Man sagt "Aller Anfang ist schwer", das hat jedoch nie auf mich zugetroffen. Zu Beginn hatte ich stets immer genug Motivation weiter zu machen egal was kam, aber wenn das Ziel dann in Sicht kam, verlor ich diese, denn ich war offenbar gescheitert. Für mich traf also eher ein "Jedes Ende ist schwer" zu, das hört sich aber nicht so schön an. Manchmal kann man aber gar nichts dafür, dass man scheitert, manchmal setzt einfach der Lawinen-Effekt ein. Man stolpert aus versehen und schon löst sich etwas Schnee, der zu immer mehr Schnee wird, bis er letztendlich alles mit sich reißt und man oben steht und auf ein einziges Trümmerfeld hinunter blickt.
So kam es dazu, dass ich mit zwei Koffern und einem Rucksack am Heathrow Airport stand und verzweifelt mein Gleis suchte. Ich war vermutlich schon zwei Mal durch den ganzen Flughafen gelaufen ehe ich das richtige Schild entdeckte, das mich zu meinem Ziel führte.
Glücklicherweise kam die U-Bahn auch einige Momente, nachdem ich ein Ticket gekauft hatte und am Gleis abfahrbereit wartete. Alle Menschen um noch herum sprachen fast alle Sprachen dieser Welt und ich lauschte ihnen gespannt, versuchte aus der Stimmlage herauszuhören und mir aus anderen Sprachen, die ich bruchstückhaft sprechen konnte, zu erschließen, worum es ging, so dass ich nicht meinen eigenen Gedanken zuhören musste.
Nach etwa einer Stunde Londoner U-Bahn Luft, war ich endlich in Notting Hill angekommen und lief noch weitere 10 Minuten zu meinem neuen Zuhause. Es war ein ein blaues Reihenhaus mit mehreren Zimmern und einem kleinen Garten. Meine Oma hatte es mir gekauft, als sie erfahren hatte, was passiert war und mich in den nächsten Flieger hierhin gesetzt hatte. Da ich noch keinen Schlüssel hatte, klopfte ich am Nebenhaus, wo der Hausherr lebte.
"Good evening! Ich bin Mr Hampsh, Sie müssen Sophie sein?", Mr Hampsh war Ende 60 und hatte etwas längere graue Haare und einen kleinen Schnäuzer.
"Ja, das bin ich", ich lächelte ihn freundlich an, "Meine Oma hat mich angekündigt?"
Er nickte: "Möchten Sie auf einen Tee herein kommen oder möchten Sie sofort rübergehen?"
"Um ehrlich zu sein", ich kratzte mir verlegen am Hinterkopf "würde ich erstmal rüber gehen wollen, etwas auspacken und duschen gehen"
"Selbstverständlich!", lächelte er mich an , "ich hole eben Ihre Schlüssel"
Und schon war er in seinem Haus verschwunden. Aus der offenen Eingangstür strömte eine liebliche Wärme und ein Duft von Zimt. Das Haus schien ein Innenleben wie an Weihnachten zu haben, obwohl es Juni war.
"So da bin ich!", Mr Hampsh trat aus der Tür und nahm mir einen Koffer ab, obwohl ich mich erst etwas sträubte (in Wahrheit, war ich sehr erleichtert, da meine Arme mir fast abfielen auch wenn es nur wenige Schritte bis zu meinem Haus waren).
Er schloss auf und meine Illusion, die ich kurz gehabt hatte, dass das Innenleben so ähnlich war, wie das vom Haus von neben an, zerbrach in tausend kleine Splitter. Es war kalt und stand vollkommen leer bis auf die beigen farbende Küche, die in der frisch renovierten Wohnung inklusive war, und eine Matratze, die Mr Hampsh freundlicherweise heute Morgen schon für mich vom Lieferanten angenommen hatte, damit ich heute wenigstens irgendwo schlafen konnte. Der dunkelbraune Laminat, der in der ganzen Wohnung ausgelegt war, stellte einen traurigen Kontrast zu den weißen Wänden her, doch ich ermutigte mich mit dem Gedanken, dass morgen meine bestellten Möbel kommen würden und ich dann hier alles dekorieren könnte, so dass es hier ein bisschen mehr nach einem Zuhause aussehen würde.
"Wenn Sie noch etwas brauchen, können Sie jeder Zeit zu mir rüber kommen! Meine Frau würde sich sehr freuen, Sie auch kennen zu lernen", sagte Mr Hampsh nachdem er mich im Haus einmal herumgeführt hatte und mir erklärt hatte, wo ein 24-h-Markt war, so dass ich gleich noch die nötigsten Lebensmittel kaufen konnte.
"Vielen Dank, Mr Hampsh, ich werde demnächst auf den Tee zurück kommen, wenn das in Ordnung ist", lächelte ich, worauf er aufgeregt nickte und sich dann nochmal verabschiedete: "Kein Problem, kommen Sie vorbei, wenn Sie Zeit finden", kurz bevor er aus der Tür trat, drehte er sich nochmal zu mir um. "Welcome to London"
Ich schaute noch lange, nachdem die Tür schon wieder zugefallen war, auf die Haustür, versuchte meine Gedanken, die durch den ganzen Raum zu fliegen schienen, wieder einzusammeln und in meinen Kopf zu schieben. Nach einer Weile löste ich mich aus meiner Starre und öffnete das Fenster. Es war mittlerweile knapp 11 pm und meine Lunge atmete die abgekühlte Abendluft von London ein, damit versuchte ich mich wieder etwas wacher zu machen, jedoch war mein Körper ausgelaugt und wollte sich nur noch auf die Matratze fallen lassen. Mit letzter Kraft schleppte ich mich zu meinem Rucksack, nahm mein Portmonee und meine Schlüssel und verließ das Haus.
Im 24-h-Markt kaufte ich etwas Brot, etwas Wurst, Kaffee, Wasser, Milch und einen Fertigsalat, den ich gleich essen konnte. Der Kassierer trug Kopfhörer und machte damit sein Desinteresse an allem ziemlich deutlich. Die Tür öffnete sich und eine junge Dame kam durch die Tür, sie lächelte mich kurz an, sagte hallo und verschwand dann in den Gängen. Anscheinend waren die Leute hier entweder so wie Kassierer oder so offen wie Mr Hampsh und das Mädchen.
Als ich geduscht hatte, den Salat im Magen hatte und meiner Oma eine Nachricht geschrieben hatte, dass ich gut angekommen war, das Haus schön sei und ich sie vermisse, fiel ich auf die Matratze und schlief sofort ein.
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conflicted l.p
Fanfictionmanchmal rennt man so lange vor etwas weg, dass man sich selbst auf dem weg verloren hat und nicht mehr alleine zu sich findet