Kapitel 6 ~ neue Energie, neuen Mut, neue Hoffnung

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Lyn

Obrian. Die verlassene Stadt. Kurzfassung: Krieg: Obrian gegen Deane; 4 Jahre; Deane siegte; Nach dem Krieg war Obrian immer noch voller Bomben und anderem Zeugs; wegen zu großem Risiko wurde sie nicht mehr aufgebaut. Doch ich bewegte mich ja nicht auf der Straße oder überhaupt irgendwo unten fort. Nur einmal musste ich auf die Straße. Aber die war sicher, da sie schon einmal betreten wurde. Damals, nach dem Krieg, wollten sie die Stadt wiederaufbauen. Sie fingen an dem wichtigsten Gebäude an. Dem Dom von Obrian. Er selbst wurde kaum beschädigt, doch der Platz und die Straße um ihn herum schon. Auch die Bibliothek neben ihm war komplett zerstört. Zuerst lief alles gut. Sie bauten die Bibliothek wieder auf und widmeten sich dann dem Platz um den Dom herum. Natürlich waren nicht überall Bomben, doch als sie mit dem Platz fertig waren und mit der Straße weitermachten kam das, was kommen musste. Einer der Männer schaffte es irgendwie auf eine Bombe zu treten, die sich anscheinend unter dem Asphalt befand und sehr empfindlich war. Sie ging in die Luft und zerstörte abermals die Bibliothek und den Platz um den Dom herum. Ein paar der Mitarbeiter hatten überlebt. Danach beschlossen sie, dass erstmal niemand die Stadt betreten durfte, bevor sie irgendwelche Pläne gemacht haben. Doch das war nun auch wieder ein paar Jährchen her. Vor ungefähr vier Jahren kam ich zum ersten Mal hierher. Ich hatte keine Lust mehr die ganze Nacht lang einfach nur im Bett zu liegen. Also beschloss ich mich mal umzuschauen. Zuerst kletterte ich einfach nur auf unser Dach und genoss die Aussicht. Doch irgendwann konnte ich mich nicht mehr zurückhalten und begann die Gegend zu erkundigen. Anfang war es etwas umständlich, aber bald bemerkte ich wie gerne ich rannte und irgendwo hochkletterte. Also begann ich zu trainieren. Ich schaute mir im Internet die Bewegungen an und versuchte sie nachzumachen. Anfangs wusste ich nicht wie ich das alles lernen sollte, doch irgendwie bekam ich es dann doch hin. Nach ein paar Jährchen musste ich schon sagen das ich es echt drauf hatte. Ich überlegte mir manchmal sogar eigene Sprünge, doch das meiste schaute ich mir aus dem Internet an. Jede Nacht kletterte ich, seid dem, unser Gebäude hoch und rannte zur Stadt. Ich wusste zwar nicht warum, aber immer, wenn ich das tat, fühlte ich mich frei. Das konnte aber auch daran liegen, dass ich mich in meinem " Zuhause" irgendwie eingesperrt fühlte. Ich war auf einer Schule für Jugendliche mit besonderen Begabungen, die sich eine Sonderschule nicht leisten konnten, oder die einfach niemanden hatten, der ihnen das finanzierte. So wie bei mir. Ich wusste, dass klang komisch, aber so war es einfach. Die Leute auf meiner Schule hatten alle irgendeine besondere Begabung. Jetzt nicht irgendwelche magischen Fähigkeiten, nein, sie waren einfach nur zum Beispiel sehr gut in Sprachen, Musik oder so. Tja so war das auf meiner Schule. Und ich? Warum war ich auf ihr? Tja, das habe ich auch nicht ganz verstanden.
Ich schaute auf meine Armbanduhr. Gleich 22 Uhr. Ich war etwas spät. Noch ungefähr fünf Meter, dann musste ich eine acht Meter hohe Mauer hochklettern. Ich nahm viel Schwung und landete ungefähr in der Mitte der Mauer, wo ein kleiner Stein mir halt bot. Dann drehte ich mich um und sprang auf das etwas kleinere Geländer, das sich dort erstreckte. Ich zog mich hoch, stellte mich auf die Kante, nahm abermals viel Schwung und sprang nun ganz, von dem 4 Meter hohem Geländer auf die Mauer. Ich hielt mich an der Kante fest und zog mich wieder hoch. Als ich auf der Mauer stand, lief ich sofort weiter. Nach 20 Metern musste ich von der Mauer auf einen Baum, im Abstand von vier Metern zur Mauer, springen. An dem Baum hatte ich ein Seil befestigt. Noch drei Meter. Spring! Ich sprang und streckte meine Hände nach dem Seil aus. Ich bekam es zu fassen und schloss meine Hände fest um das Seil. Es schwang hin und her. Nach dreimalen sprang ich ab. Meine Füße landeten auf dem Asphalt, meine Beine waren gebeugt, meine Arme hielt ich vor mir. Nach einer Rolle, zur Abfangung des Schwungs, befand ich mich auf der Straße. Ich war jetzt auf dem Boden. Mein Herz klopfte wild und meine Lungen brannten. Ich keuchte leicht, doch rannte weiter. Nur kurz, Lyn. Das schaffst du, wie immer. Bleib cool! Wie oft bist du schon hier gelaufen und es ist nichts passiert?! Tief ein- und ausatmen. Nur noch sieben Meter. Du hast es gleich geschafft. Ich rannte wie immer. Große, schnelle, leise, leichte Schritte. Naja, ich versuchte es. Und dann war es vorbei. Ich musste, ab hier, nur noch klettern. Ich war am Dom und ich wollte auf die Spitze. Nach 13 Minuten und 24 Sekunden, einer meiner Bestleistungen, kam ich endlich am höchsten Turm an. Ich stellte mich kurz auf ein Fensterbrett, atmete tief durch und schloss die Augen. Mein Herz pochte wild gegen meine Brust, meine Muskeln zitterten leicht, Adrenalin durchströmte immer noch meine Adern. Ich schaute kurz auf die Uhr. Es war 22:10 Uhr. Noch fünf Minuten. Ich streckte meine Arme nach oben und zog mich ein letztes Mal hoch. Mit den Beinen stieß ich mich ebenfalls nochmal ab. Dann stand ich oben. Auf dem höchsten Gebäude in der ganzen Stadt auf dem höchsten Turm. Der Wind blies mir durch die Haare, strich an den Mauern entlang und erzeugte ein Heulen. 10 Sekunden. Der Himmel war pechschwarz und mit Wolken bedeckt. 6 Sekunden. Ich hielt mich an dem Stab, der auf dem Dach in der Mitte befestigt war, fest. 3, 2, 1. Und dann konnte ich ihn sehen. Der Mond kam hinter einer der weit entfernten Hügel hervor. Wunderschön silbern und hell leuchtend. Ich streckte mein Gesicht in seine Richtung. Ich genoss das Gefühl, wie er warm meine Haut streichelte, wie er mir neue Energie gab, neuen Mut, neue Hoffnung.

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