Kapitel 3 ~ Mein Engel

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Diana
Auch auf dem Rückweg begegnete uns niemand. Doch das hieß noch lange nicht, dass es einfacher war. Als ich Hector zurück in seine Box gebracht hatte, ihn kurz gefüttert hatte, machte ich mich auf den Rückweg. Da Wachen vor meiner Tür standen konnte ich nicht einfach reinspazieren. Ich musste also von hinten Hochklettern und mich dann ins richtige Zimmer reinschwingen. Das war zwar nicht ganz so einfach, aber machbar. Und außerdem hatte ich schon viel Übung darin. Ich lief zu dem Baum, von dem ich immer gut an ein Fensterbrett übersteigen konnte. Schon früher mochte ich es, an dem Baum hochzuklettern. Von dort aus konnte man den Sonnenuntergang beobachten. Oft hatte ich mich auf ihm versteckt, wenn mich irgendjemand nervte. Ich saß dann dort Oben, summte meine Lieblingslieder, dachte mir Geschichten aus und beobachtete wie die Sonne unterging und der Mond mir seine helle Seite zeigte. Ich war jetzt an dem Fensterbrett angekommen. Schritt für Schritt arbeitete ich mich hoch.
«Immer gut festhalten», hatte mein Vater gesagt. «falls du fällst werden dich bald deine Flügel tragen. Doch bis dahin werde ich auf dich Acht geben.», versprach er mir.
«Aber irgendwann werde ich nicht mehr da sein um dich aufzufangen.» Worauf ich immer antwortete:
«Ich freue mich schon auf den Tag, wenn meine Flügel mich auffangen werden. Aber ich freue mich nicht auf den Tag, wenn du nicht mehr da bist. Wo wirst du denn dann sein? Wirst du mich denn auch wieder besuchen?»
«Der Tag an dem ich nicht mehr für dich da bin, ist noch fern. Doch er wird kommen. Doch vergiss nie, ich werde immer in deinem Herzen weiterleben. Ich werde immer bei dir sein. Ich liebe dich.», entgegnete er. Ich habe meinen Vater so sehr geliebt. Er hatte mich geliebt. Doch eines Tages, meiner Meinung zu früh, verschwand er. Seitdem hatte ich nie wieder zu Gesicht bekommen. Mit jedem Tag der kam, wurde es schwerer nicht an ihn zu denken. Alle sagen man kommt über solche Sachen hinweg, doch entweder sind sie herzlos oder kennen das Gefühl nicht. Denn es wird nicht besser, sondern schlechter. Diese Nacht war dunkler als andere. Meiner Meinung, müsste ich noch 4 Meter hochklettern, dann wäre ich an meinem Zimmer. Als ich an dem Fensterbrett ankam hielt ich mich fest und schwang mich durch das offene Fenster. Doch als ich drin war bemerkte ich, dass ich in dem falschen Zimmer gelandet war. Unbemerkt an jemandem vorbeischleichen, Nahkampf, Spurenlesen und noch vieles mehr lernte ich in meiner Ausbildung.
Schritt eins:

-So schnell wie möglich und so leise wie möglich tarnen

Schritt zwei:

-Überblick verschaffen

Schritt drei:

- Plan fassen

Schritt vier:

-ausführen

Und das tat ich. Ich warf mich so schnell und so leise wie möglich auf den Boden, kroch, leise, in eine dunklere Stelle und verschaffte mir so schnell wie möglich einen Überblick.
Das Zimmer war ungefähr 30 Quadratmeter groß, ich war drei Meter von der Tür entfernt, auf der linken Seite des Zimmers stand ein großes Bett, Dessen Länge zwei Meter und dessen breite ein halb Meter war, und ...
Ich stockte. Ich musste mir ein Lachen verkneifen, wegen meines Verhaltens. Und auf dem Bett lag ein Engel. Mein Engel.
Ich trat näher an das Bett heran. Ich seufzte. Fira war das liebevollste, süßeste, verständnisvollste Wesen was ich jemals gesehen habe. Sie war gerade mal acht Jahre alt, doch manchmal erwachsener und gütiger als jeder auf diesem Schloss. Ich liebte sie mehr als mein Leben, mehr als alles auf dieser Welt. Ich würde alles für sie tun. Ich würde für sie sterben. Doch als ich mir ihr Gesicht näher ansah, bemerkte ich, dass ihre Wangen feucht waren. Meine kleine Schwester litt an Alpträumen. Fast jede Nacht musste ich zu ihr ins Bett kriechen und sie beruhigen. Manchmal schlafwandelte, redete oder weinte sie. Immer dann musste ich sie in die Arme nehmen und streicheln. Ich hatte schon jeden möglichen Zauber ausprobiert, damit sie ruhig schläft. Doch ich war erfolglos. Ich konnte nichts tun. Außer sie aufzuwecken oder zu beruhigen. Manchmal sang ich ihr auch ein Schlaflied, aber das half nicht lange. Da ich nichts Besseres tun konnte war ich gezwungen ihr dabei zuzusehen. Doch wenn die Sonne aufging, waren die Alpträume längst Schnee von gestern. Denn wenn die Sonne aufging dann gibt sie den Dienas neue Kraft. Sie war ein Diena. Genau wie ich.

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