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~Fred~

» Du hältst das Messer falsch herum, die Klinge sollte von dir weg zeigen, wenn du jemanden so angreifen willst, wie du es grade vorhast.«
Sarah dreht das Messer in ihrer rechten Hand vorsichtig um, die Schneide zeigt nun nach außen.
» Zuerst ziehst du den Arm bis ungefähr Brusthöhe zu dir hoch und dann schwingst du deinen Arm mit Kraft auf Höhe deines Halses aus. Ungefähr so, siehst du?«, ich ziehe meinen Ellenbogen bis knapp unter mein Herz und schwinge meinen Arm so schnell es geht. Ein sauberer, schmerzfreier Kehlen Schnitt.
Ich will ihr nicht zeigen, wie sie jemanden mit Schmerzen tötet...
Sie macht es mir nach, unsicher, aber richtig.
» Es ist eigentlich gar nicht schwierig, aber du musst es auch in der Situation anwenden können. Es ist immer schwierig, wenn du einen Menschen verletzen oder gar töten musst.«, ich gucke ihr in die Augen, sehe das Feuer der Entschlossenheit in ihren hellen Augen, so unschuldig wie ein Lamm nickt sie. Sie weiß gar nicht, wie es ist, ein Menschenleben zu beenden, bald wird sie so verdorben sein, wie alle anderen hier.
Sie ist doch praktisch noch ein Kind. Sollte ich ihr das wirklich beibringen?
Unsicher betrachte ich, wie sie mit den Fingerkuppen über das scharfe Messer fährt, sie schneidet sich leicht, doch es tut ihr nicht weh, es blutet nicht einmal.
Ich kaue auf meiner Unterlippe rum, Sarah guckt auf, wir sehen uns in die Augen.
Sie muss sich verteidigen können, wenn ich nicht da bin....
Sarah lächelt und hält mir das Messer hin, damit ich es ihr wieder wegnehme.
» Ich schenke es dir. Geh gut damit um.«, winke ich knapp ab und drehe mich um, gehe wieder rein.
Genug Training für heute.

~
Das Mädchen sieht Fred nach und steckt zögerlich die geschärfte Klinge ein.
» Werde ich.«, haucht sie ihm hinterher und zieht die Kapuze über.
Ich bin jetzt ein echter Dieb!, denkt sie und lächelt, unter der Kapuze macht sie sich einen Zopf und dreht sich langsam um. Sie geht wieder weg, heute war sie noch nicht in der Stadt. Sarah denkt auf ihrem Weg viel über das Mädchen nach, was sie bei ihrer Erkundung entdeckt hatte. Sie war ziemlich neidisch auf das Kind, was alles hatte. Sarah war schon lange ein Waisenkind, sie erinnert sich kaum noch an ihre Eltern. Eigentlich nur noch an das Gefühl von Schutz, Zärtlichkeit und bedingungsloser Liebe. Ihre Mutter war eine hübsche Sängerin auf dem Markt gewesen, ihr Vater war unbekannt. Vielleicht war er adlig, vielleicht ein alter Trunkenbold, niemand wird es jemals wissen, denn ihre Mutter wird weiterhin still sein. Für jetzt und bis in alle Zeit.

~~~
~Sarah~

Ich stehe wieder vor dem Haus der Rosenfeld Familie, der starke Rosengeruch steigt mir in die Nase, doch ich kann mich ihm nicht hingeben.
Nicht jetzt....
Fred steht neben mir, sieht sich um, dann nickt er und nebeneinander klettern wir über die kleine Mauer und auf den Apfelbaum, zwischen dem dichten Blätterwerk hocken wir auf einem Ast und besprechen flüsternd erneut das Vorgehen.
» Also, zuerst wirst du rein klettern, verstanden?«, er sieht sich um, seine Augen funkeln in dieser dunklen Nacht vor Aufregung.
Ich nicke stumm.
» Dann wirst du runtergehen. Hast du keine Zweifel, dass der Gebäudeplan richtig ist?«, er sieht sich wieder um.
» Ich hab nur die obere Hälfte gesehen, aber ich glaube schon.«, wispere ich und sehe mich auch wider um.
