46|Nora und Angelo

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Ich drehe mich neugierig um, damit ich sehe, wer da wohl steht und blicke in ein lächelndes Gesicht.

"Hey. Ich bin Nora.", trällert die Glöckchen Stimme wieder, während mich zwei braune Augen ansehen.
"Ähm... Ich bin Clive?", kommt meine zögerliche Antwort. Vielleicht kenne ich das Mädchen ja... Aber nein, dann hätte sie sich nicht vorgestellt. Aber wieso spricht sie mich dann an?

"Du fragst dich jetzt bestimmt, was ich von dir will oder was mit mir nicht stimmt", lächelt mich Nora an. Ich runzle etwas verwirrt die Stirn und nicke leicht. "Sowas in der Art."

"Naja, ich bin neu hier und gehe ab nächste Woche hier aufs Internat, und da du hier in der Nähe der einzige coole Mensch zu sein scheinst, habe ich mich dazu entschieden, dass ich dich anspreche und wir uns anfreunden. Ich werde dann die verrückte Neue an deiner Seite sein und alle werden uns dumm anschauen und sich fragen, wer ich bin. Dann stellst du mich deinen Freunden vor. Ich werde dich mal mit in die Szene der Adidas-Ninjas rein holen und dir alles erklären, wie das so abläuft und dann sind wir unzertrennlich for ever.", plappert mich Nora voll und mein Gehirn wird zunehmend voller und überforderter.

Ich blinzle. "Das war zu viel für diesen Morgen. In so kurzer Zeit, so viele Informationen aufzunehmen, ist nicht unbedingt meine Stärke", murmel ich und sehe das Mädchen an.

Ich glaube in meiner Umgebung gibt es nur hübsche Leute. Nora, vor mir, hat lange braune Haare und ebenfalls braune Augen, die freundlich strahlen. Ihre Kleidung scheint nur aus Adidas Klamotten zu bestehen, was mich leicht verunsichert. Sie ist bestimmt ein Adidas-Suchti oder sowas.

Oder sie ist mehr der sportliche Typ und zieht lieber solche Klamotten an. Ich meine, es sieht ja nicht scheiße oder assihaft aus.

Nora hat schwarze All Stars, eine enge Leggings und ein bauchfreies Top, darüber noch eine Joggingjacke, natürlich alles von Adidas, und eine schwarze Cap.

"Also, das mit den Adidas Ninjas musst du mir noch mal erklären...", murmel ich immer noch betröppelt von der gesamten Situation.

"Das wirst du alles mit der Zeit mitbekommen. Das verspreche ich dir.", grinst sie mich an und ich kann mein Hirn nicht davon abhalten, sie auf die Stufe der 'Ein wenig vertückten Leute' zu stellen.

"Also ich würde dich ja gerne rum führen, aber es gibt da dieses kleine Problem, dass ich selber nicht weiß, wohin ich muss", lächle ich entschuldigend.
"Kein Ding. Ich habe eigentlich schon jemanden, der mich rumführen soll."

"Wieo kommst du eigentlich erst nächste Woche? Ich meine, es ist eine Woche später, als Schulbeginn", frag ich neugierig.

"Ich werde erst nächste Woche aus der Psychiatrie entlassen", kichert sie und ich fange an zu lachen.
"Cool. Nein, aber jetzt mal ehrlich. Wie kommts?", frage ich lächelnd.

"Das war mein voller Ernst", lächelt Nora weiter, was meine Augenbrauen nach oben treibt.
"Wie jetzt?", kommen meine geistreichen Gedanken. "Ich bin bis Sonntag offiziell in der Psychiatrie gemeldet. Meinen Betreuer Herbert habe ich vorhin verarscht und bin dann abgehauen.Der sollte mich aj eigentlich rum führen... Jetzt spielen wir Verstecken", grinst sie stolz und meine Kinnlade findet langsam den Weg zum Boden.

"Im Ernst ich hätte nicht gedacht, dass ich mal eine psychisch kranke Person treffe", blabber ich dumm rum und sehe Nora weiterhin erstaunt an. "Du siehst gar nicht aus, wie ich mir so jemanden vorgestellt habe"

"Du bist lustig", kichert Nora. "Angelo findet das auch", lacht sie und klatscht in die Hände.
"Wer ist denn jetzt Angelo?", frage ich verwirrt und sehe mich nach einer Person um, die Angelo sein könnte.

"Das ist mein unsichtbarer Freund. Er steht neben dir und versucht dich anzufurzen", lacht sie wie ein kleines Kind und ich sehe mit tellergroßen Augen zu ihr.

Ein unsichtbarer Freund. Das ist irgendwie voll toll. Naja, jetzt verstehe ich halbwegs, wieso man sie eingewiesen hat, obwohl ich das persönlich vollkommen ungerechtfertigt finde. Immerhin darf man ja wohl noch einen imaginären Freund haben dürfen.

Noch bevor ich etwas weiteres dazu sagen kann, ertönt ein lauter Ruf. "Miss Fields. Was machen Sie denn da?"

Ich drehe mich um und sehe einen Mann um die Vierzig auf uns zu huppeln.

Rennen kann man das nicht nennen, genauso wenig wie Joggen, denn irgendwie sieht es ganz komisch aus, wie der Typ da her kommt. So eine Mischung aus Humpeln und 'Huch Gott ich flieg gleich auf die Fresse, fang mich auf!'.

Ich unterdrücke ein fieses Lachen und sehe zu Nora, die den Mann anlächelt, als wäre er gerade wirklich auf die Fresse geflogen und hätte gerade ein Häschen in der Hand.

"Hey Herbert. Du hast Angelo vergessen. Er steht auch hier und ich hab dir doch gesagt, dass du mich Nora nennen sollst", trällert sie fröhlich.

Der Mann, Herbert, kommt schnaufend zum Stehen und sieht Nora mahnend an. "Und ich habe Ihnen schon oft gesagt, dass Sie mich Mr. Big nennen sollen", keucht der Mann.

"Naja, es gibt keinen Grund jemanden so kleinen, Mr. Big zu nennen", grinse ich. Der Mann schnauft empört und sein Schwabbelbauch hüpft einmal nach oben und lässt sich dann wieder nach unten fallen.

Für einen so kleinen Mann hat er eine ganz schöne Fülle und mit der Brille und der Halbglatze sieht er nicht gearde sehr... ansprechend aus.

Er fährt sich gestresst mit seinen rosa Wurstfingern durch die nicht vorhandenen Haare und sieht dann zu Nora.

"Miss Fields ich soll sie begleiten und auf sie Acht geben. Das kann ich jedoch nicht, wenn sie vor mir flüchten", sagt der kleine Mann aufgebracht.

"Angelo wollte aber nicht auf dich warten Herbert. Und ich kann ihn doch nicht alleine lassen", kichert Nora und lächelt mich an.

"Na schön Miss Fields. Kommen Sie jetzt. Wir müssen wieder los", gibt sich der Mann schließlich geschlagen.

"Wir sehen uns Clive", kichert Nora nur verschwörerisch und winkt mir noch wie ein kleines Mädchen zu, bevor sie in einer Art Hüpfgang den Korridor entlang springt.

Herbert schüttelt nur den Kopf und läuft ihr hinterher. "Und so jemanden wollen sie entlassen", höre ich ihn noch murmeln, bevor ich mich selber rum drehe und zu meiner Zimmertür laufe.

Nora scheint ganz cool zu sein. Wie es aussieht, habe ich rein gar nichts gegen psychisch labile Menschen mit einer Schwäche für imaginäre Freunde.

Als ich das Zimmer betrete strömt mir eine Wolke an Parfum entgegen, welche sofort einen Hustreiz hervor ruft.

"Um Gottes Eillen, was ist hier passiert? Ist das Scheißhaus verstopft und übergelaufen oder wieso stinkts hier so?", rufe ich und halte mir meine Nase zu.

"Ey! Das ist mein neues Parfum. Voll geil", kreischt mir Ambers Stimme zu.
"Aber jetzt zu dir. Wo war denn Clive über Nacht?", quietscht sie und ich kann die Neugierde in ihrr Stimme hören.

Ich habe leider nicht vor zu antworten und schließe die Tür hinter mir. "Oh. Das, was du anhast erklärt wohl alles...Naja, fast alles", sagt sie und betrachtet mich abfällig.

"Jetzt ist nur noch die Frage offen, ob du bei Adam warst... oder ob du bei...", sie bricht ab und sieht mich forschend an.

"Bei?", frage ich spöttisch und halte ein Grinsen zurück. "Bei deiner Affäre", sagt sie schmell und dreht sich zu ihrem Spiegel. Eigebildete Kuh...

Ich grinse nur und laufe zu meinem Schrank um mir frische Klamotten zu holen. Dann gehe ich ins Bad um mich fertig zu machen. Scheint, als hätte mich Adam doch früh genug geweckt, sodass ich die Chance habe pünktlich zum Unterricht zu kommen, was mir eigentlich ziemlich egal ist.

Ich habe immer noch den Bonus, dass ich nicht weiß wo es überhaupt lang geht, also kann ich das immer schön vorlügen...

Irgendwo zwischen Liebe und HassWo Geschichten leben. Entdecke jetzt