lines || Niall HoranWo Geschichten leben. Entdecke jetzt