» Das wird reichen müssen. Jedenfalls öffnest du im ersten Stock ein Fenster, am besten das da.«, er deutet auf ein großes Fenster, in der Dunkelheit sehe ich eigentlich nur ein schwarzes Loch im hellen Anstrich.
Ich nicke erneut still und verändere meine Sitzposition etwas.
» Wir trennen uns, du wirst nach Dingen suchen, die teuer sind, am besten Edelsteine, während ich die Dokumente suche. Kapiert?«, er sieht mir das erste Mal in die Augen, ernst nicken wir uns zu und ich lasse mich vom Baum rutschen.
Meinen Umhang hab ich diesmal nicht mitgenommen, nur ein Oberteil, was direkt eine Kapuze hat. Es war neu, Fred hatte es mir heute erst gegeben. Schnell husche ich über den Rasen, spüre das Kitzeln der Grashalme an meinen nackten Fußsohlen, doch ich laufe stumm weiter, verschmelze mit den Schatten, meide das Mondlicht, was den Garten in silbriges Licht taucht.
Auch Fred wird aktiv und schleicht einmal um das Haus rum, um mich nicht zu behindern.
Leise klettere ich den Baum mit dem morschen Ast hoch, der bis kurz vor das Fenster mit dem Siegelring führt, hoch. Kurz bleibe ich wie angewurzelt stehen, Ich halte meinen Atem an und lausche angestrengt, doch außer meinem rasenden Herz kann ich nichts hören und so atme ich tief und flach aus, setze meinen linken Fuß auf den Boden und atme wieder langsam ein, ziehe meinen rechten Fuß nach vorne und atme wieder aus, während ich ihn platziere. Ich drücke meinen Körper dabei möglichst an die Wand, stütze mein Gewicht irgendwie auf meine Handflächen, die ich flach gegen die Tapete drücke. Das Blut rauscht mir in den Ohren, während ich langsam aber stetig durch das Zimmer schleiche. Die Zeit scheint sich zu verflüssigen, ich habe das Gefühl, ich würde schon seit einer halben Stunde nur langsam durch dieses Zimmer schleichen.
Fred ist sicher schon ungeduldig.
Ich erreiche die Türe und hebe die goldene Klinke langsam leicht an, bis es leise knackt. Sofort stoppe ich und lausche wieder. Tiefe Atemzüge vom Zimmer links, rechts stille, der Flur scheint auch leer zu sein.
Langsam ziehe ich den Türgriff runter, während ich den Rest der Klinke mit der Türe leicht anhebe. Ich fange an zu schwitzen vor Aufregung.
Mein erster Einbruch!
Mit einem schnellen Ruck, den ich noch in seinem Schwung sofort stoppe, reiße ich die Tür ohne ein einziges Knarren oder Knarzen auf, kein quietschen. Rein gar nix.
Der leichte Luftzug der Holztüre sticht mir kurz in den weit aufgerissenen Augen, ich wische meine schwitzigen Handflächen an meiner Hose ab und drücke mich wieder an die Wand, atme aus, setze einen Fuß vor den anderen, langsam bekomme ich eine Routine, wie man die Atmung mit dem Schritt Rhythmus gleich setzen kann und werde schneller. Langsam, aber wenigstens nicht mehr so schlimm wie vorher.
An der Treppe lehne ich mich an das Geländer, es knackt wieder leise, doch ich lasse langsam meine immer noch verschwitzten Hände an das Holzgeländer gleiten und stütze meinen Körper auf, dass nur noch meine Zehen die Treppenstufen berühren, es knarzt leise und ich passiere auf den Zehenspitzen mit fast Nullgewicht auf dem Boden die Treppe. Auf dem Steinboden im ersten Stock angekommen, entspanne ich mich das erste Mal, aber sehe mich direkt wieder gehetzt um.
Durch diesen, mir völlig unbekannten Flur schleiche ich genauso leise, wie über das Parkett vorhin. Meine Finger zittern unkontrolliert, das Adrenalin rauscht durch meinen Körper, ich habe das Gefühl, fliegen zu können, alles zu schaffen. Ein unglaublicher Tatendrang strömt durch mich, fast wäre ich aufgesprungen und hätte gejauchzt. Ich bin einfach nur überwältigt.
Ist es das, wovon Fred manchmal spricht?
Ich komme am Fenster an und öffne es, hebe den Rahmen an, damit ja kein Geräusch dem rostigen Gestell entweicht. Es quietscht leise, doch Fred bleibt ruhig, während mir der Schweiß fast den Rücken runter fließt.
Er klettert blitzschnell durch das Fenster, lächelt mir aufmunternd zu und gestikuliert mir, dass er nun die Räume durchsuchen müsste.
Ich bleibe noch kurz stehen, versuche nicht an meinem rasenden Herz zu krepieren und sehe mich wieder um.
Aus meiner Bauchtasche nehme ich einen kleinen Jutesack, langsam und etwas zaghaft stecke ich alles, was glänzt in den Beutel und sehe mich immer wieder um, stoppe und lausche auf jegliche Geräusche, die nicht von Fred kommen.
Ich bin grade fertig mit diesem Raum, der Beutel ist fast voll, da steht Fred wieder vor mir, in seiner linken Hand wedelt er mit einem Briefumschlag, schlägt mir diesen grinsend leicht gegen die Wange und nimmt meine Hand, zieht mich leise aus dem Raum.
» Wo müssen wir raus?«, wispere ich, durch seinen Zug spüre ich nicht mehr genau, wo ich hintrete, habe meine Schritte nicht mehr ganz unter Kontrolle. Und zertrete etwas.
Leise stöhne ich vor Schmerz auf, fast gleichzeitig mit dem lauten Klirren, fast direkt höre ich von der oberen Etage Stimmen.
» Isaac... Da ist wer!«, panisch. Es ist die hübsche Frau.
Verdammt!
Fred zögert nicht lange, wickelt seine Faust schnell in ein Tuch ein und zerschlägt stumm das Fenster, springt irgendwie durch die Glasscherben durch und zieht mich hinterher. Die Glasscherben, die noch im Rahmen stecken sind teilweise länger als mein Oberarm!
» Halt!«, brüllt Isaac hinter uns und will mich noch festhalten, aber Fred war grade eben noch schnell genug.
Fred rennt, ich humpele mit schmerzverzerrten Gesicht irgendwie hinter ihm her, falle immer weiter zurück. Er dreht sich um, sieht, dass ich kaum laufen kann und nimmt mich stumm huckepack.
Wir verschwinden in den Schatten der Nacht, während ich mein Gesicht an seinen Nacken drücke  und versuche, nicht vor Schmerzen zu weinen. Ich kneife meine Augen zusammen und hoffe, dass es nicht so schlimm ist, wie es sich anfühlt.
» Geht es?«, leise und etwas keuchend fragt er mich rennend, ich schüttele den Kopf und atme tief aus und ein, um mich etwas zu beruhigen.
Er rennt noch ungefähr zwei Minuten und setzt mich schließlich ab. Hält meinen Kopf am Kinn hoch und sieht mir fürsorglich in die Augen, er streichelt mir kurz über meine Haare und holt dann eine von den Kerzen, die wir neulich geklaut haben.
Vorsichtig hebt er meinen linken Fuß hoch und hält die Kerze näher an meine Wunde. Mehrere glänzende Glasscherben stecken in meinem Fuß, alles ist voller Blut und glänzt. Ich habe Schmerzen, starke Schmerzen.
» Die Scherben sitzen tief, weil du noch gelaufen bist, ich werde sie ziehen müssen.«, leise und sanft holt Fred eine Schüssel, füllt sie mit Wasser aus dem Trog und drückt meinen Fuß in das kalte Wasser.
Ich schließe meine Augen und lasse es stumm über mich ergehen. Irgendwann öffne ich diese wieder und sehe ihm zu, wie er ein buntes Tuch um meinen Fuß wickelt und eine Schleife obendrauf knotet.
Vier Scherben liegen auf dem Teppich, das Wasser ist rot oder eher rotbraun, ich schweige. Er schweigt, das Schweigen lastet schwer über uns, langsam ziehe ich den Beutel über den Boden zu mir und kippe den ganzen Inhalt aus. Erst jetzt sehe ich wirklich, was ich alles eingesteckt habe.
Fred sieht sich alles an, seine Miene wird immer düsterer.
» Alles Mist.«, sagt er und guckt sich die letzten paar Gegenstände schon gar nicht mehr genauer an.
Soviel Arbeit für nichts!
 



FuchsjagdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt