73. Kapitel

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73. Kapitel

"Hier ist dein Geld, lass mich bitte in Ruhe!" Ihre verheulte Stimme dröhnt mir durch die Ohren und ohne wirklich darüber nachzudenken, reiße ich die Türe auf und stürme ins Zimmer. "Lass sie in Ruhe, du verdammtes Schwein!" Wütend schlage ich mit Fäusten auf Tim ein und werfe ihm wüste Beschimpfungen entgegen.

Fest packt er meine Handgelenke und wirbelt mich so, dass ich ihm in die Augen sehen muss. In diese Augen, wo ich so viele negative Erfahrungen verbinde. "Schön, dich wiederzusehen!" Ein dreckiges Grinsen ziert sein Gesicht und mein Bedürfnis, ihm mit einer flachen Hand gegen die Wange zu klatschen, ist größer denn je.

"Fass sie nicht an, Wichser!" Ich werde von ihm weggerissen und finde mich wieder in Harrys Arme, die mich beschützend umhüllen. Ich atme hektisch ein und aus und wage es, einen Blick auf Lily zu werfen. Rote Flecken zieren ihren Arm, aus ihrer Nase tritt rote Flüßigkeit und die Maskara um ihre Augen ist verschmiert. "Du Bastard!", schreie ich und winde mich in Harrys Armen, um mich zu befreien, doch er ist zu stark.

"Danke, so nennen mich viele!" Wieder erscheint dieses Grinsen in seinem Gesicht und ich spüre förmlich, wie das Blut in meinen Ohren rauscht. Er hat sie körperlich verletzt und sicherlich auch seelisch. "Wie ich sehe, hast du deinen Freund mitgebracht!" Er scannt ihn von oben bis unten ab.

"Das letzte Mal, als wir uns gesehen haben, hast du mir ziemliche Schmerzen zugefügt. Karma ist süß!" Ich spüre, wie Harry sich anspannt und sich auch beherrschen muss, nicht komplett die Kontrolle zu verlieren. "Lily", hauche ich und spüre, wie Harrys Griff lockerer wird. Ich renne auf sie zu und hocke mich zu ihr auf dem Boden, um ihr um den Hals zu fallen. Sie schluchzt und ihre Tränen wollen nicht stoppen. "Ich bin da, Lily! Es ist alles gut!" Ich streichle ihr beruhigend über den Rücken.

"Lily, es ist nicht vorbei, kümmere dich um die Kohle!" Es ist nichts weiter als ein Keifen, als Tim das Zimmer verlässt und wir zu dritt sind. "Grace, ich habe Scheiße an der Backe kleben!", schafft sie es gerade noch so zu sagen und ziehe sie mit mir rauf, um sie auf ihr Bett zu setzen, wo ich mich neben sie setze. "Das habe ich befürchtet, Lily und ich glaube auch, dass ich genau weiß, was hier los ist. Ich habe eine SMS gelesen, die von Tim war und ich habe auch gesehen, wie du das Haus von dem Mann verlassen hast. Wieso machst du das?" Ich sehe sie direkt an und ich sehe, wie sie leicht ihre Augen aufreißt.

Sie wischt sich mit ihrem Handrücken über ihre Augen und spielt mit dem Saum ihres Shirts. "Ich mache das nicht freiwillig, weißt du, wie schmutzig ich mich fühle? Ich fühle mich wie eine Schlampe, ich will, dass es aufhört, aber ich kann nicht!" Ihre Stimme versinkt beinahe durch die Schluchzer, doch ich verstehe sie klar und deutlich.

"Womit erpresst er dich? Es war von Bildern die Rede." Sie holt tief Luft, bevor sie weiterredet.

"In der Zeit, wo wir zusammen waren, habe ich ihm Bilder geschickt. Von mir-" Ich unterbreche sie lautstark. "Bilder? Wieso? Lily, wir hatten das Thema doch oft, dass du solche Bilder nicht schicken sollst. Egal an wen!" Ich tadle sie, obwohl es in der jetzigen Situation weniger angebracht ist, aber ich bin enttäuscht, dass sie es trotzdem gemacht hat.

Harry setzt sich in der Zwischenzeit auf mein Bett und hört uns aufmerksam zu, ohne etwas zu sagen. "Er hat mich so angebettelt und ich war geblendet von ihm, du weißt doch, wie sehr ich in den verschossen war. Ich bin auch nicht stolz darauf." Sie macht eine lange Pause, bevor sie mit ihren Erklärungen fortfährt.

"Jetzt zwingt er mich, mit anderen Männern zu schlafen, um Geld für ihn anzuschaffen, wenn ich das nicht mache, wird er diese Bilder online stellen!" Ungläubig schüttle ich meinen Kopf. "Was für ein Schwein." Ich fasse es nicht, dass ich mit meinen Befürchtungen recht hatte.

"Das wird jetzt aufhören, du wirst nicht mehr seine Marionette sein!"

"Wie denn? Er hat mich voll in der Hand!"

"Wie wäre es mit der Polizei?" Ich runzle meine Stirn.

