Es war ein sehr heißer Sommertag in Buenos Aires. Obwohl es schon Abend war, hielt man es draußen nur für eine sehr kurze Zeit aus, und auch drinnen waren die Temperaturen nicht gerade erträglicher. Und so kam es, dass Angie und Violetta vor dem Fernseher saßen, sich so wenig wie möglich bewegten und alle zwei Sekunden zum Wasserglas griffen.
"Ich verstehe nicht, wie Papá bei diesem Wetter noch arbeiten kann? Mein Gehirn ist langsam aber sicher dahingeschmolzen." murmelte Violetta.
Ja, German war den ganzen Tag über in seinem Büro gesessen und gearbeitet. Wie er das bei dieser Hitze geschafft hatte, war auch Angie unklar. "Ich weiß es nicht, Vilu. Aber bestimmt macht er bald Feierabend."
Als hätte German sie gehört, öffnete sich die Tür des Büros und ein müde aussehender German trat heraus. "Na endlich bist du fertig, Papá! Es ist Freitagabend, die Hitze ist nur schwer erträglich und du hockst den ganzen Tag im Büro!"
"Ging eben nicht anders." brummte German und machte Anstalten, die Treppen hinaufzugehen. "Aber du kommst doch gleich und schaust mit uns fern, oder?" Violetta hatte sich zu ihm umgedreht und blickte ihren Vater mit großen Augen an. Dieser nickte. "Ja, gerne. Ich zieh mir nur noch schnell etwas anderes an." Mit diesen Worten verschwand er in seinem Zimmer.
Noch so eine Sache. Wie bitte hatte dieser Mann es geschafft, den ganzen Tag im Anzug zu verbringen? Angie hatte ihre Bekleidung auf ein Top und Shorts reduziert, und schon darin hielt sie es kaum aus. Obwohl sie sich insgeheim eingestehen musste, dass ihm dieser Anzug stand.
Wenig später kam ein erleichtert aussehender German mit T-Shirt und Shorts bekleidet die Treppen hinutergelaufen und ließ sich müde neben Angie in das Sofa fallen. Wie immer in seiner Nähe begann Angies kleines Herz wie wild zu klopfen. "Harter Arbeitstag?" fragte sie dennoch und war erleichtert, dass man ihrer Stimme nicht anhörte, wie nervös sie eigentlich war.
"Kann man wohl sagen." antwortete German und setzte sich seufzend wieder auf. Er griff nach einem der leerstehenden Gläser auf sem Tisch, goss sich etwas Wasser ein und leerte es in einem Zug. "Was schaut ihr beiden denn schönes?"
"Eine romantische Komödie." antwortete Violetta. "Ab 12. Also kein Grund zur Sorge, alles noch jugendfrei." Ihr Vater schüttelte den Kopf, erwiderte jedoch nichts darauf. Er wusste ja selbst, dass er sehr übervorsichtig war, doch dass Violetta ihm das jedes Mal auf die Nase binden musste?
German lehnte sich wieder zurück und schloss einen Moment die Augen. Ja, es war ein anstrengender Tag gewesen und war auch nicht ganz spurlos an ihm vorbeigegangen. Denn jetzt plagten ihn Koofschmerzen, und das war so ziemlich das letzte, was er bei dieser Hitze wollte. Langsam öffnete er die Augen wieder. Sein Blick fiel wie von selbst auf seine Schwägerin, die neben ihm saß und gebannt auf den Fernseher starrte.
Er musste zugeben, dass sie einfach nur zauberhaft aussah mit dem kleinen Lächeln auf den Lippen und den strahlend blauen Augen. Ihre blonden Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und es fiel ihm schwer, sich zu beherrschen und nicht seine Hand auszustrecken, um ihr eine lose Haarsträhne hinter das Ohr zu streichen.
Ja, tief in seinem Inneren hegte er schon Gefühle für seine Schwägerin, als er sie das erste Mal gesehen hatte. Ihre besondere, mitfühlende Art hatte ihn sofort in ihren Bann gezogen. Lange Zeit hatte er seine Gefühle nicht wahrhaben wollen, hatte sie ihn den Hintergrund gedrängt, hatte versucht, sie zu vergessen. Jetzt war er sich sicher, dass dies nie geschehen würde. Es war ihm schlichtweg unmöglich, diese bezaubernde Frau und diese starken Gefühle für sie zu vergessen. Doch es war zu spät, er hatte den Moment verpasst und nun war es vorbei. Denn sie hatte auch etwas für ihn empfunden, das wusste er. Aber er hatte es vermasselt, und es gab nun keine Hoffnung mehr. Das einzige, was er hoffte war, dass er sie vielleicht doch eines Tages vergessen würde. Doch da war immer noch sein Herz, das das auf keinen Fall zulassen würde.
