Kapitel 1 ~ Die ersten Sonnenstrahlen

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Diana

Mein Name ist Diana. Und das ist meine Geschichte.
Ich war fast da. Nur noch 48 Schritte, dann nach rechts abbiegen und die Tür aufschließen. Mein Herz klopfte so wild wie jedes Mal, wenn ich es tat. Noch 14 schritte. Ich sah schon die Tür vor mir. Ich war da. Das Gefühl von Erleichterung erfüllte mich, als das Schloss ohne weitere Probleme aufsprang. Jetzt kommt es auf Schnelligkeit an. Ich fing an zu rennen. Meine Schritte waren groß und leise. Und dann sah die Box. Er hatte mich schon längst bemerkt.
»Hey du.«, begrüßte ich ihn. Woraufhin er laut schnaufte. Ich war zu spät und verdrehte die Augen.
  »Komm schon. Du bist mir doch nicht wegen 15 Minuten böse?«, fragte ich ihn mit gespielter Betroffenheit.  Er ignorierte mich. Gut, wenn er mich ignorierte, dann konnte ich mich besser auf meine Arbeit konzentrieren. »Fertig.«, sagte ich nach ungefähr drei Minuten und nahm meinen Rucksack.
  »Kann losgehen« Offenbar verstand er, denn er drehte schon den Kopf in Richtung Tür. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Ich ging zur Tür und mit einer kurzen Handbewegung war sie offen. Von hinten konnte ich ein weiteres Schnauben hören, aber ich ignorierte es. Wir hatten keine Zeit, um uns jetzt über die Risiken zu streiten.
»Hey muss ich dir jetzt auch noch 'ne schriftliche Einladung geben? Jetzt komm schon«, rief ich ihm zu, als er immer noch auf seinem Platz stand. Das musste ich ihm nicht zweimal sagen. Schon raste er an mir vorbei hinaus. Es war schon fast soweit. Uns blieb nicht viel Zeit.
  Anscheinend bemerkte er meine Eile, denn er kam zu mir, ließ mich aufsteigen und rannte los. Der Wind blies mir meine Haare ins Gesicht. Ich roch das frische Gras, das noch feucht vom Tau war. Ab und zu hörte man einen einzigen Vogel zwitschern. Oder eine Biene summte an meinem Ohr vorbei. Ich liebte es. Jedes Mal wenn ich auf Hector meinem Lieblingspferd ritt, hatte ich das Gefühl zu fliegen.
Ich konnte meinen 16 Geburtstag kaum erwarten. Denn dann war es soweit. Ich würde ohne Hector fliegen. Ich würde mit ihm zusammen an meiner Seite fliegen. Doch bis dahin waren es noch 2 Jahre. Ich musste mich also noch etwas gedulden. Aber das machte nichts, denn bis dahin konnte ich ja jeden Morgen auf Hector reiten.
Schon als kleines Kind liebte ich es. Zwar durfte ich nur Schritt reiten, aber auf dem Rücken eines Pferdes zu sitzen, war für mich jedes Mal ein Abenteuer. Und jetzt hatte ich ein eigenes Pferd. Wunderschön, stark und schnell wie der Blitz. So oft wie ich konnte kam ich hierher. Auch wenn es ein großes Risiko war. Eigentlich durfte ich nicht alleine nach draußen. Doch bis jetzt hatte uns noch nie jemand bemerkt. Ich ging immer zu ihm, wenn es niemand bemerkte, wenn alle schliefen, wenn alles still war.
Es war schon fast so weit.
»Wir sind gleich da, Hector« Und dann blieb er stehen. Ich stieg ab und landete im weichen Gras.
Und dann geschah es. Die ersten Sonnenstrahlen streiften mein Gesicht. Sie tauchten meine Umgebung in ein wunderschönes Orange. Ich genoss das Gefühl, wie sie warm meine Haut streichelte, wie sie mir neue Energie gab, neuen Mut, neue Hoffnung. Auch Hector regte sein Kopf in Richtung Sonne. Wir kamen jetzt schon seit Jahren hierher, doch trotzdem stockte mir jedes Mal der Atem. Dieses Gefühl wie die Strahlen einen berühren war einfach einmalig. Doch trotzdem konnte ich es nicht lange genießen. Ich wand mich ab und ging zu Hector. Er wusste was jetzt kam.
  »Wir müssen gehen«, ich konnte das Bedauern in meiner Stimme nicht unterdrücken. Doch Hector wusste nur zu gut warum wir nicht länger bleiben konnten. Ich bestieg seinen Rücken und wir flogen zurück, zurück ins Gefängnis.

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