"Nein, es darf keiner erfahren, wie stehe ich denn sonst da?" Ihr Ton ist nun harsch. "Lily, du darfst dich nicht so von ihm behandeln lassen. Du kannst das verhindern!"

"Nein, wenn ich zur Polizei gehe, wird er die Bilder erst recht posten!" Die Angst in ihrer Stimme ist kaum zu überhören.

Ich spitze meine Lippen und denke über eine Lösung nach. Tim ist skrupellos und würde sein Vorhaben tatsächlich in die Tat umsetzen, wenn  wir ihm die Polizei auf den Hals hetzen. Doch wenn wir es schaffen ihn geschickt zu überführen, dann können wir Hilfe von der Polizei einholen - ohne dass er die Bilder online postet. "Ich habe einen Plan, wie wir ihn zur Strecke bringen. Dazu brauche ich deine Hilfe und bis wir den Plan durchziehen, wirst du seinen Aufforderungen nicht nachgehen, haben wir uns verstanden?"

"Wie, was hast du vor?" Ich stehe auf und greife nach meinem Handy. "Ich werde dir alles erklären, wenn ich alles genau durchgeplant habe." Ich lege mein Handy wieder weg und greife nach einem Taschentuch. "Jetzt wisch dir das Make-Up aus dem Gesicht, du siehst aus, wie ein Panda, der zu viele Drinks hatte!"

Mit diesem Spruch kann ich ihr ein Lächeln entlocken und ich kann auch hören, wie Harry leicht kichert.

Mittlerweile hat auch das Nasenbluten aufgehört.

"Du bist die beste, ich weiß nicht, wie ich dir danken soll!" Sie wischt sich übers Gesicht und steht auf, um mich in den Arm zu nehmen. "Ich bin froh, dass du es mir erzählt hast, gemeinsam schaffen wir es."

"Ich will eure gemeinsame Zeit nicht stören, mach dir um mich keine Gedanken!" Sie löst sich von mir und nickt mit ihrem Kopf in Harrys Richtung. "Der kann warten, der macht es so gerne!" Ich spüre seinen Blick auf mir und weiß, dass er mir in Gedanken den Mittelfinger zeigt. "Nein, ich werde mich jetzt sowieso hinlegen, es war ein anstrengender Tag und ich muss mich ausruhen. Aber davor gehe ich ins Bad und wasche das ganze Blut weg." Mein Blick wandert über ihre Verletzungen. "Brauchst du einen Arzt? Es sieht ziemlich heftig aus!" Ich zeige auf die blauen Flecken, doch sie zieht ihren Ärmel hinunter. "Nein, es ist alles ok, geh ruhig."

Mit diesen Worten verschwindet sie ins Badezimmer.

Die Anspannung, die noch vor wenigen Minuten in mir geherrscht hat, ist ein bisschen abgefallen, jedoch stehen wir vor einer großen Aufgabe. Wir müssen Tim eine Falle stellen und ich habe auch schon eine Idee, wie wir das machen. "Krasse Scheiße, was abgeht, wenn es nicht illegal wäre, würde ich dieses Arschloch eigenhändig umbringen!" Ich setze mich neben ihn  und nicke mit dem Kopf. "Verdient hätte er es ja!"

"Du meintest du hast einen Plan?" Er hakt nach und ich lasse mich nach hinten fallen. "Ungefähr, aber ich muss ihn noch durchplanen. Dieser Plan ist riskant, ein kleiner Fehler und alles ist ruiniert!" Er lässt sich ebenfalls nach hinten fallen und legt sich auf die Seite, wo er sich auf seinem Ellenbogen aufstützt.

"Du bist echt zu gut für diese Welt!", stellt er fest und ich straffe meine Schultern. "Ich bin nicht gut, ich bin die Beste!", sage ich selbstgefällig und ernte ein Augenverdrehen von ihm. "Du bist so arrogant, dass ich schon stolz auf dich bin!" Er rutscht näher zu mir und lässt seine Finger auf meinem Bauch tanzen.

"So gerne ich noch hier bleiben will, ich muss zum Training!" Er nimmt Schwung und lässt mich mit einem schmunzelnden Blick zurück. "Kann ich nicht mit?" Ich setze mich auf und greife nach seiner Hand. "Hm, Sex in der Gaderobe wollte ich schon immer haben, wieso nicht?" Er schmunzelt und zieht mich an der Hand zu sich. "Daran habe ich eigentlich nicht gedacht!" Ich verdrehe meine Augen und schlage ihm gegen die Brust.

"Du denkst den ganzen Tag daran, gibs zu!" Er schließt mich in eine enge Umarmung und bringt seine Lippen zu meinem Ohr. "Wie ich es dir besorge!", raunt er und sorgt dafür, dass sich eine Gänsehaut über meinen gesamten Körper zieht. "Ich freue mich schon, da habe ich eine perfekte Motivation fürs Training." Er löst sich von mir und zieht mich aus dem Zimmer in sein Auto. Auch wenn ich es nicht zugeben will, haben es mir seine Worte schon angetan.


Infinity |H. S.|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt