Kapitel 1

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Ein Lächeln umspielte ihre herzförmigen Lippen. Ihre dunklen, weit aufgerissenen Augen strahlten Micha an und zogen ihn, wie jeden, in ihren undurchdringlichen Bann. Ihre dichten Augenbrauen zog sie weit nach oben und stieß dabei einen lauten Freudenschrei aus. Er musste lachen, als er beobachtete, wie sie sich umdrehte und so schnell sie konnte hinaus in den strömenden Regen rannte. Sie reckte ihr Gesicht gen Himmel, streckte ihre Arme aus und lies den Regen nur so an ihr runterrasseln. Als sich wenige Tropfen in ihrer Handfläche gesammelt hatten, strich sie mit ihren Fingerspitzen über ihre Hand und verstrich die Tropfen. Ihre schwarzen Locken klebten an ihrem Nacken und bald auch in ihrem Gesicht. Langsam begann sie sich im Kreis zu drehen und dabei zu hüpfen. Dieses Mädchen war Michas Patenkind. Thylane. Das Kind seines Bruders.

"Wenn jemand zu dir sagt: ' das geht nicht.', denke daran, es sind seine Grenzen nicht deine."

Seine Stimme hallte immer noch in ihrem Kopf. Sie warf den Kopf in den Nacken und lächelte.

" Also ich muss die Arme und Beine immer gleichzeitig bewegen. Und die Finger geschlossen halten. Und zwischendurch immer mich lang wie ein Pfeil machen?"

"Ganz genau mein Spatz. ", flüsterte er ihr ins Ohr.

"Eins, zwei... uuund... DREI!" Er hob sie hoch und schmiss sie in den Pool.

Das Wasser war eiskalt und umhüllte ihren kleinen Körper. Ihre Arme paddelten wie wild und sie verschluckte sich. Das Wasser zog sie nach unten. Sie kämpfte dagegen an. Er tat nichts, war allerdings angespannt. Wenn sie nicht mehr konnte, würde er ihr helfen. Er sah mit zusammengekniffenen Augen zu, wie sie immer noch verzweifelt versuchte die Oberhand zu gewinnen. Niemand schaffte es beim ersten mal. Auch sie nicht. Da war er sich sicher. Sie kämpfte weiter, langsam runzelt Micha die Stirn. Die meisten ließen nach knappen zwei Minuten nach, doch sie kämpfte immer noch. Sie wollte es unbedingt. Er konnte es spüren. Sie war so stark. Und da, er konnte sehen, wie sie langsam die Kontrolle übernahm. Doch sie war zu erschöpft um es bis zum Rand zu schaffen. Micha schaute kurz auf die Uhr und musste stolz feststellen, dass sie ganze acht Minuten durchgehalten hatte. So lang schafften kaum welche. Und dann war es so weit, sie war am Ende ihrer Kräfte. Er sprang ohne mit der Wimper zu zucken hinein und hielt sie fest übers Wasser. Ihre kurzen Ärmchen hielten sich zitternd an ihm fest. Er konnte ihren schnellen Herzschlag an seiner Brust spüren, ihren flachen Atem an seinem Nacken, ihre Stummelbeinchen locker um seine Taille.

"Ich hatte es fast gesch... geschafft.", nörgelte sie.

"Du hast ganz geschafft, mein Spatz. Ich wollte nur zu dir ins Wasser und dir gratulieren!" Sie lachte und schlug ihm leicht auf seine Schulter.

Sie stieß sich von ihm ab und schüttelte den Kopf, als er sie festhalten wollte.

"Ich will nochmal ausprobieren!" Und dann tauchte sie mit einem Schwung nach unten, als ob sie es schon 10 000 Mal gemacht hatte. Er grinste und tauchte auch runter. Als er unter Wasser seine Augen öffnete, sah er sie vor sich, wie sie ihn mit einer großen Zahnlücke angrinste. Dann machte er mit den Händen eine Bewegung, was für sie hieß sie sollte zu ihm kommen. Sie nickte und tauchte auf ihn zu. Dann streckte sie ihre Arme nach ihm aus, er zog sie an sich und sie tauchten zusammen wieder auf. Beide schnaubten laut auf und atmeten schnell Luft ein. Nach einer Weile sah sie zu ihm und nuschelte: " Kancht dues machen?" Er lächelte und nickte. Dann hob er ein Hand, die Handfäche nach unten gerichtet und schloss seine Augen. Dann auf einmal schwebten ganz viele, kleine Wassertropfen langsam über ihre Köpfe. Es waren so viele, dass sie sie gar nicht zählen konnte. Sie hob staunend ihren Kopf und beobachtete, wie verschiedengroße Tropfen auf ihren Platz flogen und dann blieben sie alle still. Nach wenigen Augenblicken kam die untergehende Sonne hinter einem Baum hervor und schien so durch die Tropfen, dass sie in vielen verschiedenen Farben leuchteten.

Thylane lachte leicht, legte ihren Kopf schief, zeigte mit ihrem ausgestreckten Finger auf all die Tropfen und flüsterte: " Oh guck mal, das sind alle Sterne, die man von uns nachts sehen kann!"

Silent Heart Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt