41. Kapitel
Die folgenden Tage höre ich nichts mehr von ihm und ich vermisse ihn. Ich habe es mir schon angewohnt, ihn täglich zu sehen.
Er ist mein erster Gedanke am Beginn des Tages und der letzte am Ende des Tages. Nachts liege ich mit dem bestickten Kissen meiner Mutter an meiner Brust angekuschelt kerzengerade in meinem Bett und denke an ihn. Die letzten gemeinsamen Stunden lasse ich in meinem Kopf Revue passieren. Ich denke daran, wie er mich berührt und geküsst hat. Mit meinen Fingern streiche ich über die Stellen, wo er mich berührt hat, wobei meine Finger schlussendlich auf meinen Lippen landen, die er so leidenschaftlich geküsst hat.
Auch tagsüber, während den Kursen, bin ich in Gedanken nur bei ihm. Den Unterrichtsstoff nehme ich nur wage wahr. Ich habe ihm etliche Nachrichten geschickt und genauso oft versucht, anzurufen, doch er meldet sich nicht. Es versetzt mir einen Stich ins Herz, wenn ich daran denke, dass er mich meidet und das nur, weil er ein falsches Selbstbild von sich hat. Er ist nicht nicht gut für mich.
Nein, er ist das komplette Gegenteil.
Er ist gut für mich. Ja, er ist verdammt gut für mich. Seit ich ihn wieder getroffen habe, bin ich glücklicher denn je. Ich habe das Gefühl, dass mein Leben nun komplett mit ihm ist. All die Jahre hat mir etwas gefehlt und heute weiß ich, dass mir mein Kindheitsfreund, mit dem ich so viel erlebt habe, gefehlt hat. Nur er konnte diese Lücke in meinem Herzen schließen.
Da er sich neben Lily nun auch aus meinem Leben verkrochen hat, habe ich keinen mehr hier außer Liam, mit dem ich in letzter Zeit viel Zeit verbringe. Die Mittagspausen verbringen wir gemeinsam, wo ich Näheres über seine Person erfahre. So erzählt er mir, dass er in seiner Freizeit gerne Fußball spielt und in der Kunst-AG ist. Ein kleiner Künstler also. Oh und habe ich schon erwähnt, dass er gerne kocht?
"Bah, ich verstehe nicht, wie Mrs. Hell für die Cafeteria zuständig sein kann, wenn die Pampe hier den Studentin alleine schon vom Anblick her den Appetit verdirbt!", beschwert er sich, während er sein Essen anstarrt. Ich kann nicht genau sagen, worum es sich dabei handelt, es ist irgendein schmieriges Zeug, das an die Ausscheidung eines Bäuerchens eines Babys erinnert.
"Psch, sie hat ihre Ohren überall", zische ich und lege ihm meine Hand vor den Mund. Er kichert leise dagegen und entfernt meine Hand langsam von seinem Mund. "Das stimmt, sie ist auch die größte Gossip-Bitch der Schule", meint er und wie aufs Stichwort steht Mrs. Hell hinter ihm. Ihr Blick ist angestrengt und ich habe das Gefühl, dass ich an meiner unterdrückten Lache ersticke.
"Was hat das denn zu bedeuten?" Sie zieht ihre Augenbrauen hoch und sieht so aus, als würde sie Liam jeden Moment mit ihrem Kochlöffel erschlagen wollen. Wieso läuft sie mit diesem Ding überhaupt durch die ganze Cafeteria? Gehört es nicht in die Küche? Wahrscheinlich will sie damit Leute verschrecken, die es wagen, über sie zu lästern.
"Nichts, gehen Sie wieder an Ihre Arbeit und stecken Sie Ihre Ohren nicht in die Angelegenheit anderer ein", antwortet Liam locker und ein leiser Laut verlässt meine Lippen. Ich halte das nicht mehr aus. "Liam, können wir gehen?", presse ich hervor und forme meine Lippen zu einer Linie, um zu verhindern, vor Mr. Hell einen Lachanfall zu bekommen. Liam sammelt seine Sachen zusammen, was ich ihm gleich tue und wir schlendern schnell aus der Mensa. Draußen angekommen lasse ich alles raus, was sich in den letzten fünf Minuten in mir aufgestaut hat.
Ich fange lauthals an, zu lachen. Ich lache und lache und es scheint kein Ende zu nehmen.
"Du warst so fies zu ihr", pruste ich und setze mich auf die nächste Bank. Ich denke, wenn ich noch länger gestanden wäre, wäre ich umgekippt, weil mein Sauerstoffverbrauch am Ende ist. Ich hole endlich Luft und beruhige mich, während ich mir eine Lachträne aus meinem Auge wische. "Es muss doch mal gesagt sein", lacht er.
"Ich muss zu meinem nächsten Kurs, wir sehen uns später, ja?" Mit diesen Worten verabschiedet sich Liam von mir und auch ich mache mich auf den Weg zu meinem nächsten Kurs.
Völlig erledigt von dem Tag komme ich in meinem Zimmer an und lasse mich einfach aufs Bett fallen. Liam und ich waren nach unseren Kursen in einer angesagten Gegend bowlen und er hat mich haushoch geschlagen. Ich bin eben schlecht in solchen Dingen.
Meine Beine schmerzen und mein Kopf pocht von dem Zigarettengestank, der dort meine Sinne benebelt hat. Vielleicht war auch das der Grund warum ich verloren habe? Vorstellen könnte ich es mir. Dieser Gestank ist auch auf mich rübergegangen, weswegen ich duschen und mich umziehen gehe.
Gerade als ich für eine baldige Prüfung lerne, geht die Zimmertüre langsam auf und ein flaues Gefühl bildet sich in meinem Magen. Wieso hat die Personen einen Schlüssel?
Die Person betretet den Raum und ich kann kaum glauben, wer gerade dieses Zimmer betreten hat.
"Lily?" Ich packe mein Englischbuch sofort weg und stehe von meinem Bett auf. Sie sieht fertig aus. Sie hat verquollene Augen und sieht so aus, als ob sie gleich losheulen müsste. "Was ist denn passiert?" Sie sagt nichts, sondern fällt mir laut schluchzend in die Arme. Vollkommen überfordert lege ich meine Arme um sie und streichle ihr beruhigend über den Rücken. Was ist hier los?
Ihre Brust hebt und senkt panisch. "Es tut mir so leid, Grace!", kommt es ihr schluchzend über die Lippen.
"Soso leid", setzt sie fort und krallt sich an mir fest. "Du hattest die ganze Zeit recht und ich blöde Kuh habe dir nicht geglaubt. Meiner besten Freundin."
"Shh, beruhig dich", erwidere ich sanft und löse mich von ihr, um ihr in die Augen sehen zu können. "Was ist passiert?", frage ich erneut und sehe sie eindringlich an. Sie wischt sich mit ihrem Ärmel noch einmal über ihre verweinten Augen, ehe sie sich auf ihr Bett setzt.
"Tim ist ein verdammte Arschloch."
"Da kommst du ja früh drauf", erwidere ich und setze mich neben sie. Ich weiß, es ist kein richtiger Moment für solche Sprüche, aber sie muss einsehen, dass sie lernen muss, dass nicht gleich in jedem Typen Prince Charming steckt.
"Er-er ist einfach so ein Arsch", schluchzt sie weiter und ich lege ihr einen Arm um die Schulter. "Was hat er gemacht?" Meine Stimme ist ruhig, auch wenn ich innerlich explodiere. Was auch immer er ihr angerichtet hat, er wird dafür bezahlen.
"Weißt du, er war am Anfang schon so dumm zu mir. Die Sache mit dem Restaurant und dem Salat damals ... Er hat mich unter Druck gesetzt, dass ich abnehmen soll. Ich habe das sogar zugelassen, weil ich mir gedacht habe: Er ist so ein schöner Mann und ich bin ein totales Durchschnittsmädchen, ich muss etwas machen, dass er bei mir bleibt. Ich war eine Marionette für ihn, Grace. Ich habe alles mit mir machen lassen. Aber heute, ist er einfach zu weit gegangen. Er wollte mit mir schlafen, doch ich habe ihn abblitzen lassen, weil ich noch nicht mit ihm will. Er ... er ist ausgerastet und hat mich beschimpft, wie langweilig ich doch sei. Er hat mich angepackt und-" Wieder rollen ihr Tränen die Wangen hinunter und dieser Anblick bricht mir das Herz.
"Hat versucht mich auszuziehen, doch ich konnte mich befreien und bin weggelaufen. Ich hatte verdammte Angst. Und wegen so einem Arsch habe ich meine Freundschaft mit dir aufs Spiel gesetzt. Wie konnte ich nur denken, dass du unsere Beziehung zerstören wolltest, weil du eifersüchtig bis? Es tut mir so so leid, Grace!" Ihre Stimme ist tränenerstickt und ich ziehe sie noch näher zu mir. Ich kann nicht fassen, dass er das getan hat. Ich habe es ihm zugetraut, aber nie im Leben hätte ich gedacht, dass er das tatsächlich macht. Er hat Lily erniedrigt und dafür wird er büßen.
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Infinity |H. S.|
FanfictionDu kannst anderen vielleicht deine falsche Facette zeigen, aber ich weiß genau, wie du bist. Der Löwe ist ehrgeizig, nobel und stolz. Genau wie er. Wenn du etwas haben willst, dann kämpf verdammt nochmal dafür. Er - ein Boxer. Sie - eine Studentin. ...